Strittige Szenen am 31. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das Tor für Münster, die nicht gegebenen Elfmeter für Dresden, Münster, Bielefeld, Lübeck und Dortmund II, die Strafstöße für Sandhausen und Verl, der nicht gegebene Treffer für Bielefeld, das 2:1 für Sandhausen, das 1:0 für Regensburg, das 1:0 für Ulm, das 2:1 für Aue sowie Foulspiele von Castaneda, Waidner und Fröde. Am 31. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 17 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Luca Bazzoli (Münster) blockt Luca Hermann (Dresden) auf der Außenbahn weg, Schiedsrichter Patrick Schwengers lässt weiterlaufen. Aus dem Angriff fällt das 1:0 für Münster [TV-Bilder – ab Minute 2:15:10]

Babak Rafati: Das Wegblocken von Bazzoli ist tatsächlich ausschließlich gegnerorientiert und hat nichts mit Ballspielen zu tun. Der Blick von Bazzoli gilt nur Hermann, und er hindert ihn, dass dieser bei der Flanke von Lorenz zumindest ein wenig stören kann. In dieser Szene wäre es besser gewesen, den Zweikampf abzupfeifen und hierfür einen Freistoß zu geben. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer zu geben. Auch wenn Hermann womöglich nicht mehr hätte entscheidend eingreifen können, liegt ein Foulspiel vor.

Szene 2: Im Strafraum kommt Jakob Lemmer (Dresden) gegen Simon Scherder (Münster) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schwengers nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf will Scherder seinem Gegenspieler Lemmer den Ball vom Fuß wegspielen, trifft Lemmer aber am Schienbein und bringt ihn aus der Balance, auch wenn Lemmer nicht dadurch allein zu Fall kommt. Das ist dennoch ein Foulspiel, zumal der Treffer klar ist. Lemmer will trotzdem weiterspielen, kommt danach durch einen zweiten Kontakt, für den aber beide nichts können, weil eher ein Ineinanderhaken vorliegt, endgültig zu Fall. Es hätte aber für die erste Aktion einen Elfmeter geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Nach einer Hereingabe in den Strafraum bekommt Jakob Lewald (Dresden) den Ball an den Ellenbogen. Kein Elfmeter, sagt der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 1:44:30]

Babak Rafati: Der Ball kommt in den Strafraum, und Lewald hat den Arm zwar vor dem Körper, allerdings geht er mit einer aktiven Bewegung mit dem Arm zum Ball und blockt das Spielgerät. Durch die aktive Bewegung entsteht ein absichtliches Handspiel, sodass dieses strafbar ist. Es hätte somit einen Elfmeter geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diesen zu verwehren.

Szene 4: Im Anschluss an eine Ecke bekommt Simon Scherder (Münster) den Ball im Fallen an den Arm und sperrt diesen anschließend unter sich ein. Schwengers lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:04:25]

Babak Rafati: Nach einem Zweikampf kommt Scherder zu Fall und bekommt den Ball anschließend an den Arm, mit dem er sich am Boden abstützt. Das ist der sogenannte Abstützarm, sodass kein strafbares Handspiel vorliegt. Anschließend fällt er unverschuldet auf den Ball und blockt das Spielgerät. Auch das ist noch kein Vergehen. Allerdings bleibt er dann einfach auf dem Ball liegen und blockt offensichtlich das Spielgerät, obwohl er sich bewegen und den Ball freigeben könnte. Für dieses Vergehen (Blocken des Balles) hätte es einen indirekten Freistoß geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Patrick Greil (Sandhausen) kommt im Strafraum nach einem Kontakt von Barne Pernot (Verl) zu Fall, es gibt Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf trifft Pernot seinem Gegenspieler Greil im Lauf von hinten in die Füße und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 6: Im Strafraum geht Berkan Taz (Verl) im Duell mit Alexander Fuchs (Sandhausen) zu Fall, der Schiedsrichter zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Taz legt sich den Ball im Strafraum vor, läuft selbstverschuldet leicht gegen den Körper von Fuchs und lässt sich daraufhin fallen. Das ist natürlich kein Foulspiel und auch im Fußbereich kommt es zu keinem Vergehen, weil Fuchs rechtzeitig zurückzieht. Somit eine Fehlentscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 7: Auf dem Weg Richtung Tor rutscht Jonas Weik (Sandhausen) mit gestrecktem Bein in Torwart Luca Unbehaun (Verl) rein, woraufhin dieser liegenbleibt. Direkt danach fällt das 2:1 für Sandhausen und zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Weik rutscht zum Ball und ebenso rutscht auch Keeper Unbehaun zum Ball. Dabei spielt der Angreifer den Ball, der auch frei ist, doch bei diesem Vorgang trifft er dem Keeper ins Gesicht. Auch wenn der Treffer unbeabsichtigt ist und im normalen Bewegungsablauf passiert, nimmt der Angreifer in Kauf, den Keeper auch zu treffen. Das ist zwar noch nicht regelwidrig und folglich nicht strafbar, doch da er ihn im Gesicht trifft, kommt die Wirksamkeit zum Tragen, sodass ein Foulspiel vorliegt und der Treffer nicht hätte zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, das Vergehen nicht zu ahnden und den anschließenden Treffer zu geben. Natürlich äußerst unglücklich, dass der Torwart auch noch verletzungsbedingt ausgewechselt werden muss.

 

Szene 8: Nach einem Freistoß trifft Brandt zum 1:0 für Ulm. Der Spieler mit der Nummer 26 steht dabei im Abseits und irritiert möglicherweise die Sicht von Keeper Männel. Schiedsrichter Felix Bickel gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt der Freistoßausführung steht Maier zunächst knapp in Abseitsposition. Dadurch, dass er dann sehr nah zum Ball läuft, greift er ins Spielgeschehen ein, auch wenn er den Ball sehr knapp verfehlt. Damit irritiert er die verteidigenden Spieler, einschließlich des Torhüters. Somit hätte der anschließende Treffer wegen einer Abseitsposition zuvor nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, den Treffer trotzdem zu geben.

Szene 9: Marcel Bär (Aue) geht mit ausgestrecktem Bein in den Zweikampf mit Ulm-Keeper Ortag, trifft ihn am Fuß und bringt gleichzeitig den Ball im Tor unter. Der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Bär geht nur zum Ball und spielt das Spielgerät mit einer natürlichen Ausholbewegung, sodass der Einsatz absolut regelgerecht ist. Den anschließenden Treffer zu geben, ist eine richtige Entscheidung. Wenn er den Ball nicht im Tor untergebracht hätte, wäre der Einsatz von Keeper Ortag hingegen regelwidrig und somit elfmeterreif, weil er den Angreifer über die ausgestreckten Beine zu Fall bringt. So ist aber unter Anwendung der Vorteilsbestimmung alles in Ordnung.

 

Szene 10: Nach einer Ecke schießt Merveille Biankadi (Bielefeld) den Ball auf das Tor, MSV-Keeper Müller nimmt das Spielgerät auf. Arminia reklamiert, dass der Ball bereits hinter der Linie war. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Bei dieser Szene ist nicht erkennbar, ob der Ball die Torlinie mit vollem Umfang überschritten hat oder nicht. Nicht im TV-Bild und noch weniger für das Schiedsrichter-Team auf dem Platz. Bei den vorliegenden Standbildern wird die Situation aber aufgelöst. Der Ball ist eindeutig mit vollem Umfang über der Torlinie, sodass der Treffer hätte zählen müssen. Eine Fehlentscheidung, das Tor nicht anzuerkennen. Aber hier muss klar festgehalten werden, dass die Szene für das Schiedsrichtergespann auf dem Platz ohne Technik nicht auflösbar ist. In der Bundesliga würde die Technologie weiterhelfen und die Szene auflösen. In diesem Spiel der 3.Liga, in dem es keine Technik gibt, versperrt der Torhüter die Sicht des Assistenten, sodass dieser den Ball nicht sehen kann. Der Schiedsrichter kann in solchen Szenen aus der Position, in der er sich gewöhnlich befindet (frontal zur Torlinie und einige Meter entfernt) ebenso selbiges nicht bewerten. Daher ist dem Schiedsrichter-Team in dieser Szene absolut kein Vorwurf zu machen.

Szene 11: Der verwarnte Santiago Castaneda (Duisburg) bringt Marius Wörl (Bielefeld) im Mittelfeld zu Fall, der Schiedsrichter belässt es bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Im Mittelfeld kommt es zu einem Foulspiel des bereits verwarnten Castaneda an Wörl, das man als Allerweltfoul bezeichnen kann. Weil Castaneda zuvor allerdings bereits zweimal ermahnt worden war, hätte wegen wiederholten Foulspiels eine gelbe Karte gezeigt werden müssen, die in diesem Fall zu einer gelb-roten Karte geführt hätte. Dabei muss die Aktion an sich auch nicht gelbwürdig sein, vielmehr ist die Summe der Foulspiele maßgeblich. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diese Karte nicht zu zeigen.

Szene 12: Im Strafraum geht Christopher Lannert (Bielefeld) nach einem Kontakt von Niklas Kölle (Duisburg) zu Fall, die Partie läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]

Babak Rafati: Kölle will auch den Ball spielen, kommt aber etwas zu spät und trifft nur Lannert am Fuß, wenn auch unspektakulär und bringt ihn dadurch zu Fall. Die Ursache des Zufallkommens ist der Fußtreffer, sodass ein Foulspiel vorliegt und es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben.

 

Szene 13: Im Strafraum geht Marius Hauptmann (Lübeck) nach einer Grätsche von Michael Schultz (Köln) zu Fall, auf den Punkt zeigt der Schiedsrichter nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf im Strafraum führt Hauptmann den Ball am Fuß und legt sich das Spielgerät vor. Dabei grätscht Schultz in den Zweikampf und will den Ball klären, verfehlt das Spielgerät aber, trifft stattdessen die Beine von Hauptmann und bringt ihn folglich zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Elfmeter nicht zu geben und weiterspielen zu lassen. Die Flugbahn des Balles wäre eine gute Orientierung für den Schiedsrichter gewesen, um zu erkennen, dass Schultz den Ball nicht gespielt haben könnte, da das Spielgerät sonst zur Seite und nicht nach vorne gerollt wäre.

 

Szene 14: In der eigenen Hälfte kommt Erich Berko (Halle) gegen Louis Breunig (Regensburg) zu Fall, Schiedsrichter Marc Philip Eckermann pfeift nicht. Aus dem Angriff fällt das 1:0. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Durch das Bearbeiten von hinten in Verbindung mit dem Einsatz des linken Fußes bringt Breunig den Hallenser Berko zu Fall, sodass in dieser Szene bereits ein Foulspiel vorliegt. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer zu geben. Dieses Foulspiel ist zudem in der Folge die Ursache für den anschließenden Zusammenprall von Berko und einem anderen Regensburger.

 

Szene 15: Dennis Waidner (Unterhaching) geht mit gestrecktem Bein in Bryang Kayo (Ingolstadt) rein, sieht von Schiedsrichter Jonas Brombacher aber nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:40:20]

Babak Rafati: Waidner legt sich den Ball zu weit vor, springt mit gestrecktem Bein und offener Sohle in den Zweikampf und trifft Kayo weit über dem Knöchel auf Waden-/Schienbeinhöhe. Damit nimmt er billigend die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers in Kauf, sodass es in dieser Szene die rote Karte hätte geben müssen. Das Trefferbild bestätigt die Notwendigkeit dieser roten Karte zudem. Eine Fehlentscheidung, nur die gelbe Karte zu zeigen.

Szene 16: Lukas Fröde (Ingolstadt) trifft Matthias Fetsch (Unterhaching) mit dem Fuß im Halsbereich, eine Karte sieht er nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:56:50]

Babak Rafati: Fröde nimmt das Bein mit offener Sohle einfach zu hoch und trifft Fetsch an die linke Schulter. Dabei können beide von Glück sprechen, dass der Treffer nicht im Gesicht landet. In dieser Szene gibt es Argumente für eine gelbe Karte, aber genauso auch Argumente für eine rote Karte. Aufgrund des Trefferbildes kann man gerade noch eine gelbe Karte zeigen. Aufgrund der Tatsache, dass auch die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers billigend in Kauf genommen wird, wäre auch eine rote Karte möglich gewesen, wobei tendenziell die gelbe Karte passender wäre. Somit bei der Kartenfarbe ein Grenzfall. Gar keine Karte zu zeigen, sprich noch nicht einmal die gelbe Karte, ist absolut nicht nachvollziehbar und somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 17: Nach einem Zweikampf zwischen Marcel Seegert (Mannheim) und Franz Roggow (Dortmund II) zeigt Schiedsrichterin Fabienne Michel zunächst auf den Punkt, entscheidet dann aber auf Abseits, sodass es den Elfmeter nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:42:15]

Babak Rafati: Zunächst einmal spielt Seegert gegen Roggow entscheidend den Ball, sodass kein Foulspiel vorliegt, was man sehr gut an der Flugbahn des Balles erkennen kann. Trotzdem pfeift die Schiedsrichterin Elfmeter, was eine Fehlentscheidung wäre. Dadurch, dass zum Zeitpunkt des Kopfballs Roggow in Abseitsposition steht und ins Spielgeschehen eingreift, korrigiert die Schiedsrichterin ihre Entscheidung und übernimmt die Abseitsentscheidung des Assistenten. Das ist eine richtige Entscheidung, sodass die Schiedsrichterin durch die Abseitsposition glücklicherweise keine Fehlentscheidung trifft. Final eine richtige Entscheidung, den Elfmeter unmittelbar zurückzunehmen und auf Abseits zu entscheiden.

Weiterlesen: Wer bislang am häufigsten benachteiligt wurde

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