Strittige Szenen am 5. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die gelbe Karte gegen Neidhart, das Duell zwischen Erdmann und Verhoek, die verwehrten Elfmeter für Rostock und Bayern II, die Platzverweise für Steinhart, Malone und Hehne, die Aktion zwischen Leugers und Klingenburg und ein Zweikampf zwischen Dombrowka und Jänicke. Am 5. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Nico Neidhart (Rostock) spielt gegen Philipp Steinhart (1860) den Ball, sieht von Schiedsrichter Konrad Oldhafer aber Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:19:55]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf an der Seitenlinie wollen Neidhart und Steinhart zum Ball. Neidhart ist schneller am Ball und spielt auch nur diesen, sodass seine Spielweise absolut korrekt ist. Steinhart kommt einfach einen Moment zu spät, trifft Neidhart am Fuß und verletzt sich dabei selbst. Von einem Foulspiel von Neidhart kann somit überhaupt keine Rede sein, wenn überhaupt dann von Steinhart. Hier hätte der Schiedsrichter weiterspielen lassen sollen (Vorteil). Somit eine nicht nachvollziehbare Fehlentscheidung, auf Foulspiel zu entscheiden und zudem Neidhart die gelbe Karte zu zeigen.

Szene 2: Bei einem Laufduell mit Dennis Erdmann (1860) geht John Verhoek zu Boden und hält sich das Gesicht. Das Spiel läuft zunächst weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:21:10]

Babak Rafati: Der Zweikampf zwischen Erdmann und Verhoek spielt sich im Mittelfeld ab und geschieht außerhalb vom Blickfeld des Schiedsrichters, sodass er diesen Vorgang sehr schwierig sehen kann, da er dem Spielgeschehen folgen muss. Das Gleiche gilt für die Assistenten. Hier wird es sicherlich einen Kontakt gegeben haben, aber vermutlich unabsichtlich, sodass tendenziell eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen. Vielleicht hätte eine bessere Kameraperspektive für mehr Klarheit gesorgt und aufgelöst, weshalb Verhoek länger am Boden liegen bleibt. Aber mit den vorliegenden TV-Bildern, auf denen kein Schlag oder eine aktive Bewegung von Erdmann erkennbar ist, sollte man die Entscheidung des Schiedsrichters akzeptieren.

Szene 3: Nach einem Zweikampf zwischen Dennis Dressel (1860) und John Verhoek (Rostock) gibt es Freistoß für Rostock. Beim anschließenden Schuss von Pascal Breier (Rostock) nimmt Stephan Salger im Fünfmeterraum liegend die Hand zum Ball, berührt diesen und bremst ihn etwas ab. Anschließend kullert der Ball in Richtung Tor. Nach langer Beratung mit seinen beiden Assistenten gibt Oldhafer weder Elfmeter, noch das Tor. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf gehen Verhoek und Dressel mit offener Sohle zum Ball. Verhoek ist zuerst am Ball und trifft auch nur diesen. Sein Gegenspieler Dressel kommt etwas zu spät und trifft Verhoek an den Füßen, sodass das Foulspiel von ihm ausgeht. Eine richtige Entscheidung, diesen Freistoß für Rostock zu geben.

Nach dem anschließenden Freistoß wird es turbulent. Nachdem Breier den abgewehrten Ball vor die Füße bekommt und auf das leere Tor schießt, wehrt Salger den Ball am Boden liegend in Torwartmanier etwa fünf Meter vor dem eigenen Tor mit der Hand ab und verhindert, dass dieser direkt und ungehindert ins Tor geht. Das ist eine Verhinderung einer Torerzielung und hätte einen Strafstoß für Rostock sowie die rote Karte gegen Salger geben müssen. Somit liegt eine klare Fehlentscheidung vor. Ob der Ball anschließend mit dem kompletten Umfang hinter der Torlinie ist, kann auch anhand der Standbilder nicht zweifelsfrei aufgelöst werden.

Natürlich erwartet jeder vom Schiedsrichter, dass er dieses Handspiel sieht und ahndet. Der Schiedsrichter wird sicherlich die Streckung von Salger mit den Armen zum Ball gesehen haben, jedoch nicht, ob der Ball von ihm auch tatsächlich berührt wurde. Wenn aber trotzdem mal eine derartige Szene durchrutscht und die Reaktion der Spieler und des ganzen Stadions so heftig und emotional ausfällt, sollten bei dem Schiedsrichter die Alarmglocken läuten. Er hätte hier – nicht regeltechnisch, sondern rein vom Gefühl – die Möglichkeit gehabt, nachdem auch seine Assistenten nichts gesehen haben, den betroffenen Spieler (Salger) in aller Ruhe unter vier Augen zu befragen und an den Fair-Play-Gedanken appellieren können. 

Szene 4: Nach einem Zweikampf mit Nik Omladic (Rostock) sieht Philipp Steinhart (1860) Gelb-Rot, nachdem er zuvor bereits Gelb für Ball-Wegschießen gesehen hatte. [TV-Bilder – ab Minute 1:37:15 // 1:57:20]

Babak Rafati: Diese erste gelbe Karte ist nicht situationsgerecht, denn Steinhart schießt den Ball nicht einige Momente nach dem Pfiff weg, was unsportlich wäre und eher eine gelbe Karte nach sich ziehen würde, sondern kurz vor dem Pfiff. Hier hätte eine verbale Ansprache ausgereicht. Somit eine viel zu harte Strafe.

Bei der nächsten Situation legt sich Omladic den Ball im Mittelfeld vor und will an Steinhart vorbeilaufen, doch dieser hat keine Chance mehr an den Ball zu kommen, stellt ihm ein Bein und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein taktisches Foulspiel und somit ist die zweite gelbe Karte, die zu Gelb-Rot führt, eine richtige Entscheidung.

 

Szene 5: Nach einer Ecke nimmt Ryan Malone (Lübeck) den Fuß zur Ball-Abwehr hoch und trifft Paul Will (Dresden) im Gesicht. Schiedsrichter Max Burda zeigt ihm glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Malone will im gegnerischen Strafraum mit dem Fuß hoch zum Ball und trifft seinen Gegenspieler völlig unbeabsichtigt im Gesicht. Sein Blick ist dabei nicht zum Gegenspieler gerichtet, sodass er ihn nicht richtig sieht. Die Aktion ist zudem nur ballorientiert und einfach nur unglücklich. Hier hätte maximal eine gelbe Karte ausgereicht, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

Das Sportgericht muss nach der FIFA-Anweisung trotzdem eine Sperre aussprechen. Es sei denn, der Schiedsrichter würde einen Irrtum zugeben, was hier natürlich nicht passieren wird. Das wäre nur dann praxisrelevant, wenn zum Beispiel irrtümlich ein falscher Spieler vom Platz gestellt werden würde. Hier liegt aber eine Tatsachenentscheidung vor und diese ist somit unantastbar.

 

Szene 6: René Klingenburg (Köln) bringt Thilo Leugers (Meppen) im Mittelfeld zu Fall und steigt ihm anschließend auf das Knie. Daraufhin revanchiert Leugers sich und tritt nach. Während der Meppener von Schiedsrichter Florian Exner glatt Rot sieht, kommt der Kölner mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 36:20]

Babak Rafati: Nach einem Foulspiel an der Seitenlinie von Klingenburg gegen Leugers bleiben beide am Boden liegen. Beim Aufstehen steigt Klingenburg absichtlich mit den Stollen auf Leugers Knie. Leugers wiederum revanchiert sich und holt mit dem anderen Bein aus und tritt Klingenburg in die Füße. Das sind beides klassische Tätlichkeiten, die nur die rote Karte zur Folge haben können. Daher eine Fehlentscheidung, Klingenburg nur mit der gelben Karte zu bestrafen.

 

Szene 7: Für ein Foul an Christian Dorda (Uerdingen) sieht Maurice Hehne (Zwickau) von Schiedsrichter Tobias Schultes glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Hehne legt sich den Ball vor dem gegnerischen Strafraum zu weit vor, springt dann mit gestrecktem Bein und offener Sohle voraus zum Ball und trifft seinen Gegenspieler Dorda am Fuß. Auch wenn der Kontakt nicht so heftig ist, ist diese Spielweise nur gegen den Mann und nicht zum Ball gerichtet. Hehne nimmt billigend in Kauf, die Gesundheit des Gegenspielers zu gefährden. Eine gelbe Karte wäre sicherlich auch möglich gewesen, weil der Kontakt von Hehne minimal gewesen sein wird und schlimmer aussieht, als er wirklich ist. Dennoch eine vertretbare Entscheidung, diese rote Karte zu zeigen. 

 

Szene 8: Dominik Schad (1. FC Kaiserslautern) bringt Leon Dajaku (Bayern II) im Strafraum zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Lars Erbst nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Kaiserslautern ist der Einsatz von Schad gegen Dajaku absolut regelkonform, da er nur den Oberkörper mit angelegtem Arm einsetzt und somit kein Foulspiel begeht. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Der bereits gelb-verwarnte Max Dombrowka (Unterhaching) geht rüde in einen Zweikampf mit Tobias Jänicke (Saarbrücken), sieht aber nicht Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:21:45]

Babak Rafati: Dombrowka grätscht an der Seitenlinie nur zum Ball und spielt diesen eindeutig, auch wenn es beim Abwehrversuch zum Fußtreffer gegen Jänicke kommt. Der Kontakt ist dem normalen Bewegungsablauf geschuldet und unglücklich, sodass der Schiedsrichter vollkommen zurecht diese Spielweise nicht moniert und weiterspielen lässt beziehungseise keine weitere gelbe Karte zeigt.

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   
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