Strittige Szenen am 24. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Treffer von Kaiserslautern und Unterhaching, die verwehrten Elfmeter für 1860 und Magdeburg, der Strafstoß für Magdeburg, der Platzverweis gegen Andreas Müller sowie der erste Elfmeter für Lübeck: Am 24. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de acht Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Eine Flanke von Marlon Ritter verlängert Marvin Pourié mit dem Kopf auf Kenny Prince Redondo, der zum 2:1 für Kaiserslautern trifft. Der Linienrichter zögert zunächst, hebt dann aber die Fahne und entscheidet auf Abseits. Entsprechend gibt Schiedsrichter Nicolas Winter den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: In der Hintertorkamera erkennt man sehr gut, dass die Hacke des Verteidigers näher zur Torraumlinie ("Fünfer") steht, als Redondo. Daher liegt eine Fehlentscheidung vor, diesen Treffer für Kaiserslautern abzuerkennen. Das Problem bei dieser Situation ist, dass der Schiedsrichter-Assistent optisch Redondo eher wahrnimmt und diesen im Abseits sieht, weil dieser räumlich näher zu ihm steht als der Verteidiger. Problematisch ist auch, dass sich die Positionen der Spieler in einem Bruchteil einer Sekunde verschieben und der Assistent schon genug Erfahrung haben muss, um diesen einen Moment der Ballabgabe als Maßstab heranzuziehen. Oft winken Assistenten zeitverzögert, was sich im Nachhinein als falsch herausstellt, weil der erste Eindruck richtig war, wie auch in diesem Fall.

 

Szene 2: Nach einer Flanke von Merveille Biankadi (1860) bekommt Lukas Scherff (Rostock) den Ball im Strafraum an den Arm, Schiedsrichter Jonas Weickenmeier lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: Der Ball wird im Strafraum von Rostock scharf und aus kurzer Entfernung von Biankadi vor das Tor geflankt. Dabei bekommt Scherff Rostock den Ball an den Arm, den er aber deutlich angelegt hat, sodass kein absichtliches Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Sascha Mölders (1860) läuft frei auf das Tor zu, wird aber von zwei Rostockern bedrängt und zu Fall gebracht. Einen Elfmeter gibt es nicht. Auch der Rückpass von Nico Neidhart zu seinem Keeper bleibt ungeahndet. [TV-Bilder – ab Minute 29:20]

Babak Rafati: Die Abwehraktion des Rostocker Verteidigers ist absolut fair, denn er spielt nur den Ball, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, keinen Strafstoß für 1860 München zu geben. In solch einer Aktion, bei der der Verteidiger den Ball vor einem Torschuss klären will, kann man nicht von einem Rückpass sprechen. Hier geht es einzig und allein darum, den Ball zu klären und viel weniger um ein kontrolliertes Zuspiel auf den eigenen Torhüter. Auch hier weiterspielen zu lassen, ist eine richtige Entscheidung.

 

Szene 4: Sören Bertram (Magdeburg) kommt im Strafraum an den Ball und geht im Duell mit Türkgücü-Keeper René Vollath zu Fall, Schiedsrichter Tom Bauer gibt Elfmeter für den FCM. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Nachdem der Ball von der linken Angriffsseite in den Strafraum von Türkgücü gespielt wird, geht Bertram zum Spielgerät und will dieses auf das Tor bringen, verpasst es jedoch. Bei dieser Aktion kommt der Torhüter in den Zweikampf und nachdem der Ball vom Angreifer verpasst wird, trifft er ihn im normalen Bewegungsablauf in typischer Fußballmanier in die Füße und bringt ihn zu Fall. Hätte der Angreifer den Ball nicht verpasst, wäre der Strafstoß sicherlich gerechtfertigt gewesen. Da aber der Ball verpasst wurde, liegt zwar ein Kontakt vor, aber von einem Foulspiel kann nicht die Rede sein. Eine klare Fehlentscheidung ist das zwar nicht, aber es wäre besser gewesen, im Sinne der praktischen Regelanwendung weiterspielen zu lassen. Diesen Strafstoß will auch niemand, selbst die betroffene Mannschaft nicht.

Szene 5: Alexander Sorge (Türkgücü) fälscht einen Schuss von Saliou Sané (Magdeburg) ab, der Yi-young Park (Türkgücü) im Strafraum an Hand prallt – kein Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 54:15]

Babak Rafati: Sorge klärt den Ball am eigenen Strafraum vor Sané und spielt diesen dabei aus sehr kurzer Distanz an die Hand seines Mitspielers Park. Dieser hat hierbei gar keine Chance mehr, dieses Handspiel zu vermeiden. Außerdem ist dieses Handspiel unabsichtlich und zudem hat er den Arm nicht vorher zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 6: Für ein Foulspiel an Filip Kusić (Türkgücü) sieht Andreas Müller (Magdeburg) seine zweite gelbe Karte und damit Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]

Babak Rafati: Kusic klärt den Ball ein paar Meter vor dem eigenen Strafraum und schießt diesen weit weg. Dabei kommt Müller angelaufen, geht mit gestrecktem Bein in den Zweikampf und trifft beziehungsweise touchiert Kusic am Fuß. Auch wenn er ihn nicht voll trifft, was dann eine rote Karte nach sich gezogen hätte, ist dieses Foulspiel gelbwürdig, sodass die Ampelkarte eine richtige Entscheidung ist. So darf ein verwarnter Spieler einfach nicht in den Zweikampf gehen, zumal jeder Spieler solch eine Berührung (in der Luft, gestrecktes Bein, Platzverhältnisse) dankend annimmt und zu Boden geht. Business as usual.

 

Szene 7: Nach einem Luftzweikampf zwischen Tim Knipping (Dresden) und Ersin Zehir (Lübeck) im Strafraum zeigt Schiedsrichter Robert Schröder auf den Elfmeterpunkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Dresden geht Zehir zum Ball hoch und kann ihn zunächst an der Brust abprallen lassen, um ihn anschließend zu kontrollieren. Sein Gegenspieler Knipping will zum Klären zum Kopfball hoch, springt Zehir aber von hinten in den Rücken und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel und somit eine richtige Entscheidung, auf Strafstoß für Lübeck zu entscheiden.

 

Szene 8: Nach einer Ecke trifft Felix Göttlicher zum 1:1 für Unterhaching, allerdings entscheidet Schiedsrichter Robin Braun bei einem Zweikampf im Strafraum auf Stürmerfoul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Nach einer Ecke von Unterhaching stößt ein Hachinger Angreifer am ersten Pfosten einen Saarbrücker Verteidiger klar und deutlich zu Boden, sodass dieser keine Chance mehr hat, den Ball abzuwehren. Den anschließenden Treffer von Göttlicher somit abzuerkennen, ist eine richtige Entscheidung.

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button