Halbjahres-Fazit #3: Die Aufstiegskandidaten
Im dritten und letzten Teil unser Hinrunden-Analyse geht es um die Spitze der Tabelle: Die ersten sechs Vereine dürften es auch in der finalen Abrechnung sein, die zwei Aufstiegsplätze und einen Relegationsrang untereinander ausspielen werden. Vier Klubs hatte man im Vorfeld eine Favoritenrolle zugetraut – zwei weitere überraschten derweil mit konstant starken Leistungen.
Für die Fans des VfL Osnabrück müssen die jetzt überstandenen Feiertage zum Jahresende eine besonders komische Zeit gewesen sein. Sie waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewohnt, haben ein außergewöhnlich spektakuläres Jahr mit besonderem Ausgang hinter sich. Blicken wir kurz zurück: Im Mai 2018 trudelten die Lila-Weißen mit 37 Punkten auf dem viertletzten Platz ein, der diese Spielzeit den Abstieg bedeuten würde. Die Leistungen waren ernüchternd, einige Fans hatten die letzte Hoffnung verloren.
Doch einige clevere Transfers und die ordnende Hand von Trainer Daniel Thioune, der bei den Vereins-Bossen trotz der verkorksten Rückserie 17/18 nie wirklich zur Diskussion stand, zahlten sich aus: Elf Siege, acht Remis und nur eine Niederlage bedeuten die Wintermeisterschaft, zudem wurde aus einer "Schießbude" des Vorjahres die mit nur 15 Gegentreffern beste Liga-Defensive. Die stärkste Statistik aber weist auf die Comeback-Mentalität hin: Aus acht Rückständen holte der VfL noch sagenhafte 17 Punkte, ein sensationeller Wert.
Höhepunkt: Die Auswahl ist angesichts von Tor-Spektakeln, Last-Minute-Erfolgen und reihenweise gedrehten Partien groß. Nichts aber schmeckte so süß wie der 3:0-Derbysieg über Preußen Münster.
Tiefpunkt: Es gab keinen.
Trotz eines etwas holprigen Auftakts hat sich der Karlsruher SC schnell in der Spitzengruppe zurechtgefunden – Drittliga-Experten und Fans werden sich an die Saison 2012/13 erinnern, als sich der KSC mit ganz ähnlichem Werdegang in die 2. Bundesliga davonschlich. Was ist das Erfolgsrezept der Südwestdeutschen? Zunächst einmal trumpfen sie mit der Erfahrung von Führungsspielern wie Daniel Gordon, David Pisot und Anton Fink auf – ein weiterer Schlüsselspieler ist aber Marvin Pourie, den urplötzlich das Torjäger-Gen beglückte. Als weitere Stärke präsentierte sich Karlsruhe gerade in den Spitzenspielen zuletzt stark: Osnabrück, Uerdingen, Münster und der Hallesche FC mussten sich der Reihe nach den Karlsruhern beugen. Als bestes Auswärtsteam holte die Elf von Alois Schwartz in der Fremde übrigens 21 Zähler aus zehn Partien und kassierte nur sechs Gegentore. Stark!
Höhepunkt: Das 5:0 über Preußen Münster, der höchste Saisonsieg, wurde etwas glücklich mit Elfmetern eingeleitet, hatte dann aber Traumtore und feine Spielzüge parat. Es war ein Festtag im Wildpark.
Tiefpunkte: Das 0:6 im Pokal gegen Hannover 96 und das 2:5 gegen Wehen Wiesbaden fühlten sich ähnlich mies an. Merkwürdig, dass die sonst so sichere KSC-Abwehr an diesen Tagen den Gegnern alle Türen öffnete. Die schwächste Leistung zeigte der KSC beim 1:3 gegen Lotte.
Ein Aufsteiger auf dem dritten Platz! Im Normalfall wäre dies eine kleine Sensation, doch der KFC Uerdingen ist darauf ausgelegt, ähnlich wie RB Leipzig vor einigen Jahren die 3. Liga im Eilschritt zu passieren. Das könnte gelingen, die Basis ist gelegt und von allen Spitzenkandidaten dürften die Krefelder – wenn es Investor Mikhail Ponomarev so will – im Winter den größten finanziellen Spielraum besitzen, um weiter aufzurüsten. Vielleicht ist das sogar nötig, denn gegenüber Teams wie Karlsruhe oder Unterhaching, wo es zum Abschluss des vergangenen Jahres eine 0:4-Schlappe gab, scheint es trotz der guten Platzierung noch Defizite zu geben. Uerdingen macht es clever, siegt nie hoch, spielt selten unentschieden. Doch längst nicht immer war die Spielidee schön anzuschauen, so manche Heimpleite mogelte sich ein. Wird sich die erfahrene Mannschaft 2019 steigern können?
Höhepunkt: Wirklich torreich waren KFC-Spiele, so positiv sie ausgingen, selten. Das 3:2 gegen Meppen im August, mit dem entscheidenden Treffer von Lucas Musculus in der Nachspielzeit, tanzte angenehm aus der Reihe.
Tiefpunkt: Das 0:2 gegen die Sportfreunde Lotte kam Ende Oktober einer unsanften Bauchlandung gleich, aus der Stefan Krämer und seine Spieler aber rasch Lehren zogen.
Die zweite große Überraschung neben dem VfL Osnabrück ist der Hallesche FC. Hatten die Saalestädter in den vergangenen Jahren serienweise eher unspektakuläre Mittelfeldplätze für sich gebucht, so hat der Klub unter der neuen Führung von Torsten Ziegner offenbar Größeres vor: Mit 37 erreichten Zählern liegt der HFC auf Schlagdistanz zu den fetten Plätzen. Chapeau! Dabei ist gar nicht oft genug anzumerken, dass im Sommer ein großer Umbruch bewältigt werden musste, die Vorzeichen eher keine guten waren. Doch ein ganz neues Mannschaftsgerüst bildete sich. Die neuen Lieblinge heißen Moritz Heyer, Pascal Sohm, Bentley Baxter Bahn und Sebastian Mai, der omnipräsent jede Position zwischen Viererkette und Angriff spielen kann. Erwischt dann auch noch Supertalent Braydon Manu einen seiner besseren Tage, ist gegen das Konterspiel aus Sachsen-Anhalt kaum ein Kraut gewachsen.
Höhepunkt: Gejubelt werden durfte oft, richtig groß war die Freude aber nach dem hochverdienten 3:0 in Jena – zuvor hatte der HFC die beiden Auftaktspiele vergeigt, so konnte der Fehlstart abgewendet werden.
Tiefpunkt: Allenfalls das 1:2 am zweiten Spieltag gegen Köln, als erste Pessimisten nach dem Null-Punkte-Start ihre Sorgen äußerten. Es sollte ganz anders kommen…
So gut die Hachinger in der Tabelle platziert sind – sie haben irgendetwas falsch gemacht. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, warum die mit Abstand beste Offensive der 3. Liga (42 Treffer), die zudem auf das mit Abstand beste Torverhältnis (plus 22) kommt, "nur" auf dem fünften Platz rangiert. Tatsächlich war das Spektakel steter Begleiter der Bayern, die nicht von ungefähr auch den besten Torjäger stellen: Stephan Hain, der in der Vorsaison mit 19 Treffern zweitbester Schütze war, kommt zum Jahreswechsel bereits auf 13 Tore, der mittlerweile als Sturmpartner gesetzte Stefan Schimmer steuerte acht weitere Treffer bei und Sascha Bigalke komplettiert das brandgefährliche Trio mit gleich elf Vorlagen. Nach Leistung ist die SpVgg trotz des knappen Rückstandes auf die Spitze, dessen Ursprung einzig in der enormen Anzahl von bereits elf Unentschieden liegt, ein Aufstiegsfavorit. Allerdings wären die Ausfälle der genannten Leistungsträger kaum zu kompensieren.
Höhepunkte: Braunschweig wurde mit 3:0, Uerdingen mit 4:0, Kaiserslautern mit 5:0 und Fortuna Köln sogar mit 6:0 aus dem eigenen Stadion geschossen. Dazu kommt unser "Spiel des Jahres", der 5:4-Erfolg in Jena.
Tiefpunkt: Das 0:1 daheim gegen Würzburg, schlichtweg, weil es die einzige Niederlage der bisherigen Saison war.
In Wiesbaden kann man über die 30 erreichten Punkte und den recht großen Rückstand auf die ersten drei Ränge nicht zufrieden sein. Schon im Vorjahr kosteten wenige schwache Leistungen am Ende den Erfolg. Diese Saison scheint der Aufstieg gemessen an der Leistung der Konkurrenz sogar etwas leichter, doch die Konstanz ist beim SVWW in noch niedrigerem Ausmaß vorhanden. Wie sonst ist zu erklären, dass auf das hervorragende 5:2 in Karlsruhe ein müdes 0:0 daheim gegen Zwickau folgte? Und auf die absolute Machtdemonstration beim 7:0 in Köln eine 2:3-Niederlage gegen Carl Zeiss Jena? Das Potenzial ist groß, die eingesetzten Mittel auch – unter anderem kann Trainer Rüdiger Rehm auf sein 20-Tore-Sturmduo Manuel Schäffler/Daniel Kofi-Kyereh zählen. Doch wenn Wiesbaden mehr will als einen Platz im vorderen Mittelfeld, dann muss die launische Mannschaft endlich den nächsten Entwicklungsschritt gehen, die Anzahl an Rückschlägen deutlich reduzieren. Eine Aufholjagd steht bevor.
Höhepunkt: Das 7:0 in Köln, garniert von einem Schäffler-Viererpack. Völlig hilflose Kölner wurden von Wiesbaden brachial überrollt.
Tiefpunkte: Durch das 0:2 daheim gegen Uerdingen verlor Wiesbaden im Dezember endgültig den Anschluss an die vordersten Ränge, es war die bereits achte Saisonniederlage.