Joe Enochs: "Die 3. Liga ist schon ein bisschen verrückt"

Joe Enochs, Trainer des VfL Osnabrück, spricht im Interview mit liga3-online.de über das anstehende Spiel in Aalen, die Ausgeglichenheit der Liga, verrät, was er aus dem knapp verlorenen Aufstiegsrennen der letzten Saison mitgenommen hat – und was er als Amerikaner vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump hält.

[box type="info" size="large"]"Wir dürfen nicht im Konjunktiv denken"[/box]

liga3-online.de: Hallo Herr Enochs. Eine halbe Stunde Zeit haben Sie sich für dieses Interview nehmen können. Wo erwischen wir Sie in diesem Moment?

Joe Enochs: Ich sitze im Auto, komme gerade vom Training. Standardsituationen haben wir eben verstärkt eingeübt, standen insgesamt etwa eine Stunde auf dem Platz. In Hektik bin ich also nicht, auch wenn gleich noch ein wichtiger Termin privater Natur wartet – den habe ich meiner Tochter versprochen…(grinst)

Bevor wir tiefer in Ihr Privatleben vordringen, lassen Sie uns doch lieber das Training in diesen Wochen thematisieren. In der Woche ist mächtig Regen angekündigt, der Rasen beim VfR Aalen dürfte enorm tief geraten. Wie bereiten Sie Ihre Spieler darauf vor?

Ehrlich gesagt stellen uns diese Bedingungen vor keine großen Umstellungen. Sofern wir in Osnabrück nicht auf Kunstrasen trainieren, haben wir es generell mit tieferen Böden zu tun. Wichtig ist, dass der Fokus auch auf Standardsituationen rückt – so wie wir es am Mittwoch trainiert haben. Wir wollen selbst so wenig ruhende Bälle wie möglich zulassen und unsere Chancen daraus effizient verwerten.

Wie schätzen Sie den VfR Aalen generell ein?

Der VfR Aalen hat sich bisher sehr stark platziert und wird allein daher schon zu einer schweren Aufgabe. Sie haben verstanden, wie man in der 3. Liga auftreten muss, kassieren nur sehr wenige Gegentore. Vorne aber ist die Qualität hoch, mit Gerrit Wegkamp steht unter anderem ein alter Bekannter aus Osnabrück in ihren Reihen. Natürlich ist es unser Anspruch und Ziel, überall zu gewinnen. Leicht wird es dort aber nicht.

Wie bewerten Sie die Gesamtsituation in der 3. Liga aktuell? Mit einem Punkteschnitt von 1,5 Zählern pro Spiel darf sich ein Drittligist aktuell ohne Weiteres einen Aufstiegskandidaten nennen.

Ein bisschen verrückt ist das schon, aber es unterstreicht nur die Ausgeglichenheit in dieser Liga. Einen glasklaren Favoriten gibt es in keinem Spiel, der Erste kann auch beim Letzten eine schwere Aufgabe erwarten. Das macht die Spielklasse attraktiv und herausfordernd zugleich.

Sie hätten sich an den letzten Spieltagen mit dem VfL Osnabrück vom Rest des Feldes absetzen können, denn in der Spitzengruppe hat zuletzt keine Mannschaft regelmäßig gepunktet. Lila-weiß allerdings ebenso wenig…

Das ärgert uns natürlich, keine Frage. Allen voran der Punktverlust beim 1:1 gegen den FSV Frankfurt zuletzt hat mich wirklich gewurmt – das war vermeidbar. Aber: Wir dürfen nicht im Konjunktiv denken. Wo wir stehen könnten, darf uns nicht interessieren. Aktuell sind wir Zweiter, das ist eine schöne Momentaufnahme. Allein aus der letzten Spielzeit können wir aber mitnehmen, dass wir den Tag niemals vor dem Abend loben werden. Der Weg ist weit.

[box type="info" size="large"]Ein "Derby" gegen Lotte?[/box]

Was haben Sie aus dem knapp verlorenen Aufstiegsrennen der letzten Saison mitgenommen und was wurde im Sommer erfolgreich angepackt?

Ich habe gemerkt, dass wir uns im Kader nicht breit genug aufgestellt hatten. Den Ausfall vom Schlüsselspieler Marcos Alvarez haben wir nicht ausreichend kompensieren können. In dieser Spielzeit sieht das anders aus. Wir haben uns mit Leuten wie Jules Reimerink, Bashkim Renneke, „Otschi“ Wriedt oder Robert Kristo in der Breite verstärkt, konnten darüber hinaus Abgänge und Verletzungen in der Defensive kompensieren. Und das wohlgemerkt, obwohl wir finanziell längst nicht mit allen Mannschaften der Liga mithalten können. Das muss immer bedacht werden.

Marcel Appiah wurde umgehend als Ersatz für den zu den Würzburger Kickers abgewanderten David Pisot verpflichtet. Wie zufrieden sind Sie mit ihm?

Sehr zufrieden! Und er wird von Spiel zu Spiel besser. Es ist bei weitem nicht selbstverständlich, dass selbst ein hochveranlagter Spieler, der neu zu einem Verein stößt, seine Leistung direkt entfalten kann. Dafür muss er sich umgehend wohlfühlen, seinen Platz im Team finden. Marcel hat das in den letzten Wochen sofort geschafft und zeigt das auf dem Feld. Wir sind mit ihm sehr zufrieden. Auch wenn sich dafür jemand wie Mohamed El-Bouazzati nun gedulden muss. Er ist nach einigen Spielen in ein Loch gefallen, daher war eine Veränderung notwendig.

Apropos Ausfall von Schlüsselspielern: Wie sehnlich erwarten Sie eigentlich Halil Savran zurück und wie weit ist sein Genesungsprozess fortgeschritten?

Nachdem ich das Training am Mittwochnachmittag auf mich habe wirken lassen, habe ich mich entschlossen, ihn mit nach Aalen zu nehmen. Er signalisiert seit einiger Zeit keine Beschwerden mehr. Sicherlich lassen wir Vorsicht walten, daher ist er auch noch keine Option für die Startelf. Aber auch als Joker kann uns Halil in bestimmten Situationen Vorteile verschaffen. Als Kapitän ist er ohnehin auf wie auch neben dem Platz Identifikationsfigur – umso wichtiger ist es, dass er bei so einem schweren Auswärtsspiel mit dabei ist.

Auf die Partie in Aalen folgt das Nachbarschaftsduell gegen die Sportfreunde Lotte. Oder darf diese Partie sogar „Lokalderby“ getauft werden?

Sagen wir, es ist ein richtig wichtiges Spiel, das wir auf keinen Fall unterschätzen werden. Immerhin ist das Stadion rappelvoll – alle wollen diese Partie mitverfolgen, auch weil Lotte und Osnabrück zuvor nie in einer Liga gespielt hatten. Einige Spieler von uns kennen Lotte aufgrund ihrer Vergangenheit trotzdem noch gut, umgekehrt verhält es sich ähnlich. Ob es durch diese Punkte automatisch zu einem Derby wird, das möchte ich jedem Zuschauer selbst überlassen. Klar ist: Die Sportfreunde Lotte machen einen richtig guten Job und werden uns auf hohem Niveau fordern.

[box type="info" size="large"]Was Enochs von Donald Trump hält[/box]

Ein völlig anderes Thema für Sie als US-Amerikaner bilden die Präsidentschaftswahlen, die in der letzten Woche stattfanden. Wie haben Sie den Wahlkampf und die Wahl verfolgt?

Ich habe den Wahlkampf bis nachts um 1 Uhr verfolgt und habe mir daraufhin um 5 Uhr morgens einen Wecker gestellt. Als ich dann die Wahlprognosen gesehen habe, war mir klar: Donald Trump wird gewinnen. Daraufhin habe ich erst einmal mit meiner Mutter telefoniert. "Sag es mir nicht, ich gucke es nicht mehr!“, sagte sie ganz verzweifelt. Dafür muss man wissen: Meine Familie wohnt in Kalifornien, wo ich auch geboren bin – und da haben 78 Prozent für Hillary Clinton gestimmt. Dieser Bundesstaat ist fest in demokratischer Hand.

Wie skeptisch sind Sie gegenüber dem designierten Präsidenten Donald Trump?

Für mich standen grundsätzlich zwei keineswegs optimale Kandidaten zur Wahl. Aber: Die Aussagen, die Donald Trump getätigt hat, entsprechen einfach nicht meinen Werten. Für mich ist der Präsident etwas Besonderes – und da haben unabhängig von der Politik, die die Republikaner betreiben, bestimmte Äußerungen kein gutes Licht auf Trump und auf die USA geworfen. Das war mir fast schon ein Stück weit peinlich, denn: So sind nicht alle Amerikaner und so treten wir auch nicht auf! Wenn er sich dahingehend nicht ändert, werde ich zukünftig ein Problem damit haben, mich mit ihm zu identifizieren.

Welche sonstigen Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Wahlergebnis?

Ich bin grundsätzlich optimistisch eingestellt und werde dem zukünftigen Präsidenten eine Chance geben. Noch habe ich Hoffnung. Wir müssen sehen, wie wir damit klarkommen, wenn er in einigen Wochen tatsächlich im Amt ist. Unabhängig davon lehrt es mich aber, dass ich mich künftig noch mehr engagieren möchte – auch wenn dies außerhalb des Heimatlandes schwierig zu gestalten ist.

 

   
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