Zwischenbilanz: Eine besondere wie unbefriedigende Hinrunde

Die Hinrunde ist – zumindest nach Anzahl der Spieltage – absolviert und die 3. Liga bietet uns das gewohnte Spektakel: Aufstiegs- und Abstiegsfrage sind völlig ungeklärt, das Leistungsgefälle ist gering. Doch abseits einer sportlichen Bilanz ordnet liga3-online.de dieses besondere als auch besonders triste erste Halbjahr auch vor dem Hintergrund der andauernden Pandemie ein.

Ein entkernter Sport

Jetzt ist sie also durch, die Drittliga-Hinserie. 19 Spieltage sind in den Büchern, auch wenn gerade mal fünf Klubs tatsächlich auf diese Anzahl Spiele kommen. Wir haben uns ja gewöhnt an Spielabsagen – meistens nicht wetterbedingt, sondern aufgrund von Coronavirus-Fällen. Wie der gesamte Profifußball wurden auch diejenigen, die es mit ihm und seinen Vereinen halten, auf eine harte Probe gestellt: Aus der Übergangszeit mit Geisterspielen und der zeitweisen Rückkehr der Fans in die Stadien ist nun eine endlos anmutende Phase angebrochen, in der der Fußball unfreiwillig beweist: Es geht auch ohne Publikum – nur ist der Sport damit eben völlig entkernt. Nicht wenige sind satt davon, die großen Arenen etwa in Kaiserslautern, Dresden und Duisburg ebenso leer zu sehen wie die kleinen Schmuckkästchen in Meppen, Lübeck und an der Grünwalder Straße in München. Und so wollen wir längst nicht aus der sportlichen Perspektive zurückblicken auf ein sehr spezielles Halbjahr.

Da haben wir zunächst die harten Fakten und Statistiken, mit denen wir euch an dieser Stelle gar nicht zu lang konfrontieren wollen. Der Übergang von Hin- zur Rückrunde ist fließend, unter der Woche stehen etwa noch Nachholspiele an und danach geht es gleich in die nächste Englische Woche. Manch ein Verein muss jetzt sieben Spiele binnen drei Wochen bestreiten, auch das merkt man den Spielern an: Das sportliche Niveau ist in dieser zusammengepressten Spielzeit sicher nicht besser geworden – ein Phänomen, das sich aber auch in der Bundesliga klar abzeichnet. Dynamo Dresden brachte unter diesen Umständen die längste Erfolgsserie zusammen – herzlichen Glückwunsch an die Elbe zur Herbstmeisterschaft, die in dieser Saison ziemlich wenig mit dem Herbst zu tun hat. Aber das ist wohl noch die geringste Sorge in diesem gewaltigen Komplex.

Dresdens Verfolger: Wer kann mitziehen?

Endgültige Gewissheit, dass Dynamo bis zum Saisonende einsam seine Kreise ziehen wird, gibt es bislang nicht – dafür streute die SGD doch zu viele schwächere Spiele ein. Umso spannender: Wer bleibt als Verfolger hartnäckig? Konstant ordentlich und stark besetzt ist der Zweite FC Ingolstadt, dem der Dritte 1860 München eine Mannschaft entgegensetzt, die so homogen und willens scheint, gemeinsam die 2. Bundesliga anzugreifen, dass sie punktuelle individuelle Schwächen ausbügeln kann. Etwas skeptischer blicken wir auf Aufsteiger Türkgücü, die Unruhe um den vermeintlichen Ausstieg von Investor Hasan Kivran wirkt noch nach. Hansa Rostock hat wie jedes Jahr Ambitionen nach oben, muss uns aber noch überzeugen, nach etlichen vergeblichen Anläufen endlich konstant zu werden. Auch den SV Wehen Wiesbaden sollte trotz wackliger Defensive niemand vorzeitig abschreiben.

Nicht nur oben wird gerade der Grundstein gelegt für ein tolles Saisonfinale im Mai. Unten wissen wir buchstäblich nicht, wo wir anfangen sollen. Wo beginnt der Abstiegskampf? Beim Halleschen FC, beim KFC Uerdingen oder erst bei der SpVgg Unterhaching? Nachholspiele sorgen fast täglich für ein sich veränderndes Tabellenbild, gleichwohl sind grobe Strukturen abzulesen. Duisburg und Magdeburg, wenn auch zuletzt mit überlebenswichtigen Erfolgen, haben ein schlimmes erstes Halbjahr hinter sich. Obgleich ihnen ein Spießrutenlauf der Anhängerschaft im Stadion erspart geblieben ist, war die Ratlosigkeit der Verantwortlichen an manchen Tagen spürbar. Bevor zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt dort wieder vage die 2. Bundesliga angepeilt werden kann, heißt das neue Ziel Platz 16, heißen die neuen Gegner FSV Zwickau und VfB Lübeck, SpVgg Unterhaching und SV Meppen.

Uerdingens offene Zukunft schwebt über dem Abstiegskampf

Apropos Haching: Können die Bayern eigentlich Klassenerhaltskampf? Was passiert mit dem seit Monaten auf der Stelle tretenden 1. FC Kaiserslautern? Und wie lange dauert der freie Fall des einstigen Geheimfavoriten Viktoria Köln noch an? Wer die 3. Liga ohne bestimmte Fanbrille betrachten kann, darf sich die Samstags-Konferenzen im Mai schon jetzt freudig freiräumen. Die 45-Punkte-Marke kann nach jetziger Hochrechnung fallen, mehr als die Hälfte aller Klubs muss schon jetzt nach unten schauen. Und womöglich steigt einer der genannten Vereine am Ende noch durch die Hintertür in die neue Drittliga-Saison? Denn keiner weiß genau, was beim KFC Uerdingen nach dem Ausstieg von Mikhail Ponomarev passieren wird – einiges aber deutet auf ein Ende des Abenteuers Profifußball hin. Dann würde womöglich auch der viertletzte Platz im sportlichen Klassement reichen.

So weit zum Sportlichen, das in dieser Zeit aber eben nur ein kleiner Teil des Ganzen ist. Denn für die 3. Liga und all ihre Gesichter, die diese Spielklasse so spannend, so kurzweilig und so liebenswert machen, werden die Pandemiefolgen Tag für Tag drastischer. Im Sommer war der gegenwärtige Zustand mit einer heftigen zweiten Viruswelle ein möglicher Worst Case, der nun eingetreten ist: Ersatzlos ausgefallene Zuschauereinnahmen, die mit zögerlich fließenden Corona-Hilfspaketen nur teilweise kompensiert werden können, drücken auf Gemüt und Konto – zuletzt gaben der VfB Lübeck und der FSV Zwickau bekannt, Summen in sechs- bzw. sogar siebenstelliger Höhe nachweisen zu müssen.

Unabsehbare Folgen für die 3. Liga

Wohin führt der zu erwartende Sparkurs der kommenden Jahre? Was passiert mit den Mitarbeitern auf den Geschäftsstellen, was mit jenen Profis, die am Beginn ihrer Karriere stehen und als passable Drittliga-Kicker noch lange nicht ausgesorgt haben? Welche Folgen wird der Fußball insgesamt aus dieser Pandemie tragen, welche Ligasysteme werden sich rascher erholen? Wird die 3. Liga womöglich noch weiter abgehängt? Allein die Performance der letztjährigen Aufsteiger Braunschweig und Würzburg, die nun massiv investieren müssen, um eine Chance auf den Klassenerhalt zu besitzen, zeigt auf, dass die Leistungskluft hin zur zweiten Liga zuletzt angewachsen ist.

Mit all diesen Sorgen im Hinterkopf, aber auch dem großen Interesse, das ihr, liebe Fans und Leser, der 3. Liga sowie liga3-online.de auch in dieser Zeit entgegenbringt, blicken auch wir etwas unentschlossen, aber zumindest vage optimistisch in die Rückrunde. Sinkende Infektionszahlen im wärmenden Frühling, weniger Corona-Tote infolge der Impfung von Risikogruppen – nicht das eigene Punktekonto, sondern diese Werte geben dem Fußball im ersten Halbjahr 2021 Richtung und Geschwindigkeit zurück zur Normalität vor. Dann wird es aber auch Zeit. Denn Geisterspiele, mit denen sich jeder Einzelne von uns besser oder schlechter abgefunden hat, nehmen gerade unserer nicht perfekten, aber charismatischen Liga ihren besonderen Reiz.

   
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