"Wahnsinn": Gesperrter Reichert verfolgt Topspiel im Fanblock

Aufgrund seiner fünften gelben Karte musste Ulms Kapitän Johannes Reichert ausgerechnet am Sonntag im Topspiel gegen Dynamo Dresden zuschauen. Das tat der 32-Jährige aber nicht etwa aus dem VIP-Bereich heraus, sondern verfolgte die Partie im Fanblock – und erlebte den zwischenzeitlichen Führungstreffer als Vorsänger.

"Wir sind alle durchgedreht"

Er hüpfte, klatschte und sang mit: Wenn man es nicht besser gewusst hätte, wäre Johannes Reichert mitten unter den Fans in Block D gar nicht aufgefallen. Doch es war tatsächlich der Kapitän der Spatzen, der sich mitten in den Fanblock stellte, sich auch aktiv am Support beteiligte und Mitte der ersten Halbzeit zudem auf den Zaun stieg, das Megafon in die Hand bekam und den Vorsänger gab (die Szene im Video). Dafür hätte sich der 32-Jährige keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, denn kurz nachdem er die Massen angepeitscht hatte, traf Lamar Yarbrough – vielleicht auch dank Reicherts Vorsänger-Qualitäten – nach 28 Minuten zur Führung für die Ulmer, die zu diesem Zeitpunkt gar Tabellenführer waren.

"Wir sind alle durchgedreht, ein unfassbarer Moment. Wahnsinn. Wow", war Reichert auch in der Halbzeitpause immer noch elektrisiert, als er zum Interview mit "MagentaSport" kam. Mit durchaus angeschlagener Stimme berichtete er: "Ich hatte Gänsehaut und habe jetzt immer noch Gänsehaut. Ein ganz neues Erlebnis. So habe ich es mir erträumt. Einfach brutal." Warum er das Spiel im Fanblock verfolgte? "Weil ich den Fans einfach was zurückgeben wollte für die unfassbare Unterstützung."

Als er letzte Woche realisiert hatte, dass er durch die gelbe Karte in Sandhausen ausgerechnet das Topspiel verpassen würde, "ist eine kleine Welt für mich zusammengebrochen", gestand Ulms Spielführer ein. "Aber ich habe es schnell abhaken können, denn ich bin ja trotzdem hier und darf es miterleben." Vom Spiel seiner Mannschaft in den ersten 45 Minuten zeigte sich der Verteidiger angetan: "Das sind genau wir. Wir hauen uns rein, sind mutig und brennen richtig. Es ist heute was drin." Auch nach dem Doppelschlag der Dresdner (33. / 37.) habe der SSV den "Kopf nicht in den Sand gesteckt" – und kam kurz vor der Pause durch Röser (45.) zurück.

Reichert lebt seinen Traum

Im zweiten Durchgang entschied Dynamo die Partie dann aber für sich und fügte dem SSV damit die erste Heimpleite in dieser Saison zu. Trainer Thomas Wörle sprach im Nachgang von einer "verdienten", aber "ärgerlichen Niederlage", weil "wir dem Gegner einfache Tore ermöglich haben", spielte er darauf an, dass alle drei Gegentreffer aus Standards resultierten. Auch insgesamt sei sein Team "nicht stark genug gewesen, um etwas mitnehmen zu können. Am Ende konnten wir keinen extra Schub mehr zünden und mussten dem hohen Tempo aus der Anfangsphase Tribut zollen. Aber wir wissen, wo wir herkommen und akzeptieren es". Mit der Tabellenführung wurde es zwar nichts, dennoch kann sich auch Platz 3 absolut sehen lassen.

Dem dürfte auch Reichert nicht widersprechen: "Ich wache jeden Tag auf und lebe meinen Traum", strahlte er über das ganze Gesicht: "Ein Traum, wir waren tot. Toter als tot", spielte er auf die letzte von insgesamt Insolvenzen in der Vereinsgeschichte der Ulmer im Jahr 2014 an, der 2016 der Abstieg in die fünftklassige Oberliga folgte. Zwei Jahre später ging es zurück in die Regionalliga, ehe im vergangenen Sommer nach 22 Jahren die Rückkehr in den Profifußball gelang. "Einfach nur Wahnsinn. Wir sind so froh, wieder dabei zu sein", sagte Reichert, der seit 2016 wieder im Verein ist, nachdem er zuvor schon von 2009 bis 2014 für den SSV gespielt hatte. Insgesamt stand er bislang 379 Mal auf dem Platz. Und mit Auftritten wie am Sonntag haben die Spatzen gute Chancen, den Klassenerhalt zu feiern. Ab nächster Woche dann auch wieder mit Reichert auf dem Platz, statt in der Kurve.

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