Aues Fehlstart: Hat Timo Rost die Liga falsch eingeschätzt?

Vier Spiele, null Siege, nur drei Tore und Tabellenplatz 17: Zweitliga-Absteiger Erzgebirge Aue hat einen klassischen Fehlstart hingelegt. Auch deswegen, weil Trainer Timo Rost die Liga falsch eingeschätzt hat?

Spielerischer Ansatz als Trugschluss

Dass nach einem XXL-Umbruch mit 18 Zu- und Angängen nicht alle Räder sofort ineinander greifen und es Zeit braucht, ehe das Team auch menschlich zusammenwächst, war in Aue vor Saisonstart erwartet worden. Dennoch dürften sich die Beteiligten mehr als zwei Punkte aus den ersten vier Spielen erhofft haben, auch die Fans waren nach einem schwachen Zweitliga-Jahr mit ganz anderen Erwartungen in die Saison gegangen. Doch wie ist der Fehlstart – abgesehen von den aufgezählten Faktoren – zu erklären? Hat Trainer Timo Rost die Liga womöglich falsch eingeschätzt? Dieser Eindruck drängt sich vor allem nach dem 1:5-Debakel gegen Wehen Wiesbaden auf. Augenscheinlich wollte Rost seine nahezu völlig neu zusammengestellte Mannschaft über den spielerischen Weg zum Erfolg führen.

Dazu passt, dass sich der 43-Jährige noch am Mittwochabend trotz der Niederlage in Mannheim über den hohen Ballbesitz-Anteil seiner Mannschaft erfreut und daraus abgeleitet hatte, dass sein Team "über weite Strecken des Spiels deutlich besser" gewesen sei und das Spiel somit eigentlich klar hätte "gewinnen müssen". Am Sonntag nach der herben Pleite gegen Wiesbaden schlug der frühere Bundesliga-Spieler dann plötzlich ganz andere Töne an, nachdem offensichtlich ein Umdenken eingesetzt hatte: "Wir müssen uns davon lösen, alles über Ballbesitz (wie er für einen spielerischen Ansatz typisch ist, d. Red.) zu regeln." Es gehe nämlich nicht darum, viel Ballbesitz zu haben, ohne torgefährlich zu werden. Zudem bringe es nichts, "Ballbesitz in Räumen zu haben, wo du dem Gegner nicht wehtun kannst", stellte Rost fest.

Eindringlich machte er klar, dass sein Team den Stil, den die Liga vorgibt, "endlich annehmen" müsse. Die Partie gegen Wiesbaden sei ein Lehrbeispiel dafür gewesen, "wie man in der 3. Liga spielen muss", räumte Aues Coach ein – und zählte auf: "Lange Bälle, zweite Bälle, Abschlüsse außerhalb der Box". Auch eine etwas härtere Zweikampfführung gehöre dazu.

Nazarov-Aussagen legen Innenleben offen

Was ebenfalls für die These spricht, ist die Tatsache, dass Rost die Schuld für die Pleite gegen Wiesbaden vehement bei sich suchte: "Diese Niederlage geht ganz klar auf meine Kappe. Ich bin dafür da, die Mannschaft besser zu machen. Das habe ich heute nicht geschafft", gestand er überaus selbstkritisch ein – weil er weiß, dass er die Liga oder das Potenzial der Mannschaft falsch eingeschätzt hat?

Auch die Aussagen von Kapitän Dimitrij Nazarov nach der Partie gegen Osnabrück, dass "in dieser Kackliga" kaum Fußball gespielt werde und viele lange und zweite Bälle ein "ganz schönes Gehacke" seien, zeigen: Rost wollte einen spielerischen Ansatz implementieren und hatte dies offenbar auch gegenüber der Mannschaft klar kommuniziert. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass Nazarov so genervt reagiert und trotz seiner Erfahrung – auch aus seiner Drittliga-Zeit 2012/13 in Münster – überrascht darüber war, dass in der 3. Liga, anders als Aue es offenbar vor hatte, nur selten gezaubert wird.

Dass dieser Ansatz funktionieren kann, hat der 1. FC Magdeburg in der vergangenen Saison zwar eindrucksvoll gezeigt. Doch für eine völlig neuformierte Mannschaft ist das eher nicht das Mittel der Wahl. Das scheint Rost mittlerweile erkannt zu haben. Entsprechend darf davon ausgegangen werden, dass sich die Veilchen künftig anders präsentieren werden. Allerdings stellt sich die Frage: Wie schnell wird es dem 43-Jährigen gelingen, dem Team den an die 3. Liga angepassten Spielstil zu verinnerlichen? Nach dem Fehlstart müssen nun schnell Ergebnisse her. Viel Zeit bleibt somit nicht …

   

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