Ausführlicher Rückblick: Das war die Drittliga-Saison 2016/17

Bevor in 29 Tagen schon wieder der Ball rollt, wird es Zeit, die Saison 20176/17 ein letztes Mal Revue passieren zu lassen. Was lief gut, was lief schlecht? Wo lagen die positiven und wo die negativen Momente der Saison? Ist sie ihren Ansprüchen jederzeit gerecht geworden und hat sie auch in der kommenden Spielzeit das Potenzial, ihre Fans zu begeistern? liga3-online.de stellt der Spielklasse ihr ganz eigenes Fazit aus.

Was gut lief

Spannung

Beklagte sich im Saisonverlauf irgendjemand über mangelnde Spannung in den Partien? Bis zum letzten Spieltag waren wichtige Fragen im Auf- wie Abstiegskampf noch nicht geklärt, darüber hinaus schwebte jedes Team der Liga in mindestens einer Saisonphase entweder in Aufstiegsträumen oder in akuter Abstiegsgefahr – das typische Mittelfeld-Team ohne jede Schwankung gab es nicht. Schlussendlich fehlten dem 1. FC Magdeburg nur sieben Minuten zur Aufstiegsrelegation, dem SC Paderborn ursprünglich fünf zum Klassenerhalt. Es sollte alles anders kommen, aber dazu später mehr.

TV-Übertragungen

Die 3. Liga ist medial längst fest verankert, das zeigt eine Statistik deutlich: In der Saison 2016/17 wurden wieder einmal mehr Spiele übertragen als je zuvor. 241 Partien wurden live im TV oder zumindest im Livestream visualisiert – besonders der 1. FC Magdeburg durfte sich freuen, denn 37 seiner 38 Ligaspiele wurden live übertragen, kein anderer Verein erzielte annähernd diese Quote. Klar ist: Schon im kommenden Jahr müssen keine Statistiken mehr geführt werden, denn ab dann überträgt die Telekom sämtliche Begegnungen live.

Ausgeglichenheit

Ein probates Mittel für die 3. Liga gibt es nicht, das wurde in den letzten Monaten abermals deutlich. Wenig Geld kann viel Geld distanzieren, Aufsteiger können Absteiger distanzieren. Deutlich zeigt: Die Neulinge (Durchschnittsplatzierung 6,7) haben die Zweitliga-Absteiger (Durchschnittsplatzierung 13) eindrucksvoll abgekocht und ihren Platz in der 3. Liga gefunden. Wobei: Jahn Regensburg hatte es besonders eilig, sie dürfen sich schon bald wieder zweitklassig mit ihren Gegnern messen.

 

Was schlecht lief

Die finanzielle Situation zahlreicher Klubs

Selten waren die Finanzen ein derart großes Thema wie in dieser Spielzeit. Schon während der Spielzeit wurden Fehlbeträge in Chemnitz bekannt, mehreren Vereinen wurde zunächst gar ein Transferstopp auferlegt. Im Frühjahr folgte der Insolvenzantrag des VfR Aalen, wenig später zog der FSV Frankfurt hinterher. Während alle Klubs letztendlich die Zulassung teils unter Auflagen erlangten, rutscht 1860 München direkt in die Regionalliga durch – auch die Löwen konnten (ohne Großinvestor Ismaiks Bereitschaft) ihre Liquiditätsprobleme nicht beseitigen.

Nur zwei sportliche Absteiger

Damit verbunden ist die Reduzierung auf zwei sportliche Absteiger. Das freut natürlich den SC Paderborn – große Teile der sonstigen Anhänger aber eher weniger. Wer die Regionalliga sportlich verdient hat, der sollte auch absteigen, so die geläufige Meinung. Darüber lässt sich streiten: Schön ist es aber unter keinen Umständen, wenn die Entscheidung nicht mehr auf dem Platz fällt. Das Abstiegsfinale zwischen Erfurt, Bremen II und Paderborn ist durch die Ereignisse um 1860 München im Nachhinein wertlos geworden.

Die Schere zu den oberen Ligen wird größer und größer

Der neue TV-Vertrag verspricht den Vereinen in der 3. Liga offensichtlich Besserung – aber allenfalls auf den ersten Blick. Tatsächlich klafft eine immer größere Lücke zwischen der 2. Bundesliga und der nächsttieferen Spielklasse. Für Vereine gibt es nur noch die Möglichkeit, mit einem exorbitant bestückten Kader den direkten Wiederaufstieg in Angriff zu nehmen, siehe das Beispiel Karlsruher SC oder MSV Duisburg. Klappt das nicht, drohen immer mehr Vereine, am Kosten-Einnahmen-Verhältnis zu ersticken.

Was gerne wieder passieren darf

Wo 3. Liga draufsteht, muss nicht immer 3. Liga drin sein – das bewiesen zahlreiche Fangruppen in der vergangenen Saison. Wenn 20.000 FCM-Fans für eine ohrenbetäubende Lautstärke sorgen und wenn die Hansa-Fans aus dem Auswärtsspiel im Bremer Weserstadion ein Heimspiel machen, ist das längst nicht nur drittklassig. Auch die Anhänger der anderen Vereine beeindruckten teilweise mit großen Choreos, wie die Wahl zur "Choreo der Saison" zeigt – davon bitte mehr!

Was nie wieder passieren sollte

Bewegt wurde die 3. Liga vom Tod des Magdeburger Fan Hannes, der im vergangenen Herbst aus einem fahrenden Zug stürzte und seinen schweren Verletzungen erlag. In neun Jahren dieser Spielklasse war niemals zuvor ein Anhänger auf diese Art und Weise ums Leben gekommen. Warum musste es so weit kommen? Warum muss ein Fußballfan mit dem Leben bezahlen? Es bleiben bis heute viele Fragen offen. Klar ist: Eine Rivalität muss immer Grenzen finden.

Bewertung des Transfermarktes

Mehr und mehr müssen Drittligisten aus Kostengründen in der Regionalliga nach Talenten scouten – und diese bei Erfolg direkt in höhere Ligen weiterverkaufen. Ein gutes Beispiel lieferte etwa die SG Sonnenhof Großaspach (Lucas Röser) oder der VfL Osnabrück (Kwasi Wriedt), wobei dessen Wechsel noch längst nicht feststeht. Als Grundtendenz ist erkennbar: Eingespieltheit trumpft oftmals individuelle Klasse. So platzierte sich etwa Jahn Regensburg letztendlich deutlich vor dem Chemnitzer FC – dabei wurde gefühlt die Hälfte der SSV-Akteure in den letzten Jahren bei den Himmelblauen aussortiert. Die Neuaufbau-Projekte in Paderborn und Frankfurt scheiterten kläglich, während der MSV Duisburg sein Grundgerüst trotz Abstieg zusammenhielt und damit letztlich souverän aufstieg.

Bewertung des Trainer-Karussells

In vielen Vereinen, ob Keller oder Dachgeschoss der Tabelle, wurde mindestens einmal über den Trainer diskutiert. Fest im Sattel saßen Heiko Herrlich (Jahn Regensburg/ das Ende ist bekannt), Oliver Zapel (Großaspach/ verkündete aus freien Stücken seinen Abgang), Sandro Schwarz (Mainz II/ rückt zu den Profis auf) und Florian Kohfeldt (Bremen II), Uwe Koschinat (Fortuna Köln), Stefan Krämer (RW Erfurt), Torsten Ziegner (FSV Zwickau) sowie Peter Vollmann (VfR Aalen), die weiter fest angeschnallt auf ihrem Stuhl scheinen. Kritisch diskutiert wurden Joe Enochs (Osnabrück), Sven Köhler (CFC), Rico Schmitt (HFC), umworben wurden Jens Härtel (FCM) und Ismail Atalan (SF Lotte). Erwischt hat es: Roland Vrabec beim FSV Frankfurt, Christian Brand beim F.C. Hansa, Horst Steffen beim SC Preußen, Torsten Fröhling in Wiesbaden, Karsten Neitzel in Kiel sowie René Müller und Stefan Emmerling beim SC Paderborn. Das klingt nach viel Bewegung – im Vergleich zur Bundesliga sitzen die Übungsleiter in Liga 3 jedoch mit weitaus geringerer Schleudergefahr.

Vergleich mit den Erwartungen

Immer interessant ist ein Vergleich zwischen den Erwartungen vor der Saison und den tatsächlichen Entwicklungen. So hatten zehn Trainer vor der Spielzeit den Chemnitzer FC und den MSV Duisburg auf der Rechnung – nur die Zebras marschierten in die 2. Bundesliga. Auch bei Holstein Kiel (9 Nennungen) hatten die Übungsleiter einen guten Riecher, der SC Paderborn (ebenfalls 9 Nennungen) hingegen entwickelte sich in eine völlig andere Richtung. Der abgeschlagene Letzte FSV Frankfurt war von immerhin einem Viertel der Übungsleiter als Aufstiegsfavorit eingeschätzt worden. Jahn Regensburg hatte hingegen niemand auf der Rechnung, den Vierten Magdeburg nur zwei.

Fazit

Es war keine Drittliga-Saison, an die sich in Jahrzehnten sofort erinnert wird – dafür fehlten die besonderen positiven Momente, dafür fehlte vielleicht absolute Dramatik im Aufstiegskampf oder die speziellen Spiele, die heißen Derbys, die einzigartigen Momente. Die Ausgeglichenheit war wieder einmal enorm, sodass auch im März noch 16 Vereine realistisch hätten aufsteigen können. Den Vogel abgeschossen hat der FSV Zwickau, der sich weit über die eigenen kühnen Träume hinausbeförderte und von einem Abstiegsplatz bis auf den fünften Rang vormarschierte. Dieses Beispiel zeigt: In der 3. Liga ist nicht alles logisch zu erklären, nicht jede Siegesserie nur im fußballerischem Können begründet. Angesichts der geringen Unterschiede braucht es stets das Quäntchen Glück, das etwa Zwickau in der Rückrunde oder Magdeburg in der Hinrunde phasenweise auf seiner Seite wusste. Zumindest für Kiel und Regensburg gilt aber ohne Vorbehalte: Die fußballerisch besten Teams der Liga sind aufgestiegen.

Prognose

Was wird aus der 3. Liga 2017/18? Die Vorzeichen sind interessant: Duisburg, Kiel, Regensburg, der FSV Frankfurt und Mainz 05 II gehen – dafür kommen mit Karlsruhe, Würzburg, dem SV Meppen, Unterhaching und Jena mindestens ebenbürtige neue wie bekannte Gesichter zurück. Absehbar ist schon Mitte Juni, dass der Karlsruher SC einen Kader zusammenstellt, mit dem der souveräne Wiederaufstieg das Ziel sein muss. Doch wer folgt? Noch ist überhaupt nicht abzusehen, die halbe Liga besitzt ähnliches Potenzial. Gleichzeitig fehlen die klaren Abstiegskandidaten: Die Aufsteiger sind es entgegen der ersten Erwartungen eher nicht, dies zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre. Rot-Weiß Erfurt, Großaspach, Lotte oder Bremen II? Prognosen über genaue Platzierungen sind nicht zu treffen. Das spricht für die Spieler, das spricht für die Vereine. Und das spricht für die Attraktivität der Liga, die sich weiterhin genau dadurch so sehr von vielen anderen Spielklassen unterscheiden wird.

   

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