Platz 17 nach Abstiegsgipfel: Hansa droht die Drittliga-Rückkehr

Obwohl die Niederlage wie durch ein Wunder ausblieb, war Hansa Rostock beim Kellerduell in Osnabrück am Sonntag quasi chancenlos. Das Etablieren in der 2. Bundesliga droht zu scheitern – auch weil sich grundlegende Probleme der Vorsaison wiederholen.

Hansa nimmt am Krisengipfel teil – mehr nicht

Viele der 1.400 Fans von Hansa Rostock wussten bis zu diesem Sonntagnachmittag nicht, wie schlecht sich ein Punktgewinn im Profisport eigentlich anfühlen kann. Doch sie hatten 850 Kilometer quer durchs Sendegebiet des Norddeutschen Rundfunks zurückgelegt, dabei auch jeder tabellarischen Widrigkeit getrotzt: Rostock als Vorletzter gastierte beim abgeschlagenen Letzten VfL Osnabrück – ein Duell, das sich im vergangenen Jahrzehnt oft in der 3. Liga abgespielt hatte und an diesem grauen Tag auch oft daran erinnerte. War das nun ein Pflichtsieg für die Kogge und ihren immer noch recht neuen Trainer Mersad Selimbegovic?

Das 0:0 jedenfalls war mit dem Adjektiv "schmeichelhaft" in der Hansa-Gesamtheit noch euphemistisch beschrieben: 26:7 Torschüsse für die Hausherren, 69 Prozent Ballbesitz, 83:63 Prozent Passquote. Was war der Auftrag von Hansa Rostock, 2021 aus der 3. Liga entflohen, gewesen? Einzig Kampfgeist war der Mannschaft zu keinem Zeitpunkt abzusprechen: Damian Roßbach verlor in der Schlussphase einen Zahn, Alexander Rossipal klärte unter größten Schmerzen eine der zahllosen Osnabrücker Schusssalven auf der Torlinie – das Wechselkontingent war ausgeschöpft, weil sich Oliver Hüsing bereits kurz zuvor benommen abgemeldet hatte. Und dann war da ja noch der Torwart: Markus Kolke machte seinem Spitznamen "Krake" alle Ehre, zeigte eine der besten Leistungen seines Lebens. Der einzige Mutmacher, der Einzige mit Zweitliga-Format in Reihen des FCH, zumindest an diesem Tag.

Die Gefahr einer negativen Eigendynamik droht

Ist Hansa Rostock in dreieinhalb Monaten wieder Drittligist? Zu Saisonbeginn sah es nicht danach aus, nach zwei Spieltagen war die Kogge mit der perfekten Bilanz von sechs Punkten sogar Tabellenführer. Umso rasanter folgte der Absturz, der Alois Schwarz im Spätherbst seinen Job kostete. "Wir sind versetzungsgefährdet“, analysierte Sportchef Kristian Walter vor der Winterpause, holte mit Konstantinos Stafylidis (Linksverteidiger) und Sveinn-Aron Gudjohnsson (Stürmer) im Januar zwei neue Feldspieler. Insgesamt wirkt der Kader nicht so schlecht, wie es die Tabelle aussagt – Hansa ist am vergangenen Wochenende auf einen direkten Abstiegsplatz abgerutscht. Doch mit dem Verlust jeglicher Spielidee, in Osnabrück war das bitter erkennbar, können auch ordentliche Offensivkräfte wie Kai Pröger und Sarpreet Singh nicht mehr tun als hoffen. Statt eines Stilmittels ist der lange Ball zum Ausdruck der Hilflosigkeit verkommen, kaum eine Kombination wirkt einstudiert. Das ist kein sonderlich gutes Zwischenzeugnis für alle, die bei Hansa mit der Entwicklung einer Spielidee beauftragt sind.

Am fehlenden Zuspruch der Fans mag es derweil kaum liegen. Mehr als 26.000 von ihnen wohnen den Heimspielen im zweiwöchigen Rhythmus bei, die Auslastung liegt bei über 90 Prozent – im heimischen Bereich noch deutlich höher. Doch nimmt die Unruhe einmal zu, kann sich eine beachtliche Eigendynamik entwickeln. Durchaus fraglich etwa, ob Selimbegovic, der schon bei seiner Ankunft eher skeptisch beäugt wurde, das Umfeld vorbehaltlos hinter sich vereinen kann. Mancher Anhänger wünscht sich etwa eine Figur wie Jens Härtel zurück – ihr Aufstiegstrainer, der im Herbst 2022 nach dreieinhalb größtenteils erfolgreichen Jahren wohl etwas vorschnell geschasst worden war. Keiner war seit der deutschen Wiedervereinigung länger Hansa-Coach gewesen als der 54-Jährige.

Die potenziellen Absteiger sind durchweg Hochkaräter

So oder so kann sich die 3. Liga freuen auf das, was da im kommenden Sommer wartet: Osnabrück dürfte vergeblich um die minimale Nichtabstiegs-Chance kämpfen, dazu gesellt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens ein nominelles Alphatier. Neben Rostock ist Eintracht Braunschweig ein heißer Kandidat, der BTSV verfügt womöglich sogar über den etwas schwächer besetzten Kader. Dafür aber ist Trainer Daniel Scherning voll eingeschlagen, hat bereits fünf Siege geholt und die Ostniedersachsen zum Leben erweckt. Auch Schalke 04 und der 1. FC Kaiserslautern stecken noch tief im Dilemma, wirken aber die Spur reifer und vor allem offensiv deutlich durchschlagskräftiger. Das Mittelfeld ist bereits sechs Punkte entfernt, das schwache Torverhältnis beschert einen weiteren imaginären Zähler Rückstand. Hansa hechelt hinterher und muss bedenken, dass selbst die Relegationsteilnahme dem Zweitliga-Drittletzten in der Vergangenheit so gut wie nie genützt hat…

Nicht zu unterschätzen ist wiederum die Willenskraft, die sich an der Ostseeküste entwickeln kann. Im Vorjahr galt der FCH nach 28 Spieltagen als hoffnungsloser Fall, offensiv ähnlich uninspiriert wie jetzt und damit schlicht zu leicht für die Zweitklassigkeit. Es folgten 16 Punkte aus sechs Partien, ein modernes Fußballwunder mit dem vorzeitigen Happy End in Form des sicheren Nichtabstiegs. Einzig die Erinnerung, dass eine solche Entwicklung möglich ist, nährt aktuell den Glauben daran, das Kunststück zu wiederholen.

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