SV Wehen Wiesbaden: Über Umwege zum ersten Sieg
Nach 65 gespielten Minuten sah es am Dienstagabend in der Brita-Arena ganz und gar nach einem klassischen Fehlstart des SV Wehen Wiesbaden aus, als die Elf von Trainer Sven Demandt gegen Aufsteiger Werder Bremen II mit 0:1 im Hintertreffen lag. Drohte der frühe Zusammenbruch aller Ambitionen? Nein. In einer furiosen Schlussphase drehten die Rot-Schwarzen das Spiel noch mit 3:1 (0:0) zu ihren Gunsten.
Allen voran Doppeltorschütze Kevin Schindler trug einen gewichtigen Teil zum ersten Saisonerfolg seiner Mannen bei, stand er doch nach zwei Eckbällen jeweils goldrichtig und netzte erst zum Ausgleich (69.) und kurz darauf gar zur Führung ein (80.). Umso glücklicher präsentierte sich Schindler nach dem Erfolg gegen seinen Ex-Verein: "Wir haben eine tolle Moral bewiesen und schlussendlich verdient gewonnen.“ Auch ihn persönlich freute es sehr, gegen die Werder-Reserve gleich zwei Treffer erzielt zu haben: "Ob in Freundschaftsspielen oder Pflichtspielen, gegen Ex-Vereine mache ich immer gerne Tore, gerade gegen Bremen.“
Zuschauer-Minusrekord
Doch auch wenn unter dem Strich mit der Spielwende der SV Wehen Wiesbaden ordentlich Selbstvertrauen getankt haben sollte, darf bei der Betrachtung der gesamten Partie nicht vergessen werden: Auch im fünften Ligaspiel präsentierte sich der SVWW spielerisch weitestgehend dürftig, entwickelte bis zur Führung des SV Werder lediglich durch Distanzschüsse vereinzelt Gefahr. Bezeichnend: Die drei Tore der Wiesbadener fielen nach zwei Ecken sowie einem Aufbaufehler der Bremer in der Schlussminute, als die Gäste aus der Hansestadt alles nach vorne geworfen hatten. Feine Spielzüge und technisch anspruchsvolle Kombinationen vermissten die wenigen Anwesenden erneut: Überhaupt waren nur noch 1.822 Zuschauer zur Begegnung gekommen – ein Allzeit-Minusrekord für den SV Wehen Wiesbaden in der eingleisigen Dritten Liga.
Demandt: Nicht schön, aber effektiv zum Erfolg
Auch Trainer Sven Demandt hob nach Abpfiff die Wichtigkeit dieses Sieges hervor und erklärte, wieso das Spiel für neutrale Zuschauer nicht schön anzuschauen war: "Wir wollen normalerweise ruhiger das Spiel aufbauen, aber diese Sicherheit haben wir momentan nicht. Heute ging es aber nur darum, dieses Spiel irgendwie zu gewinnen“. Demzufolge wurden vermehrt einfache Mittel gewählt: Langholz nach vorne, auf den zweiten Ball warten, sich Standards erkämpfen. "Der Sieg heute wurde von uns erzwungen. Aber solche Siege braucht man, um wieder in die Spur zu kommen“, gab Demandt abschließend zu. Fest steht jedoch auch: Dass Kevin Schindler jeweils nach einer Standardsituation derart zum Ball kommt und diesen per Volley-Abnahme auch noch perfekt trifft, ist auch mit dem Faktor Glück zu erklären.
Spielerisch bleibt der SVWW seinen Zuschauern weiterhin vieles schuldig. Sollte dieser Befreiungsschlag die mentale Blockade bei den Kickern gelöst haben, muss die Demandt-Elf beim Gastspiel in Chemnitz am kommenden Samstag ein ganz anderes Gesicht zeigen. Denn wohl jeder, der es mit den Rot-Schwarzen hält, weiß: Bei ballsicheren und spielstarken Chemnitzern, die nach einer nicht unbedingt einkalkulierten 0:2-Niederlage bei Aufsteiger Magdeburg ebenfalls durchaus unter Siegesdruck stehen, reicht die simple Taktik der langen Bälle nicht mehr aus. Ein Anfang ist dennoch gemacht – der SV Wehen Wiesbaden hat seine Mini-Krise vorläufig beendet.