Kommentar: Ein Derby ohne Gästefans ist kein Derby
Preußen Münster gegen den VfL Osnabrück – diese Paarung bot in den letzten vier Drittliga-Spielzeiten so ziemlich alles: Rassige Zweikämpfe, Rote Karten, Traumtore und tolle Stimmung auf beiden Seiten. Mindestens auf Letzteres muss in dieser Spielzeit verzichtet werden – eine gleichermaßen traurige wie vorhersehbare Reaktion des DFB und der Polizei auf anhaltende Ausschreitungen. Die Fans werden diese Entscheidung aber nicht einfach so hinnehmen – ein Kommentar:
Denn wenn Lila-Weiß auf Schwarz-Weiß-Grün traf, hagelte es in den letzten Jahren an Ausschreitungen, Randale und Auseinandersetzungen vor wie nach dem Spiel. Den Anfang machten die Adlerträger, die vor dem ersten Gastspiel in Osnabrück im Jahre 2011 mit einem Böllerwurf gleich mehrere Dutzend Leute verletzten – viele mussten im Krankenhaus behandelt werden. Mit dem Mantra des „unbelehrbaren Einzeltäter“ wurde auf Seiten der Fans versucht, diese unbegreifliche Situation herunterzuspielen. Doch in den folgenden Spielzeiten sollte sich das Bild kaum ändern. Erst bei der jüngsten 0:2-Niederlage des VfL Osnabrück im Preußenstadion zu Beginn dieses Jahres flogen unmittelbar nach Abpfiff Mülltonnen im Gästeblock, insgesamt wurden 25 Fans und Ordnungshüter verletzt. Die Folge war eine drastische Strafe für beide Vereine sowie ein Zuschauerausschluss auf Bewährung.
Die Konsequenz anhaltender Randale in den letzten Jahren
Ebenso wurde vieles dafür getan, dass derartige Vorfälle zukünftig minimiert werden – jedoch lief vieles in die falsche Richtung: So erhielt der SC Preußen für das letztjährige Gastspiel an der Bremer Brücke lediglich noch rund 1000 Tickets, eine Spielzeit dafür wurden kurz vor der Begegnung im Preußenstadion sogar sämtliche Fanutensilien verboten. Gezündelt wurde trotzdem, ansonsten blieb es sogar verhältnismäßig ruhig. Erst der Februar 2015 brachte das seit mehreren Jahren randvolle Fass zum Überlaufen – aufgrund einiger Weniger müssen sich nun viele friedliche, ausschließlich am Sport interessierte Anhänger neue Wege suchen, das Spiel zu verfolgen. Für das in wenigen Wochen anstehende Duell der beiden Traditionsvereine ist aktuell nicht einmal eine Übertragung im TV eingeplant – tausende Fans der Schwarz-Weiß-Grünen werden möglicherweise komplett in die Röhre schauen, das Spiel lediglich über Radio oder einen Liveticker verfolgen können.
Gästeausschluss nicht mal bei Schalke gegen Dortmund
Die Entscheidung wirkt drakonisch, sie schreckt ab. Nicht unwahrscheinlich, dass genau dies so gewollt ist. Der komplette Ausschluss von Gästeanhängern für ein Derby – das hat es nicht einmal bei Schalke 04 und Borussia Dortmund gegeben. Was in Italien, Polen und weiteren Ländern gängige Praxis ist, kehrt nun offenbar auch in Deutschland ein. Nicht, dass beispielsweise die Preußen bereits Erfahrungen damit gemacht hätten: Im Zuge des Böllerwurfes 2011 musste der Sportclub bereits die folgenden Auswärtsspiele beim SV Wehen Wiesbaden sowie Rot-Weiß Erfurt ohne Anhänger bestreiten. Für den VfL Osnabrück steht eine Bestrafung im Zuge des jüngsten Spielabbruches der DFB-Pokalpartie gegen RB Leipzig indes noch aus. Auch dort ist ein Zuschauer-Teilausschluss weiterhin im Bereich des Möglichen. Fest steht: Beide Fangruppierungen haben in der Vergangenheit immer wieder die Grenze des Erlaubten übertreten – und müssen nun mit der Folge des „entderbysierten“ Duells leben. Denn ein Derby ohne Gästefans? Nein, das ist schlichtweg keines.
Gemeinsam protestieren
Dass diese Entscheidung so nicht hingenommen wird, ist offensichtlich: Eine Demonstration der Preußen-Anhänger ist bereits in Planung, zahlreiche Fans werden trotzdem in den Süden Niedersachsens reisen. Auseinandersetzungen müssen auch dort erwartet werden – die Gewalt rund um das Derby verschwindet nicht, sondern verlagert sich lediglich. Die Anhänger beider Vereine tun gut daran, sich zu solidarisieren, sich zusammenzuschließen und gemeinsam (friedlich) gegen die Strafe zu protestieren, sich aber gleichsam selbst zu hinterfragen: Wäre diese Entscheidung zu verhindern gewesen? Wer auch immer der sportliche Gewinner der Begegnung des VfL Osnabrück und des SC Preußen Münster sein wird: Verloren haben bereits drei Wochen vor dem Anpfiff alle, die sich in den letzten Jahren einfach nur auf ein stimmungsvolles Derby gefreut haben. Denn dieses wird es zumindest in der Saison 2015/2016 in dieser Art nicht geben.