Strittige Szenen am 12. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Foulspiele von Malachowski, Reinthaler, Obermaier und Stöckner, der verwehrte Treffer von Verl, die nicht gegebenen Elfmeter für Lübeck, Saarbrücken, Uerdingen und Meppen, das 1:0 von Mannheim und die Strafstöße für Köln und Zwickau. Am 12. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Im Laufduell mit Korbinian Vollmann (Rostock) nimmt Adrian Malachowski (Magdeburg) das Bein hoch, trifft seinen Gegenspieler und bringt ihn zu Fall. Schiedsrichter Sven Jablonski lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Vor dem Strafraum von Magdeburg kommt es zum Laufduell zwischen Vollmann und Malachowski. Dabei will Malachowski den Ball klären, trifft aber Vollmann mit dem Fuß am Oberkörper, bringt ihn dadurch aus dem Gleichgewicht und anschließend zu Fall. Hier hätte es einen Freistoß für Rostock und die gelbe Karte gegen Malachowski geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Gelb und nicht Rot deshalb, weil ein weiterer Verteidiger, der noch hätte eingreifen können, mitgelaufen ist und somit keine Torchance vereitelt wird. Der Schiedsrichter ist circa 30 Meter vom Tatort entfernt, sodass er den Vorgang aus der Entfernung nicht sehen und bewerten kann. Der Assistent kann aus seiner Position wegen der Entfernung nur schwierig einen Kontakt wahrnehmen, daher ist der Schiedsrichter gefordert und muss einfach schneller in die "Gefahrenzone."

Szene 2: Max Reinthaler (Rostock) bringt Sirlord Conteh (Magdeburg) im Laufduell kurz vor dem Strafraum zu Fall. Erneut pfeift der Schiedsrichter nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Bei einem Laufduell vor dem Strafraum von Rostock kommt es zu einem Laufduell zwischen Reinthaler und Conteh. Dabei kommt Conteh in eine bessere Position und wird durch Reinthaler nur durch zu Fallbringen gestoppt, indem er den Arm auf die Schulter des Gegenspielers legt und ihn herunterreißt. Das ist eine Vereitelung einer klaren Torchance und hätte somit einen Freistoß für Magdeburg sowie die rote Karte gegen Reinthaler geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Auch hier ist der Schiedsrichter viel zu weit weg vom Geschehen und kann deshalb die Szene nicht bewerten. Diesmal ist aber der Schiedsrichter nicht allein der Schuldige. Hier hätte der Assistent aus seiner Position den Vorgang sehen und seinem Chef auf dem Platz helfen können. In diesem Fall ist nicht wie in der Vorszene ein kurzer Kontakt, der für den Assistenten schwer zu sehen ist, maßgeblich für das Foulspiel, sondern ein Herunterdrücken, und das hätte man sehen können. Womöglich ging dem Schiedsrichter auch durch den Kopf, dass er eine Minute zuvor auf der anderen Seite weiterspielen lassen hat und lässt daher auch in dieser Szene weiterlaufen.

Szene 3: Der kurz zuvor bereits gelb-verwarnte Raphael Obermaier (Magdeburg) hält an den Strafraumgrenze gegen Björn Rother (Rostock) darauf und bringt ihn zu Fall. Jablonski belässt es bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 1:36:55]

Babak Rafati: Bei einem Schussversuch von Rother kurz vor dem Strafraum von Magdeburg will auch Obermaier zum Ball und diesen klären. Dabei ist seine Intention nur, den Ball spielen zu wollen. Dass er dann aber den Angreifer am Fuß trifft, ist unglücklich, jedoch nur mit einem Foulspiel und nicht mit einer Karte zu sanktionieren. Somit eine absolut richtige Entscheidung, es nur bei einer Ermahnung für Obermaier zu belassen.

 

Szene 4: Christopher Lannert leitet eine Hereingabe zu Philipp Sander (Verl) weiter, der zum Ausgleich trifft. Aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition gibt Schiedsrichter Frank Willenborg den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]

Babak Rafati: Man sieht von der Hintertorkamera sehr gut, dass zum Zeitpunkt des Weiterleitens des Balles von Lannert zu Sander ein Verteidiger von 1860 München mit dem rechten Fuß die Abseitsposition aufhebt. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diesen Treffer für Verl abzuerkennen. Der Assistent hat von der Seite sogar einen besseren Blickwinkel als die Hintertorkamera, sodass er das eigentlich hätte sehen und zu einer richtigen Entscheidung kommen müssen.

Szene 5: Julian Stöckner (Verl) bringt Stefan Lex (1860) in aussichtsreicher Position zu Fall, kommt aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Stöckner will den Ball circa 25-30 Meter vor dem eigenen Tor zu seinem Torhüter zurückspielen, trifft jedoch den Ball nicht richtig, sodass Lex in sehr aussichtsreicher Position an den Ball kommt und eine klare Torchance erhält. Stöckner erkennt seinen Fehler, weiß sich aber nur noch durch ein Foulspiel zu helfen und bringt Lex anschließend zu Fall. Zum Zeitpunkt des Foulspiels hat Lex aus zentraler Position einen direkten Zug zum Tor, sodass die beiden anderen Verteidiger nicht mehr hätten eingreifen können. Das kann man sehr gut erkennen, indem man das Standbild zum Zeitpunkt des Foulspiels anhält. Diese optimale Möglichkeit hat der Assistent von der Seite und kann diese sehr gut dem Schiedsrichter mitteilen, der naturgemäß von hinten dieses klare Bild nicht hat. Hier hätte es die rote Karte wegen Vereitelung einer klaren Torchance geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 6: Soufian Benyamina (Lübeck) kommt an den Ball und dringt in den Strafraum ein, wird aber von Anil Gözütok (Kaiserslautern) zu Fall gebracht. Statt Elfmeter entscheidet Schiedsrichter Florian Exner auf Stürmerfoul. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Benyamina wird von einem Mitspieler angespielt und läuft in den gegnerischen Strafraum, um in eine gute Angriffsposition zu kommen. Dabei wirft sich Gözütok einfach in den Laufweg des Angreifers, nimmt zudem das Bein heraus und bringt ihn schließlich dadurch zu Fall. Dass dann der Stürmer auf den Verteidiger fällt, ist logisch. Allerdings geht das Foulspiel vom FCK-Verteidiger aus, sodass es hier einen Strafstoß für Lübeck sowie die gelbe Karte gegen Gözütok hätte geben müssen. Eine verwunderliche Fehlentscheidung, stattdessen auf Stürmerfoul zu kommen.

 

Szene 7: Marcel Costly (Mannheim) geht in ein Laufduell mit Arne Sicker (Duisburg), berührt ihn an den Beinen, bringt ihn damit aus dem Tritt und erobert den Ball. Schiedsrichter Wolfgang Haslberger pfeift nicht. Kurz danach fällt das 1:0. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Duisburg stellt sich Costly gegen Sicker einfach geschickter an und begeht dabei kein Foulspiel. Im Oberkörperbereich ist der Arm angelegt und im Fußbereich sind beide Spieler im normalen Bewegungsablauf, sodass selbst wenn ein Kontakt vorliegen sollte, dieser kein Foulspiel darstellt, vielmehr aus der normalen Bewegung resultiert. Eine richtige Entscheidung, diesen Zweikampf laufen zu lassen und den anschließenden Treffer für Mannheim anzuerkennen.

 

Szene 8: Nach einem Schuss von Mario Müller (Saarbrücken) bekommt Alexander Sorge (Türkgücü) den Ball im Strafraum an die Hand, das Spiel läuft weiter. Kurz danach geht Sebastian Jacob (Saarbrücken) zu Boden, wieder pfeift Schiedsrichter Mitja Stegemann nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:06:00]

Babak Rafati: Müller läuft in den Strafraum von Türkgücü und will den Ball in die Mitte passen. Dabei blockt Sorge den Ball und bekommt diesen aus kurzer Entfernung an den Körper geschossen. Selbst wenn der Ball an die Hand geht, liegt kein absichtliches Handspiel vor. Auch anschließend liegt kein Foulspiel vor, als Jacob zu Boden geht. Vielleicht gibt es einen leichten Schubser, aber selbst dieser wäre nicht ausreichend für einen Strafstoß, sodass in beiden Situationen eine richtige Entscheidung vorliegt, das Spiel weiterlaufen zu lassen.

 

Szene 9: Adriano Grimaldi (Uerdingen) will einen Ball auf das Tor bringen. Niklas Landgraf (Halle) steht im Weg und bekommt das Spielgerät an den Arm/den Ellenbogen. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Eric Müller. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:10]

Babak Rafati: Grimaldi will im gegnerischen Strafraum den Ball vor das Tor bringen. Dabei springt Landgraf hoch, hat den Arm zunächst an den Körper angelegt und in natürlicher Haltung. Allerdings geht er im letzten Moment aktiv mit dem Arm zum Ball und blockt diesen. Das ist ein absichtliches Handspiel und hätte einen Strafstoß für Uerdingen geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung. Für den Schiedsrichter ist dieser Vorgang aus seiner Position sehr schwierig zu sehen, aber hier hätte der besser postierte Assistent mit seitlichem Einblick sehr gut helfen können.

 

Szene 10: Im Duell mit Moritz Kuhn (Wiesbaden) geht René Guder (Meppen) im Strafraum zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Michael Bacher nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Guder kommt im gegnerischen Strafraum zum Torschuss und wird gleichzeitig von Kuhn attackiert. Es stellt sich die Frage, ob diese Aktion ein Foulspiel ist oder nicht. Auch wenn es bei dieser Abwehrattacke von Kuhn zum Kontakt mit dem Gegenspieler kommt, ist diese Spielweise regelkonform. Das sind branchenübliche Szenen, die zum Fußball dazu gehören und zigfach im Spiel passieren. Nicht jeder Kontakt ist gleichzeitig ein Foulspiel. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 11: Michael Seaton (Köln) geht im Strafraum bei einem Duell mit Davy Frick (Zwickau) zu Fall, Schiedsrichter Tom Bauer gibt Elfmeter für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Zwickau kommt es zu einem Luftkampf zwischen Frick und Seaton. Dabei springen beide zum Kopfball hoch, erreichen den Ball aber nicht in gewünschter Form. Dass dabei ein wenig gehalten und gezupft wird, stellt noch kein Foulspiel dar. Wie aber ein Schiedsrichter bei solch einer Aktion auf Strafstoß kommt, ist sehr fraglich. Ein Strafstoß muss klar und deutlich sein, denn man darf nicht vergessen, dass man bei solch einer Entscheidung ein Spiel entscheiden kann. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß zu geben.

Szene 12: Nach einer Flanke in den Strafraum kommt Zwickaus Moris Schröter aus abseitsverdächtiger an den Ball und köpft das Spielgerät in Richtung Tor. Keeper André Weiß kann den Ball nur prallen lassen und bringt Schröter anschließend zu Fall. Es gibt Elfmeter für Zwickau. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Bei der langen Flanke in den Strafraum von Köln hebt Enes Tubluk von Köln die Abseitsposition von Schröter auf, sodass keine Abseitsposition vorliegt. Bei der anschließenden Abwehraktion geht Keeper Weiß ein hohes Risiko ein, hat dann aber das Glück, dass seine Abwehraktion ballorientiert ist und er klar den Ball spielt. Das anschließende Abräumen des Gegenspielers ist dem normalen Bewegungsablauf des Torhüters geschuldet und stellt keinesfalls ein Foulspiel dar. Hätte er den Ball nicht getroffen, wäre diese Aktion natürlich strafbar, aber in diesem Fall ist alles regelkonform. Impuls und Wirkung sind bei der Zweikampfbeurteilung sehr wichtig. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß für Zwickau zu pfeifen.

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

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