Strittige Szenen am 38. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Elfmeter für Würzburg, Chemnitz, Braunschweig und Meppen, das 1:1 von Rostock, der nicht gegebene Treffer von Rostock, die verwehrten Elfmeter für Kaiserslautern und Ingolstadt sowie das Foulspiel von Greger an Engin. Am 38. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Einen Freistoß von Robert Herrmann (Würzburg) blockt Julian Guttau (Halle) mit dem Oberarm. Schiedsrichter Martin Petersen gibt Elfmeter für Würzburg. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Der Ball wird per Freistoß in den Strafraum von Halle geschlagen und ist lange unterwegs. Dabei springen mehrere Spieler zum Kopfball hoch und verpassen diesen. Guttau ist überrascht, dass der Ball an Freund und Feind vorbeigeht und springt unglücklich mit dem Oberarm bzw. der Schulter zum Ball. Nun stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen Arm und Schulter verläuft. Ab dem 1. Juli hat sich die Handspielregel dahingehend geändert, dass die Grenze erweitert und in einer Skizze verdeutlicht wurde. Einen detaillierten Text dazu hat man noch nicht angepasst, was sicherlich noch folgt. Grob kann man sagen, dass nunmehr ein paar Zentimeter des Oberarms noch zur Schulter gehören.

In dieser Szene sieht man sehr gut, dass Guttau den Ball ein wenig an den oberen Oberarm, der jetzt zur Schulter gehört und sehr viel an den Oberarm bekommt, sodass ein absichtliches Handspiel vorliegt. Ein Indiz für Handspiel im Armbereich ist auch, wenn der Ball wie in dieser Szene nicht abprallt, wie es bei der Schulter passieren würde, sondern abrupt herunter fällt, weil der Arm beim Handspiel oft keine Spannung hat. Somit insgesamt eine richtige Entscheidung einen Strafstoß für Würzburg zu geben.

 

Szene 2: Bei einem Duell mit Max Reinthaler (Rostock) geht Philipp Hosiner (Chemnitz) zu Boden. Elfmeter für Chemnitz, entscheidet Schiedsrichter Benjamin Brand. [TV-Bilder – ab Minute 1:32:30]

Babak Rafati: Nach einer langen Flanke in den Strafraum von Rostock kommt es etwa am Elfmeterpunkt zu einem Zweikampf zwischen Reinthaler und Hosiner. Reinthaler ist hinter dem Angreifer und berührt ihn minimal im Rücken, was für den Angreifer ausreicht, diesen Kontakt dankend anzunehmen und zu Fall zu kommen. Nicht jede Berührung ist ein Foulspiel. In diesem Fall bestand zwischen Kontakt und Hinfallen überhaupt kein kausaler Zusammenhang. Das ist ein ganz normaler Zweikampf, und es hätte keinen Strafstoß für Chemnitz geben dürfen. Somit eine Fehlentscheidung.

Szene 3: Eine Flanke von Daniel Hanslik (Rostock) kann Jakob Jakubov (Chemnitz) nicht festhalten, sodass der Ball über Vollmann zu Scherff kommt, der zum 1:1 trifft. Chemnitz reklamiert Foulspiel, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Jakubov wird beim Versuch, den Ball im eigenen Strafraum abzufangen, vom eigenen Mitspieler behindert und lässt daraufhin den Ball wieder aus den Händen fallen. Der Angreifer verhält sich völlig passiv, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer für Rostock anzuerkennen. 

Szene 4: Mirnes Pepic (Rostock) bringt den Ball aufs Tor, Sören Reddemann schießt ihn wieder ins Feld. Kein Tor, entscheidet Brand. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: In dieser Szene kann man nur spekulieren, ob der geschossene Ball von Pepic mit vollem Umfang die Torlinie überschreitet oder nicht. Es ist nicht zweifelsfrei auflösen.

 

Szene 5: Bei einem Laufduell zwischen Marvin Pourié (Braunschweig) und Yannik Osée (Meppen) geht der Braunschweiger zu Boden. Elfmeter für den BTSV, entscheidet Schiedsrichter Guido Winkmann. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Meppen ist der Meppener Verteidiger Osée nur auf seinem Laufweg, sodass er überhaupt nicht aktiv ein Foulspiel begeht. Vielmehr läuft Pourié gegen das Bein des Verteidigers und kommt zu Fall. Ob Pourié das absichtlich macht, kann man nicht beurteilen. Was man aber sehr gut beurteilen kann ist, dass nur der Angreifer aktiv eine Bewegung macht und selbstverschuldet einen Kontakt provoziert. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß für Braunschweig zu geben.  

Szene 6: René Guder (Meppen) kommt im Duell mit Robin Ziegele (Braunschweig) zu Fall. Winkmann zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell auf der anderen Seite kommt es diesmal im Strafraum von Braunschweig zum Laufduell zwischen Guder und Ziegele. Ziegele geht mit angelegtem Arm und dem Oberkörper absolut sauber und fußballtypisch gegen Guder zu Werke, Guder nimmt das dankend an und lässt sich fallen. Auch in dieser Szene einen Strafstoß zu pfeifen, ist eine Fehlentscheidung. Bei der Frage, ob ein Foulspiel oder provoziertes Foulspiel im Strafraum vorliegt, haben die Schiedsrichter in dieser Saison regelmäßig Schwächen gezeigt und müssen daran unbedingt arbeiten und sensibilisiert werden.

 

Szene 7: Im Strafraum wird Christian Kühlwetter (Kaiserslautern) von Nicolas Feldhahn (Bayern II) zu Fall gebracht. Schiedsrichter Tobias Reichel lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:25]

Babak Rafati: Im Strafraum von Bayern kommt es zum Zweikampf Feldhahn gegen Kühlwetter, und auch in dieser Szene ist das Zweikampfverhalten absolut sauber und im Bereich des Erlaubten, weil nur der Oberkörper robust eingesetzt wird. Diesmal fällt der Schiedsrichter nicht darauf herein und lässt richtigerweise weiterspielen.

 

Szene 8: Christoph Greger (Unterhaching) geht mit gestrecktem Bein in einen Zweikampf mit Ahmet Engin (Duisburg) und sieht von Schiedsrichter Florian Heft Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: An der Seitenlinie vor den Bänken kommt Greger mit voller Geschwindigkeit, gestrecktem Bein und offener Sohle angesprungen und trifft seinen Gegenspieler Engin völlig unkontrolliert brutal am Fuß und räumt ihn komplett ab. Bei diesem Zweikampf wird die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet. Dieses unnötige Einsteigen hat nichts mehr mit dem Versuch zu tun, den Ball spielen zu wollen. Eine derartig brutale Spielweise kann nur die rote Karte zur Folge haben. Eine Fehlentscheidung, es in dieser Situation nur bei Gelb zu belassen.

Bei so einer rüden Aktion zunächst auf Vorteil zu entscheiden, ist äußerst unglücklich. Danach kann es zum einen zu Revanchefouls kommen, und zum anderen ist vor den Bänken eine besondere Sensibilität gefragt, da alle Beteiligten aufspringen und die Stimmung noch mehr aufheizen.

 

Szene 9: Nach einem Pressschlag von Caniggia Elva (Ingolstadt) kommt der Ball zu Dennis Eckert Ayensa, der zum 2:0 für Ingolstadt trifft. Schiedsrichter Markus Schmidt entscheidet auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:50]

Babak Rafati: Nach diesem Pressschlag stellt sich die Frage, warum der Assistent die offensichtliche Abseitsposition von Eckert Ayensa nicht anzeigt und damit die anschließende Diskussionen auslöst. Eine Erklärung wäre, dass der Assistent nicht wusste, wer den Ball zuletzt gespielt haben könnte, und angenommen hat, dass der Ball vom Gegner kam. Das ist aber in dieser Szene unerheblich. Nur wenn der Ball vom Gegner kontrolliert zum Gegner gespielt wird, wird es so bewertet, dass der Ball vom Gegner kommt und folglich als Nicht-Abseits ausgelegt. In diesem Fall ist es aber ein Pressschlag bzw. eine Abwehraktion. Wenn somit überhaupt eine Berührung vorliegt, ist diese unkontrolliert. Sehr gut vom Schiedsrichter, diesen Irrtum des Assistenten zu erkennen und die schlussendlich richtige Entscheidung zu treffen und den Treffer für Ingolstadt abzuerkennen.

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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