Strittige Szenen am 23. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das hohe Bein von Seegert gegen Redondo, das 1:0 von Kaiserslautern, die nicht gegebenen Elfmeter für Kaiserslautern, Magdeburg und Bayern II, der Strafstoß für Verl, das 1:1 von Zwickau sowie die Foulspiele von Ouahim, Landgraf und Coskun: Am 23. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Marcel Seegert (Mannheim) klärt im eigenen Strafraum einen langen Ball, nimmt im Duell mit Kenny Prince Redondo (Kaiserlautern) jedoch das Bein hoch und trifft ihn fast im Gesicht. Schiedsrichter Thorben Siewer lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 20:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf nimmt Seegert das Bein zwar sehr hoch, spielt aber klar den Ball und tritt seinen Gegenspieler nicht. Natürlich ist das Bein sehr hoch und man kann über ein gefährliches Spiel diskutieren, was folglich zu einem indirekten Freistoß für Kaiserslautern führen würde. Allerdings ist der Mannheimer in der besseren Position zum Ball, der zudem Spielobjekt ist. Eine vertretbare Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Wäre Redondo in einer besseren Position zum Ball gewesen, sodass das hohe Bein von Seegert nicht den Ball gespielt, sondern nur die Absicht verfolgt hätte, den Gegner zu hindern an den Ball zu kommen, wäre die richtige Entscheidung ein indirekter Freistoß für Kaiserslautern gewesen.

Szene 2: Eine Kopfball-Verlängerung von Hikmet Ciftci (Kaiserslautern) legt Marvin Pourié im Strafraum auf Hendrick Zuck ab. Dabei kommt es zu einem Zweikampf mit Marco Schuster (Mannheim), der dabei zu Fall geht. Das Spiel läuft weiter und das Tor zählt. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Beim Zweikampf zwischen Pourié und Schuster im Strafraum von Mannheim steht der Angreifer mit dem Rücken zum Tor und legt den Ball für seinen Mitspieler ab, der ins Tor trifft. Dabei steht der Verteidiger hinter ihm und will den Ball per Kopf klären, trifft aber selbstverschuldet statt des Ball den Oberkörper von Pourié und kommt dadurch zu Fall. Das ist kein Foulspiel, sondern eine unglückliche Abwehraktion. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, diesen Treffer anzuerkennen.

Szene 3: Anas Ouahim (Kaiserslautern) geht rüde in einen Zweikampf gegen Gerrit Gohlke (Mannheim), Siewer belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Im Mittelfeld legt sich Ouahim den Ball etwas zu weit vor, grätscht dann zum Ball und trifft dabei nur seinen Gegenspieler Gohlke. Allerdings trifft er ihn nicht voll mit dem Fuß, sondern bringt ihn lediglich gelbwürdig zu Fall, sodass die Entscheidung richtig ist, es bei Gelb zu belassen.

Szene 4: Marius Kleinsorge (Kaiserslautern) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Marcel Gottschling (Mannheim) zu Fall. Statt Elfmeter entscheidet Siewer auf Stürmerfoul. [TV-Bilder – ab Minute 1:33:00]

Babak Rafati: Im Strafraum von Mannheim kommt es zu einem Laufduell zwischen Kleinsorge und Gottschling. Dabei behaken sich beide ein wenig. Dann zieht der Lautrer Stürmer am Trikot des Verteidigers, dieser wiederum will sich das nicht gefallen lassen und grätscht den Angreifer einfach zu Boden. Das Trikothalten des Angreifers ist in der Abfolge vor der Grätsche des Verteidigers das erste Vergehen, sodass bei Vergehen zweier Spieler immer das erste zuerst bezüglich der Spielfortsetzung geahndet wird. Somit eine richtige Entscheidung, auf Stürmerfoul zu entscheiden. Auch wenn zum Beispiel die Grätsche des Verteidigers brutal gewesen wäre, hätte es die gleiche Spielfortsetzung gegeben. Allerdings wäre eine persönliche Strafe – bei brutalem Spiel die rote Karte – fällig gewesen, unabhängig von der Abfolge der Vergehen.

 

Szene 5: Nach einer Ecke bekommt Pascal Sohm (Dresden) den Ball im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Florian Heft pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Der Ball fliegt nach einer Ecke in den Strafraum von Dresden und Sohm will den Ball wegköpfen, verschätzt sich allerdings, nimmt im letzten Moment den Arm zu Hilfe und spielt den Ball mit diesem. Aufgrund der Flugbahn des Balls hat der Verteidiger lange genug Zeit, den Arm wegzuziehen. Das ist ein absichtliches Handspiel und es hätte einen Strafstoß für Magdeburg geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 6: Im Strafraum geht Kasim Rabihic (Verl) in einem Zweikampf gegen Sven Sonnenberg (Rostock) zu Fall, Schiedsrichter Franz Bokop gibt Elfmeter für Verl. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Rabihic dringt in den Strafraum von Rostock ein und spielt seinen Gegenspieler Sonnenberg aus. Der Rostocker Verteidiger grätscht mit dem rechten Fuß zwar ins Leere, trifft den Angreifer aber mit dem Nachziehbein in die Füße, hindert ihn am Weiterlaufen und bringt ihn final zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Strafstoß für Verl zu entscheiden.

 

Szene 7: Nach einer Flanke von Can Coskun trifft Ronny König zum 1:1 für Zwickau. Halle reklamiert Abseits, Schiedsrichter Steven Greift gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:40 / Standbild]

Babak Rafati: Ob König zum Zeitpunkt des Abspiels von Mitspieler Coskun im Abseits steht, ist nicht zweifelsfrei aufzulösen. Eine Sache, die nur von den kalibrierten Linien, wie wir sie vom Videobeweis aus der Bundesliga kennen, aufgelöst werden kann. Selbst mit dem Standbild ist es nicht möglich, weil dieses versetzt ist. Eine Linie von der Seite auf die Aktion wäre hilfreicher. Zudem hat der Ball bei diesem Standbild bereits den Fuß des Flankengebers verlassen. An diesen Parametern erkennt man, wie schwierig Abseitsentscheidungen sind und es sich um Millimeterarbeit handelt.

Szene 8: Der bereits gelb-verwarnte Niklas Landgraf (Halle) geht rüde in einen Zweikampf mit Manfred Starke (Zwickau), kommt aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:50]

Babak Rafati: Landgraf will an der Seitenlinie zum Ball, trifft seinen Gegenspieler Starke allerdings klar von hinten in die Hacken und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel und eine klare gelbe Karte, was in der Konsequenz die gelb-rote Karte gegen Landgraf nach sich ziehen würde. Eine Fehlentscheidung, diese klare Ampelkarte nicht auszusprechen.

Szene 9: Can Coskun (Zwickau) bringt Fabian Menig (Halle) an der Seitenlinie zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:10]

Babak Rafati: Auf der rechten Angriffsseite will Menig seinen Gegenspieler Coskun ausspielen. Dabei kommt dieser angelaufen, trifft Menig nur am Fuß/Knöchel und bringt ihn klar zu Fall. Das ist ein eindeutiges Foulspiel und unterbindet einen sehr guten Angriff. Warum hier noch nicht einmal gepfiffen wird, ist unerklärlich. Zudem ist das eine klare gelbe Karte, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. In solch einer Situation muss aber auch der Assistent, vor dessen Augen das klare Foulspiel passiert, eingreifen und helfen.

 

Szene 10: Dimitri Oberlin (Bayern II) dringt in den Strafraum ein und wird von Peter van Ooijen (Uerdingen) am Fuß getroffen, Schiedsrichter Asmir Osmanagic pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]

Babak Rafati: Oberlin läuft mit dem Ball in den Strafraum von Uerdingen, spielt seinen Gegenspieler van Ooijen aus und läuft an ihm vorbei. Der Verteidiger hat keine Chance mehr den Angreifer zu stoppen, tritt ihm von hinten klar in die Füße und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel, es hätte einen Strafstoß für Bayern II geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Unverständlich, weil der Schiedsrichter freie Sicht aus bester Position auf die Szene hat.

 

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