Analyse: So lief der Sommer-Transfermarkt in der 3. Liga
Bisweilen war es zäh, dann nahm der Transfersommer in Europa aber noch Fahrt auf: Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Kylian Mbappé waren für die Drittligisten freilich außerhalb des Budgets, doch auch die 20 Klubs der 3. Liga haben zahlreiche Zu- und Abgänge vermeldet. Wer war besonders aktiv, wer zurückhaltend – und welche Profis stechen hervor? Unser großer Überblick.
Zahlen, Daten, Fakten
269 Abgänge stehen 208 externen Zugängen (Leihrückkehrer nicht eingerechnet) gegenüber: Mehr als 13 Profis haben den durchschnittlichen Drittligisten damit verlassen und nur etwa zehn Neue sind hinzugekommen, die Kader wurden kleiner. Verwunderlich ist das nicht, schließlich herrscht nach einem wenig erträglichen Corona-Jahr erst recht in der 3. Liga, die wie kaum eine andere von den Sponsoren- und Zuschauereinnahmen lebt, Sparzwang, oft wurden Kader mit Nachwuchsspielern aufgerüstet.
Spürbar ist der Trend auch insofern, als dass für keinen einzigen Akteur eine aus glaubhafter Quelle bestätigte, nennenswerte Ablösesumme geflossen ist. Die Rubrik "Transferkrösus", die wir in den vergangenen Jahren stets befüllt haben, fällt damit in diesem Sommer flach. Eingenommen haben die Drittligisten dagegen rund 2,5 Millionen Euro – ziehen wir einen großen Transfer der BVB-Reserve ab, die mit ihrem Fundus an Talenten nach Marktwerten schwer mit den etablierten Klubs zu vergleichen ist, bleiben rund 1,8 Millionen Euro.
Die Transferkönige
Wer hat die meisten Spieler verpflichtet? Im Gegensatz zu den Vorjahren blieb der ganz große Umbruch bei den drei Absteigern aus der 2. Bundesliga zumindest bei den Zugängen aus: Zwölfmal schlug der VfL Osnabrück zu, elfmal Eintracht Braunschweig und zehnmal die Würzburger Kickers. Statt Quantität wurde auf Qualität gesetzt, schließlich holte etwa Osnabrück in Andrew Wooten und Aaron Opoku, Braunschweig in Maurice Multhaup, Bryan Henning und Benjamin Girth sowie Würzburg in Marvin Pourie sehr namhafte Akteure.
An der Spitze liegt ein Aufsteiger-Duo des Vorjahres, das unterschiedlichere Strategien kaum verfolgen könnte: Türkgücü München holte bei seinen 17 Neuen einen bunten Mix aus jungen, aber auch erfahrenen Spielern, um damit das Ziel des Zweitliga-Aufstiegs anpeilen zu können. Mergim Mavraj, Albion Vrenezi, Philip Türpitz, Paterson Chato und jüngst der bundesliga-erfahrene Törles Knöll aus dem kroatischen Belupo untermauern die Ansprüche des süddeutschen Migrantenvereins. Der SC Verl griff anders zu, holte mit kleinerem Etat etliche Spieler aus der Regionalliga – aber in Cyrill Akono, Routinier Mahir Saglik und Steffen Schäfer punktuell auch Profi-Erfahrung. Insgesamt kommt der Sportclub auf 18 Neue.
Allerdings haben zwei Verler Spieler, Linksverteidiger Migel-Max Schmeling und Stürmer Valdrin Mustafa, ihre Verträge bereits wieder aufgelöst. Ähnliches passierte übrigens beim 1. FC Saarbrücken mit dem nicht spielberechtigen Brasilianer Bruno Soares.
Die Zurückhaltenden
Dass es auch anders geht, bewies mal wieder der TSV 1860 München, der weiterhin auf Kontinuität setzt und seinen im Vorjahr erfolgreichen Kader nur marginal veränderte: In Yannick Deichmann, Marcel Bär und Kevin Goden kamen nur drei neue Spieler, alle aber mit dem Potenzial für die Startformation, in der sich Deichmann und Bär schon regelmäßig befinden. Auch die lediglich vier Abgänge der Löwen "toppt" kein anderer Verein.
Abseits der Sechziger hat jeder andere Drittligist mindestens sechs externe Verstärkungen verpflichtet: Auf ein halbes Dutzend kommt die Reserve des SC Freiburg, sie aber hat durch vereinsinterne Wechsel noch etliche weitere Spieler aus der U19 "befördert". Mit jeweils acht Transfers folgen Waldhof Mannheim, der Hallesche FC, der 1. FC Kaiserslautern, der SV Meppen, Viktoria Berlin, der TSV Havelse und Borussia Dortmund II – der BVB ebenfalls exklusive interner Ergänzungen aus der A-Jugend.
Die meisten Abgänge
Schauen wir noch kurz auf die Klubs, die sich der meisten Spieler entledigt haben. Die Zweitliga-Absteiger kommen auf 19 (Osnabrück, Braunschweig) respektive 20 (Würzburg) abgegebene Profis – ein Wert, mit dem der SC Verl (ebenfalls 19) mithalten kann. Relativ groß war der Kaderumbruch auch beim 1. FC Magdeburg, der genauso wie Türkgücü München 17 Spieler verabschiedete. Und auch der MSV Duisburg legte nach einer für ihn unbefriedigenden Vorsaison den Rotstift an, trennte sich von 17 Akteuren.
Die teuersten Transfers
Wie angekündigt, können wir auf der Zugangsseite in diesem Sommer keine klar kommunizierten Ablösen genannt werden, auch wenn mancher Transfer gewiss nicht ganz ohne Freigabesumme vonstattenging. Bei den Abgängen kassierte der BVB II für Chris Führich gleich 700.000 Euro – allerdings hatte der im Vorjahr schon für Abnehmerklub SC Paderborn leihweise gespielt. Kurios: Führich wechselte im gleichen Transferfenster für geschätzte 2,5 Millionen Euro weiter zum VfB Stuttgart, auch Paderborn profitierte also kräftig.
Dahinter sortieren sich die Transfers von Etienne Amenyido, Jakov Medic und Marin Sverko ein. Erstere bescherte dem VfL Osnabrück und dem SV Wehen Wiesbaden jeweils rund 400.000 Euro vom FC St. Pauli. Auch Sverko war dem niederländischen FC Groningen diese Summe wert. Für den 32-jährigen Ridge Munsy erhielten die Würzburger Kickers von Hansa Rostock noch rund 300.000 Euro – kein schlechtes Geschäft aus Sicht der Unterfranken.
Die neuen Stars
Ob Mike Wunderlich, Louis Samson, Marc Schnatterer oder Dennis Erdmann: Viele bekannte Namen haben entweder ligaintern die Seiten gewechselt oder sind in die 3. Liga zurückgekehrt. Manche wie Marcel Risse (Köln) und Jean Zimmer (FCK) wurden nun zudem von ihren Klubs fest verpflichtet. Schauen wir aber auf die, die mit dieser Spielklasse Neuland betreten. Osnabrücks noch verletzten Andrew Wooten zum Beispiel, der in 169 Zweitliga-Spielen 52 Mal traf, aber noch nie eine Etage tiefer vor den Ball getreten hat. Den mehrjährigen dänischen Erstliga-Mittelfeldspieler Bjarke Jacobsen, der nun beim SV Wehen Wiesbaden seinen festen Platz vor der Abwehr gefunden hat.
Sogar 255 (!) Mal ist Außenverteidiger Daniel Buballa vor seinem Wechsel zu Viktoria Köln in der 2. Bundesliga allen voran für den FC St. Pauli aufgelaufen. Nichts aber übertrifft die geballte Erfahrung von Marco Höger, der nach 159 Erst- sowie 69 Zweitligaspielen bei Waldhof Mannheim der neue Schlüssel im Mittelfeld werden soll. In Marc Schnatterer haben die Kurpfälzer zudem noch einen weiteren bekannten Namen verpflichtet, schließlich war der gebürtige Heilbronner stolze 13 Jahre für den 1. FC Heidenheim aktiv und absolvierte in dieser Zeit 457 Spiele.
Der Wandervogel
Ganz zum Schluss küren wir noch den Wandervogel, der nicht unbedingt die meisten Karrierestationen, wohl aber die abwechslungsreichsten aufweisen kann. Wäre er spielberechtigt gewesen, wäre der Titel wohl an Saarbrückens Bruno Soares gegangen, der bereits in Brasilien, Kasachstan, Norwegen, Israel und Malaysia professionell Fußball gespielt hat. So bewirbt sich ein Außenverteidiger des MSV Duisburg: Rolf Feltscher, in der Schweiz geborener Venezolaner, führte das Schicksal in die italienische Serie A, zurück in die Schweiz, ein erstes Mal zum MSV in die 3. Liga, dann nach Spanien, Wales, die USA und über die Würzburger Kickers zurück an die Wedau. Und mit 30 Jahren ist die Karriere noch längst nicht vorbei…
Nicht unerwähnt bleiben soll hier auch der 38-jährige Mahir Saglik. Er kam zwar außerhalb Deutschlands "nur" nach Österreich, Ungarn sowie in die heimische Türkei – dafür aber hat er stolze 23 (!) Wechselbewegungen in seiner Vita stehen. Mehr bietet keiner.