Dynamo Dresden: Top-Favorit mit klarer Transferstrategie
Als Letzter der 2. Bundesliga ging es für Dynamo Dresden Ende Juni nach vier Jahren zurück in 3. Liga. Die Frage, ob dem Abstieg ein fairer Wettbewerb vorausgegangen ist, beschäftigt die SGD allerdings nur noch am Rande: Die personellen Planungen für (möglichst) den direkten Wiederaufstieg sind weit gediehen. Ein Überblick über die Lage in Sachsen.
Fehlersuche über die Corona-Pandemie hinaus
Solch einen Abstieg hatte Dynamo Dresden auch noch nicht erlebt. Zum Zeitpunkt des Corona-Shutdowns im Profifußball immerhin noch mit sehr realistischen Chancen auf den Klassenerhalt (vier Punkte Rückstand), geriet Dresden mitten in der Vorbereitung auf den Neustart im Mai in eine zweiwöchige Teamquarantäne, drei Punktspiele mussten verschoben werden. Doch unter mehr als grenzwertigen Bedingungen peitschte die DFL Dynamo durch zig Englische Wochen. Sie kämpften bis zum vorletzten Spieltag, sie improvisierten – es reichte nicht. Und als die Emotionen aus Verteidiger Chris Löwe in einem berührenden Interview nach der vorentscheidenden 0:2-Niederlage in Kiel nur so rausplatzten, war spürbar, wie die ganze Situation Dynamo Dresden mitgenommen hatte.
Sieben Wochen später. Der Ärger ist verraucht, Rechtsmittel gegen den Abstieg legte der Klub nicht ein. An der Elbe hat man sich abgefunden mit dem Abstieg. Vier Jahre Zweitklassigkeit mit dem Highlight im Aufstiegsjahr 2016/17, als Dynamo den fünften Platz erreichte. Bergab ging es spätestens mit der Entlassung von Trainer Uwe Neuhaus. Dass dieser nun in Arminia Bielefeld einen Klub ganz ähnlicher Kragenweite dank seiner Spielphilosophie und konsequentem Training in die Bundesliga geführt hat, wurde auch in Dresden genau registriert. Genauso wie die Tatsache, dass es in Union Berlin mittlerweile ein echter "Ostklub" ebenso in die deutsche Beletage geschafft hat. In Dresden fehlte dazu schon allein das passende Konzept. Ungeduld, wechselnde Vereinsführungen, keine klare Ausrichtung des Vereins – viele kleine Baustellen ergänzten sich zu einer großen Problemsituation. Unter dem Strich ist das Vorhaben, sich in der zweiten Liga langfristig zu etablieren, vorerst gescheitert.
Ein sehr interessanter Umbruch
Rund 20 Spieler haben den Traditionsklub verlassen und machen damit den Weg frei für frischen Wind. Und der gefällt der Anhängerschaft der Schwarz-Gelben bislang richtig gut und sorgt in der 3. Liga für Eindruck. Die Mischung an Neuzugängen – bislang zwölf an der Zahl – gliedert sich in drei Typen: Mehrere Drittliga-Leistungsträger, die wissen, welche Attribute in der robusten, zweikampfintensiven Spielklasse auch ein spielstarker Aufstiegskandidat braucht. Dazu zählen etwa Sebastian Mai (Innenverteidiger/Hallescher FC), Pascal Sohm (Stürmer/Hallescher FC), Robin Becker (Rechtsverteidiger/Braunschweig) und Agyemang Diawusie (Flügelstürmer/FC Ingolstadt). "Königstransfer" dieser Kategorie dürfte aber 19-Tore-Stürmer Philipp Hosiner vom Chemnitzer FC sein, der für seinen Wechsel nicht einmal umziehen muss. Seine Vita ist hochinteressant, seine Torquote beeindruckend.
Dazu kommen erfahrene Profis aus der zweiten Liga, die qualitativ schlicht eine Kampfansage für jeden Drittliga-Kontrahenten sind: Yannick Stark, Mittelfeldspieler aus Darmstadt, Patrick Weihrauch, der mit Bielefeld jüngst in die Bundesliga aufgestiegen ist, und auch Verteidiger Tim Knipping aus Regensburg zählen dazu. Zu guter Letzt sicherte sich Dynamo in Julius Kade, Jonathan Meier und Christoph Daferner noch Talente für alle drei Mannschaftsteile, die aus den Erstliga-Kadern von Union Berlin, Mainz 05 und dem SC Freiburg stammen. Ein kleines Gerüst bilden die erfahrenen Marco Hartmann und Chris Löwe, die dem Verein Treue geschworen haben. Zuständig für den sportlichen Erfolg sind zudem zwei, die den Sprung aus der 3. Liga bereits geschafft haben: Trainer Markus Kauczinski schaffte dies 2013 mit dem Karlsruher SC, Sport-Geschäftsführer Ralf Becker 2017 mit Holstein Kiel.
Buchmacher sehen Dynamo vorn
Dass sich Dresden trotz eines Abstiegs während der Corona-Pandemie, trotz Millionen-Fehleinnahmen durch gesperrte Stadien und das Absacken der TV-Beträge auf gut ein Zehntel des ursprünglichen Wertes so verstärken kann, ist bemerkenswert, aber nicht überraschend. Schließlich haben die Sachsen in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und können nun auf volle Kassen zurückgreifen. Honoriert werden die bisherigen Transferbemühungen jedenfalls auch von den Buchmachern, die in "Elbflorenz" einen sofortigen Wiederaufstieg für sehr wahrscheinlich halten. Dass die ersten Testspiele – die nun einmal zum Testen da sind – gegen Viertligist Hertha BSC II (2:3) und Erstligist Union Berlin (0:2) noch keine Erfolge versprachen, beunruhigt da kaum.
Nur das obligatorische Treuebekenntnis der Fans fehlt Dynamo noch – aber nicht, weil diese nicht wollten. Das Zuschauerkonzept, das der Klub gegenwärtig gemeinsam mit der Stadt erarbeitet, ist schlicht noch nicht spruchreif. Informationen der "Bild"-Zeitung zufolge ist ein Ziel, dass bis zu 12.000 Zuschauer die Heimspiele im Rudolf-Harbig-Stadion sehen können. Das entspräche etwa der Hälfte der erfahrungsgemäßen Nachfrage für Drittliga-Partien der SGD. Ob und wann dieses Konzept umgesetzt werden darf? Es ist fraglich, gerade angesichts der zuletzt konstant steigenden Infektionszahlen und der Sorge vor einer sich weiter verschärfenden Lage im Herbst. Eins ist aber sicher: Dresdens Fans haben schon jetzt wieder Lust auf Dynamo, Aufbruchsstimmung ist spürbar. Trägt sich diese durch die ersten Saisonwochen, ist die SGD rein nominell in sehr guter Ausgangslage, bald wieder zweitklassig zu spielen.