Tabellenletzter! Die Erklärungen für den Fehlstart des SC Verl

Sieben Punkte hatte der SC Verl in seinen ersten beiden Drittliga-Jahren jeweils nach fünf Spieltagen auf dem Konto und platzierte sich damit im sicheren Mittelfeld. Nun ist alles anders: Der sportliche Existenzkampf, der beim jährlichen Außenseiter fest eingeplant ist, beginnt mit einer fetten Krise. Erstmals stehen die Ostwestfalen auf dem letzten Tabellenplatz. Warum der Sportclub nicht mehr gewinnt – und woran sich die Hoffnung klammert.

Das größte Problem ist schnell abzulesen

0:1, 2:2, 0:2, 0:1, 0:1: Die Ergebnisse des SC Verl lesen sich wenig spektakulär. Stets auf Augenhöhe, aber zahn- und harmlos – so lässt sich den Gegnern vielleicht ein anerkennendes Nicken für ordentliche Leistungen entlocken, nicht aber Punkte. Beim 0:1 gegen Aufsteiger Oldenburg, einem ersten "Sechs-Punkte-Spiel" angesichts der Tabellenlage und der vorauszusehenden Rivalität im unteren Tabellendrittel, fehlte offensiver Esprit, Sicherheit im Spielaufbau und Kampfgeist. Oldenburg sammelte sieben gelbe Karten, griff in der Schlussphase zu allen gerade noch legalen Mitteln, diesen Dreier zu sichern. Kurzum: Eine Mannschaft lebte Abstiegskampf schon im Hochsommer vor, die andere nicht. Und das sollte den Westfalen vor wichtigen Wochen zu denken geben.

Viele Aspekte können im Spiel der Ostwestfalen derzeit bemängelt werden. In einer Bilanz ist das größte Problem schnell abzulesen: Erst zwei erzielte Treffer sind (gemeinsam mit der SpVgg Bayreuth) der Tiefstwert der 3. Liga. Das überrascht, schafften es die Verler doch in den vergangenen beiden Drittliga-Jahren mit bescheidenen Mitteln erst zu 66 Treffern (2020/21), beim im letzten Moment erreichten Ligaverbleib 2021/22 immerhin noch zu stolzen 56 Tore – natürlich und mit gehörigem Abstand der Bestwert in der unteren Tabellenhälfte. Im Sommer folgte dann der für einen Verein der Verler Kragenweite übliche Aderlass, durch die Abgänge von Kasim Rabihic (Saarbrücken), Ron Berlinski (Essen) und Leandro Putaro (Osnabrück) wurde das offensive Herzstück der Rückrunde aus der Mannschaft gerissen.

Trainer Kniat vertraut der Qualität im Kader

Trainer Michél Kniat will dies allerdings nicht als Ausrede gelten lassen, er vertraut der Qualität, die im Kader steckt. "Die Abgänge sind absolut keine Erklärung", sagte er nach dem 0:1 in Oldenburg. "Wir haben gute, junge Spieler geholt." Diese sollen nach und nach ihre Schritte gehen, sich für die erste Elf qualifizieren – "und dann auch Tore machen". Die Frage nach einem, der sich als Knipser hervortun soll, lässt sich dagegen nicht so leicht beantworten: Cyrill Akono steht nach fünf Spieltagen bei null Saisontoren, all seine Herausforderer im Sturmzentrum (Eduard Probst, Koray Dag, Wladimir Wagner, Mateo Biondic) stammen aus der Oberliga respektive der U19-Bundesliga – hier hat Verl mit wenig Geld viel riskiert, bislang ohne Ertrag. Kommt der große Entwicklungssprung all dieser Spieler zu spät und bleibt völlig aus, wird Verls dominanter Ansatz wenige Früchte tragen.

Das erkannte nach der Niederlage in Oldenburg auch Kapitän Mael Corboz am TV-Mikrofon. Seine schonungslose Analyse, man könne ja 70 Prozent Ballbesitz haben und sich davon ohne Tore doch nichts kaufen, traf den Nagel auf den Kopf. 270 Minuten lang wartet die Kniat-Elf nun auf ein Erfolgserlebnis. Und gab es beim 0:2 in Dresden vor einem frühen Platzverweis immerhin noch beachtliche Chancen, blieb der SCV gegen 1860 München und noch mehr nun in Oldenburg offensiv vieles schuldig. "Wir haben ausgerechnet gegen den bislang vermeintlich schwächsten Gegner unsere bisher schlechteste Saisonleistung geboten", sagte Sportvorstand Raimund Bertels gegenüber der "Neuen Westfälischen". Mit Blick auf erst einen erzielten Zähler, das glückliche und tief in der Nachspielzeit herbeigeführte 2:2 gegen Mannheim, bilanzierte er: "Da kann sich jeder ausrechnen, wie das endet, wenn das so weitergeht."

Was noch zuversichtlich stimmt

Zuversichtlich stimmt nur das: In Gleichzahl waren die Verler bislang nie hoffnungslos unterlegen, ohne die ärgerlichen Last-Minute-Niederlagen gegen Saarbrücken und 1860 München stünden die Verler sogar auf einem Nichtabstiegsplatz. Kapitän Corboz hofft zudem auf einen gewissen Erfahrungsvorteil: "Unsere Stärke ist, wir haben das letzte Saison schon mitgemacht. Da brauchen wir jetzt auch keine Panik machen." Für Spieler wie ihn, Verls Urgestein Daniel Mikic und eine Handvoll weitere mag das gelten. Aber findet sich die ganze Mannschaft nochmals zu einem derart eingeschworenen Haufen, dass sie alle individuellen Nachteile als auch das Handicap Fehlstart wettmacht? Für Transfers fehlt der finanzielle Spielraum, nachdem zuletzt mit Niko Zografakis und des zunächst verletzten Nicolas Sessa noch zweimal nachgelegt wurde. Es sind keine Stoßstürmer, sondern technisch versierte Vorbereiter, die aus Zentrum als auch von den Flügeln aus Chancen kreieren sollen.

Bis Mitte Oktober wird der Sportclub schlauer sein, ob er Konkurrenzfähigkeit nachweisen und mit dringend benötigter Torgefahr vereinen kann: In Zwickau, Halle, Meppen, Duisburg, Elversberg, Viktoria Köln und Bayreuth wartet mancher Gegner, mit denen sich Verl – im Bestfall – bis zum Saisonende um den Nichtabstieg messen wird.

   

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