Spitzenreiter! Wird Halle die neue Macht in Mitteldeutschland?

Über einige Jahre stellte sich die Frage nach dem sportlichen Größenverhältnis zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem Halleschen FC nicht. Mit Ankunft in der 3. Liga im Jahr 2015 übertraf der FCM den Rivalen von der Saale, stieg in die 2. Bundesliga auf und sah Halle im Mittelmaß versinken. Jetzt hat sich eine ganz neue Gemengelage entwickelt, die so kaum für möglich gehalten worden war.

Es begann mit Tristesse vor viertausend Zuschauern

Seit dem 3:2-Erfolg beim FC Ingolstadt und der kurz darauf folgenden Heimniederlage von Eintracht Braunschweig grüßt der Hallesche FC erstmals in seiner Drittliga-Geschichte von der Tabellenspitze. Für die Saalestädter ist es der Höhepunkt einer grandiosen Entwicklung unter Torsten Ziegner, die ihren Anfang zu Beginn der vergangenen Saison genommen hatte.

Ein kurzer Blick zurück: Mit dem Ende der Spielzeit 2017/18 war Halle auf dem 13. Tabellenplatz angesiedelt – 20 Punkte entfernt von Auf- und Abstiegsplätzen, es war eine wenig spektakuläre Endphase. Es war eine triste Endphase der Saison, in der etwa nur noch 4.400 Besucher die 1:3-Heimniederlage gegen Würzburg sehen wollten, in der der 1. FC Magdeburg als feststehender Aufsteiger triumphal zum Rivalen reiste und noch mit 2:0 gewann. Während der FCM sein Stadion restlos füllte, seine Anhänger entzückte und kaum noch einen Gedanken an den zurückgelassenen Kontrahenten verschwendete, war Halle im Niemandsland.

Ziegner und Heskamp sorgen für den Aufschwung

Dann kam Torsten Ziegner, dann kam Sportdirektor Ralf Heskamp – und mit ihnen der Erfolg. Aus einer durchschnittlichen Drittliga-Defensive, innerhalb derer Halle mit Klaus Gjasula, Erik Zenga und Tobias Müller 2018 noch einige absolute Leistungsträger verloren hatte, wurde ein Bollwerk, das in der gesamten abgelaufenen Spielzeit nur 34 Gegentreffer kassierte und derzeit mit sechs kassierten Toren aus acht Punktspielen den Liga-Bestwert stellt. Obgleich in Moritz Heyer erneut eine absolute Führungskraft den Verein verließ, um höhere Ziele zu verfolgen. Es war selten spektakulär, was Halle in der Vorsaison anbot, aber die taktische Akribie von Ziegner war auf dem Feld zu spüren. 66 Punkte reichten zwar "nur" für Rang 4, die Anhängerschaft aber wurde zurück ins Boot geholt, ihnen eine neue Perspektive vermittelt. Der Hallesche FC ist wieder attraktiv geworden.

Und obgleich in diesem Sommer weitere Spieler den Klub verlassen hatten, die viel Freude bereitet haben – allen voran Marvin Ajani und Braydon Manu – hat Halle den Verlust erneut aufgefangen. Die individuelle Klasse rückt dabei wie bei kaum einem anderen derzeitigem Spitzenteam in den Hintergrund. "Das Team ist der Star", sagte etwa Neuzugang Terrence Boyd. Auch so eine Geschichte: Der US-Amerikaner hatte seit der Saison 2013/14 seinen Torinstinkt verloren, war in Leipzig, Darmstadt und dem kanadischen Toronto nicht glücklich geworden. In Halle blüht er, obwohl erst relativ spät und innerhalb der Saison verpflichtet, sofort auf und könnte zu jenem physisch starken Stoßstürmer werden, den Halle in der Vorsaison nicht hatte. Fünf Tore und zwei Vorlagen in fünf Pflichtspielen sprechen für sich.

Halle überholt mit Anlauf

Aktuell tritt ein Fall ein, der so vor 15 Monaten niemals abzusehen war: Das vermeintlich kleinere Halle läuft dem großen FCM, der nach dem Zweitliga-Abstieg noch nicht richtig in der tieferen Spielklasse angekommen ist, zumindest sportlich den Rang ab. Für die Rivalität, die seit dem Todesfall von Magdeburg-Fan Hannes ohnehin nur noch gedämpft den Weg ins Stadion findet, bedeutet das nicht viel – auch, weil sich der FCM derzeit mehr mit sich selbst beschäftigt als mit seinen Rivalen.

Ein Blick in den Südosten lohnt aber, zumal dort selbst Spieler wie Jannes Vollert, Felix Drinkuth und Julian Guttau, die, bei aller Wertschätzung, bislang wenigen Fußballfans geläufig waren, sich nahtlos ins Kollektiv einfügen. Wohin könnte dieser Weg führen? Vielleicht sogar in die 2. Bundesliga? So konstant gut wie Halle tritt in der 3. Liga bislang jedenfalls kein anderer Klub auf, die Tabellenführung kommt nicht von ungefähr. Erst recht nicht der 1. FC Magdeburg, der derzeit dort steht, wo Halle einst seinen Höhenflug begann: im grauen Mittelmaß.

   
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