Chaos beim KFC Uerdingen: Ein Drama in (zu) vielen Akten
Dass der KFC Uerdingen mal wieder ein Pflichtspiel verloren hat, wurde am Wochenende fast schon zur Nebensache. Immer wieder und immer heftiger verstrickt sich der rheinische Verein in Nebenkriegsschauplätzen – auch weil sich Investor Mikhail Ponomarev nicht bewusst ist, welches Gewicht seine Worte haben. Ein Überblick über die Lage.
Ein Teufelskreis
Eins muss man dem KFC Uerdingen lassen. Er schafft es immer wieder, Drittliga- und Fußballfans im Allgemeinen aufs Neue zu überraschen. Doch die erste ausschließlich positive Schlagzeile seit dem sportlichen Aufstieg im Frühsommer des Vorjahrs lässt weiter auf sich weiten. Stattdessen teilt der Verein um Investor Mikhail Ponomarev weiter aus – kürzlich gegen Ex-Trainer Norbert Meier, aber auch gegen Medien, denen er vermeintlich rassistische Berichterstattung vorwarf. Heftige Anschuldigungen des Geldgebers am Niederrhein, die natürlich prompt als Schlagzeile wiederverwendet wurden. Es scheint sich ein Teufelskreis gebildet zu haben. Gerade für den Boulevard ("Troll Ponomarev") ist jede unkontrollierte Bemerkung Ponomarevs zum gefundenen Fressen geworden, die ihm schnell um die Ohren fliegt.
Längst hat sich eine simpler Handlungsstrang, bestehend aus Aktion und Reaktion, etabliert. Vor allem vom Verein selbst, der sich mehr und mehr in einer Art Opferrolle vor der Missgunst flüchtet, die ihm mittlerweile aus allen Richtungen entgegen schlägt. Als am vergangenen Wochenende eine Reihe von Klubs den Klassenerhalt unter Dach und Fach brachte, ließen es sich auch auf unserer Seite viele Fans nicht nehmen, sämtlichen Mannschaften zu gratulieren – "mit Ausnahme des KFC Uerdingen", hieß es oft, und die Masse schloss sich an.
Wo ist das Eingeständnis?
Sicherlich ist es ein Stück weit zum Trend geworden, Uerdingen nicht zu mögen. Ehrlicherweise hat der Verein durch sein Auftreten jede Menge für diesen Ruf getan. Er dürfte in Deutschland längst 1860 München als Paradebeispiel katastrophaler Entwicklung unter Investoreneinfluss abgelöst haben. Allmählich hätte allerdings ein Einsehen stattfinden können, eher müssen. Ein Eingeständnis seitens der Vereinsführung, die womöglich größte Fehlplanung der jüngeren Klubgeschichte vorgenommen zu haben. Der Fokus auf etablierten, wenig erfolgshungrigen Spielern, das vollständige Außenvorlassen eines gesunden Mannschaftsklimas – ein solches Konzept mag in der chinesischen Liga funktionieren, in der 3. Liga war es zum Scheitern verurteilt.
Zum womöglich größten Glücksgriff wurde ausgerechnet Ex-Trainer Stefan Krämer, der es schaffte, unter widrigsten Bedingungen das spielen zu lassen, was diese Mannschaft zu leisten imstande war: Optisch wenig ansehnlichen Fußball mit geringem Tempo, der aber zumindest noch strukturiert war und mit defensiver Fleißarbeit dennoch zu guten Ergebnissen führte. Dass Ponomarev ihn, fanatisch nach dem sofortigen Durchmarsch strebend, ohne jede Geduld vor die Tür setzte – es war im Nachhinein betrachtet ein unglaublicher Fehler.
Ponomarevs Reputationsproblem
Man hätte erwarten können, dass sich der KFC-Boss dies irgendwann öffentlich eingestehen würde. Doch einzig bei der Auswahl von Krämers Nachfolger übte er sich jetzt in Selbstkritik – und trat überflüssigerweise zeitgleich heftig gegen den bemitleidenswerten Norbert Meier nach. Das Bild, das Mikhail Ponomarev durch eine Handvoll Tweets in die Welt gesetzt hat, bestätigte Eindrücke und Vorurteile, die sich über die vergangenen Monate gebildet hatten, gleichermaßen. Dass Ponomarev, wie eine Reihe von Leuten berichten, auf persönlicher Ebene als durchaus umgänglich gilt, kann er durch das negative Image in der Öffentlichkeit nicht ansatzweise bestätigen.
Wann immer der Investor das Wort erhebt, scheint derzeit klar: Es knallt. Auch Heiko Vogel, dessen Debüt gegen Cottbus misslang, kann sich seines Jobs nicht sicher sein, wenn Ponomarev davon spricht, "notfalls 18 Trainer holen zu wollen." Ob er sich des Gewichts seiner Worte nicht immer bewusst ist? Der KFC Uerdingen jedenfalls ist auf gutem Wege, weiter als schillernder Name, aber sportliches Wrack durch die Liga zu taumeln. Wer nach der in fast allen Belangen desaströsen Rückrunde 2018/19 zu bemitleiden bleibt, sind die tapferen Fans, denn die Hoffnung auf nahe Besserung kann derzeit nur konstruiert werden.