Kommentar: Rot-Weiß Erfurt zieht rechtzeitig die Reißleine

Ein besinnliches Weihnachtsfest wird es bei Rot-Weiß Erfurt nach den letzten Wochen wohl nicht mehr geben: Zwei Niederlagen deuteten den Abwärtstrend an, doch der miserable Rückrundenauftakt ließ die Verantwortlichen nun handeln: Christian Preußer ist nicht mehr Trainer der Rot-Weißen. Damit reagieren die Thüringer möglicherweise gerade noch rechtzeitig auf die Talfahrt. Ein Kommentar.

Sechs Siege aus insgesamt 28 Spielen: Schon diese Statistik zeigt, dass der mit 31 Jahren jüngste Trainer der Dritten Liga und des gesamten deutschen Profifußballs zu keiner Zeit nachhaltigen Erfolg an den Steigerwald bringen konnte: Nicht ein einziges Mal gelangen ihm zwei Siege in Serie – seit dem 21. Februar dieses Jahres wartet RWE nunmehr auf ein derartiges Erfolgserlebnis. Ihm oblag ein schweres Amt, denn als er den Trainerposten von Walter Kogler an der Arnstädter Straße übernahm, lagen die Rot-Weißen am Boden und waren einem Scherbenhaufen gleichzusetzen. Unter diesem hatte sich RWE zuvor mit vier Niederlagen in Serie aus dem Aufstiegskampf fast schon verabschiedet, ehe sich mit Preußer für die vereinsinterne Lösung entschieden würde. Und was erwischte dieser für einen Kaltstart! Gleich im ersten Spiel lagen seine Mannen zur Pause mit 0:3 in Mainz hinten, die Fans stiegen auf die Barrikaden und sorgten sogar für einen Rassismus-Eklat um Steve Gohouri. Er sollte noch drei weitere Begegnungen verlieren, im achten Anlauf und in einem für die Erfurter völlig unbedeutenden Spiel zum Saisonende erst den Premierensieg eintüten.

Überzeugende Auftritte verkamen zur Seltenheit

Doch zur neuen Spielzeit sollte sich vieles verändern: Die vielumworbene Mission 2016 wurde gekänzelt, der Aufstiegsdruck von der Truppe genommen, die mit Rafael Czichos, Andreas Wiegel und Kevin Möhwald gleich drei Stützpfeiler verloren hatte. Der jüngste Trainer stand Symbol für eine neue, teils drittliga-unerfahrene Elf, die von alten Hasen wie Sebastian Tyrala oder Andre Laurito geleitet werden sollte. Doch hat dieses Team in den letzten Wochen auch nur einmal restlos überzeugen können? Knappe Heimsiege wie die über Werder Bremen II, die Stuttgarter Kickers oder Hansa Rostock boten teils völlig verschiedene Halbzeiten, wurden teils durch eine gute Portion Glück zugunsten der Preußer-Elf entschieden. Das kleine Zwischenhoch mit sieben erzielten Punkten aus drei Spielen, es bot den Funken der Hoffnung nach Besserung – doch selbst dieser ist nach den jüngsten drei Niederlagen endgültig erloschen.

Zunehmend emotionslos auf Talfahrt

Der Schritt der Freistellung ist zu vertreten, das ist keine Frage. Es wirkte zuletzt nicht mehr so, als könnte Preußer der Mannschaft einen Impuls zur spielerischen Verbesserung und zur Stabilisierung der Ergebnisse geben. Im Abstiegskampf benötigt es zudem den letzten Willen und die Motivation, die letzten fünf Prozent aus sich herauszukitzeln – und mit Verlaub: Ein eher ruhiger und sachlicher Vertreter seiner Zunft, wie es der 31-Jährige nun einmal ist, ist für diese Aufgabe möglicherweise am Anfang seiner Trainerkarriere (noch) nicht geschaffen. Ungeachtet seines Wissens und seiner Fähigkeiten benötigt es in dieser Situation schlichtweg auch ein wenig mehr Emotionalität, auch um dem Verein und seinen Fans zu zeigen: Wir wollen uns nicht schleichend in die Regionalliga verabschieden! Ob das Spielermaterial möglicherweise gar keine größeren Sprünge zulässt, muss dabei der Nachfolger Preußers zeigen, dem in jedem Fall eine schwere Aufgabe bevorsteht.

Komplette Freistellung wäre nicht angemessen

Doch eines steht abschließend ebenfalls fest: Christian Preußer machte sich seit vielen Jahren um den Verein und besonders das Nachwuchsleistungszentrums verdient, das unterscheidet ihn von vielen Profitrainern dieser Liga. Daher ehrt es den Präsidenten Rolf Rombach, sich mit dem geschassten Coach schon bald zusammensetzen zu wollen, und ihm mögliche Perspektiven im Verein Rot-Weiß Erfurt aufzuzeigen. Denn eine komplette Freistellung von dem Verein, dem er seit Abschluss seines Studiums sein Herz und viel Zeit widmete, wäre trotz des sportlichen Misserfolges mit der Profimannschaft nicht angemessen.

   

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