Steht der VfL Osnabrück vor dem wirtschaftlichen Chaos?

Sportlich ist alles geklärt beim VfL Osnabrück. Mit dem 1:0-Sieg vom vergangenen Dienstag gegen den SV Babelsberg 03 stehen die Osnabrücker im gesicherten Mittelfeld der 3. Liga – egal ob das vor der Saison bzw. Rückrunde das Ziel war oder nicht, Fakt ist: In dieser Saison geht nichts mehr nach oben. Die Planungen für die neue Saison, in der der Aufstieg in die 2. Bundesliga realisiert werden soll, laufen auf Hochtouren. Doch ist der VfL Osnabrück, vor allem wirtschaftlich, überhaupt in der Lage, sich in kürzester Zeit in Liga 2 zurückzumelden?

DFB fordert hohe Liquiditätsreserve

Dass der VfL in einem finanziellen Engpass steht, ist unlängst bekannt – nun steht erstmal das Stemmen der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) geforderten Liquiditätsreserve auf dem Plan, die nach Informationen von liga3-online.de bei 1,6 Millionen Euro liegen soll. Im letzten Jahr musste der VfL "nur" rund 900.000 Euro als Reserve beim DFB hinterlegen, diese musste aber bereits teilweise in Anspruch genommen werden. Nach der laufenden Saison 2011/2012 rechnet der VfL Osnabrück mit einem Minus im Etat von mehr als 500.000 Euro. Hinzu kommen nach unseren Informationen noch jährliche Verbindlichkeiten für den Bau der neuen Nordtribüne, die bei ca. 700.000 Euro liegen. Wie liga3-online.de erfahren hat, dürfte der Schuldenstand des lila-weißen Traditionsvereins bei ungefähr 8 Millionen Euro liegen. Viele Fans des VfL Osnabrück machen sich nun, anscheinend berechtigterweise, Sorgen um die Zukunft ihres Vereins. In einem offenen Brief forderte die Fan-Initiative "Nur für diesen Verein" (NfdV) nun eine Stellungnahme seitens der Vereinsführung. Präsident Gert Lehker antwortete heute öffentlich auf den Brief – und ließ dabei einige Fragen weiterhin unbeantwortet.

Fehlentscheidungen in nahezu allen Bereichen

Wie kam es überhaupt zu der finanziellen Krise beim VfL? Es ist gar nicht lange her, als der VfL Osnabrück sich nicht nur bei den Drittligisten Respekt verschaffte – die Saison 2009/2010 war die erfolgreichste der jüngeren Geschichte, mit Pokal-Erfolgen bis hin ins Viertelfinale, nachdem man unter anderem den Hamburger SV und Borussia Dortmund aus dem Wettbewerb schoss, wurde am Ende gar der direkte Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga gemeistert. Es sah alles gut aus in der Stadt Osnabrück – doch dann ging sie los, die Reihe der Fehlentscheidungen. Angefangen bei der Fehleinschätzung der Mannschaft, als diese vor dem Start der Saison 2010/2011 gar nicht bis kaum verstärkt wurde, über Fehler in den Etatplänen bis hin zum anscheinenden Klüngel innerhalb der Vereinsführung, wo als Beispiel die umstrittene dreijährige Weiterbeschäftigung des im Sommer abtretenden Managers Lothar Gans angeführt werden kann. Bis Februar 2012 war noch Dirk Rasch Präsident der Lila-Weißen, der nicht nur wegen Amtsmüdigkeit zurücktrat, sondern der sich sehr wohl auch der Kritik aus den eigenen Reihen stellen musste. Auch Geschäftsführer Ralf Heskamp steht seit mehren Monaten in der Kritik, auch er wird mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Abstieg der Osnabrücker gemacht. Klar scheint wohl: Mit der aktuellen Führungsetage um Interims-Präsident Gert Lehker wird der VfL Osnabrück auf lange Sicht keine Perspektive haben.

"NfdV" sendet offenen Brief an Präsidenten

Die Fan-Initiative "Nur für diesen Verein" (NfdV) stellte dem Präsidenten Gert Lehker am Mittwoch einen offenen Brief zu, in dem sie zum Ausdruck brachte, was für Sorgen sich die Fans um die Zukunft ihres Vereins machen. "Die katastrophale jetzige Situation ist unserer Meinung nach keinesfalls allein der finanziellen Situation zuzuschreiben – über Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen gehört der VfL zu den einnahmestärksten Clubs der dritten Liga", stellen die engagierten Fans fest, "wir sehen Probleme auf der Ausgabenseite, bedingt durch teils beängstigend konzeptionsloses und unprofessionelles Verhalten der Vereinsführung", so die Fan-Opposition weiter. Eine gradlinige Strategie sei beim VfL derzeit nicht zu erkennen, nach dem anfänglichen Plan von einem Aufbaujahr mit Anschluss an das obere Tabellendrittel war der damalige Trainer Uwe Fuchs nach nur sechs Monaten entlassen worden, obwohl, so "NfdV" weiter, die vorgegebenen Ziele erreicht wurden. Außerdem seien die Probleme auch mit der geplanten Ausgliederung der Profi-Abteilung des VfL in eine Kapitalgesellschaft nicht zu lösen, dafür sei ein kompletter, auch personeller Umbruch in der Führungsetage, erforderlich.

Gefahr einer Insolvenz?

Zuletzt stellt die Fan-Opposition die Frage, ob "in absehbarer Zukunft aufgrund der jüngsten Fehlentscheidungen und -entwicklungen die konkrete Gefahr einer Insolvenz des VfL" bestehe. Tatsächlich kursierten in den Medien zuletzt Gerüchte um eine Zahlungsunfähigkeit des VfL – unter anderem sollen die letzten Gehälter an Spieler und Angestellte nicht pünktlich überwiesen worden sein. Trainer Claus-Dieter Wollitz und einige Spieler dementierten diese Gerüchte aber auf Nachfrage, sie haben ihr Geld nach eigenen Aussagen erhalten.

Viele Fragen – kaum Antworten

Heute meldete sich schließlich Präsident Lehker zu Wort. In einer öffentlichen Antwort auf den Brief der Fan-Opposition "NfdV" sagte er: "Jeder, der sich mit dem VfL Osnabrück befasst, weiß, dass der Verein sich aktuell in einer äußerst schwierigen finanziellen Situation  befindet.  Mit Unterstützung durch die Geschäftsführung, die Vereinsgremien und externe Berater arbeiten mein Präsidiumskollege Günter Niemeyer und ich derzeit intensiv an Lösungen, um den Verein aus seiner prekären Lage zu führen." Insgesamt fehlen aber viele Antworten, wie zum Beispiel auf die Fragen, wie der Stand der Verhandlungen mit Sponsoren ist, auch soll es keine neuen Erkenntnisse des Steuerermittlungsverfahrens geben. Ob der VfL gar vor der Insolvenz steht, wird nicht bejaht, aber eben auch nicht verneint. Eine insgesamt sicherlich nicht zufriedenstellende Antwort auf die Fragen der "NfdV"-Gruppe, die sich sicherlich nochmals zu Wort melden wird. Auch eine Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ist möglich, wenn mindestens 100 Unterschriften von Mitgliedern des VfL Osnabrück gesammelt werden können.

Und nun?

Wie gefährlich die finanzielle Lage des VfL Osnabrück wirklich ist, ist nach wie vor nicht ausreichend geklärt. Lehker bittet um die Geduld der Fans, die Liquiditätsreserve von, wie von uns erfahren, 1,6 Millionen Euro muss bis zum 1. Juni 2012 beim DFB vorliegen und hat derzeit Priorität. Gespräche laufen seit mehreren Wochen, doch wie weit diese sind, ist nicht bekannt. Auch der Konzern Volkswagen (VW) war in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder als möglicher größerer Geldgeber genannt worden, aber auch hier gibt es keine offizielle Stellungnahme. Nach der Sicherung der Finanzstärke muss dann an der Mannschaft gearbeitet werden – denn der Aufstieg in die 2. Bundesluga muss, um weiterhin attraktiv für Sponsoren zu sein, schnellstmöglich realisiert werden. Woher der Verein das Geld für die geforderten Verstärkungen nehmen soll? Ungeklärt. Die nächsten Wochen werden entscheidend für die Zukunft des VfL Osnabrück sein.

FOTO: Flohre Fotografie

   

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