Saisonprognose #5: TSV 1860, Ingolstadt, Aue, Dynamo

Es wurde Zeit: Der Saisonauftakt steht vor der Tür, und wir gehen mit einem hochspannenden Teilnehmerfeld auf die Reise durch das bereits 15. Jahr in der 3. Liga. Wer wird oben mitspielen, wer muss den Abstieg befürchten? Wer überrascht und wer enttäuscht? In fünf Teilen unterzieht liga3-online.de alle Teams dem großen Check. Heute steht der krönende Abschluss an: die drei Absteiger sowie 1860 München.

Sportliche Lage: Zweimal wurden die Löwen zuletzt Vierter, im dritten Jahr kann und darf das nicht mehr genügen an der Grünwalder Straße. Auch wenn die Rückkehr an die historische Spielstätte vor einigen Jahren gewisse infrastrukturelle Grenzen mit sich brachte, die Arena offensichtlich zu klein ist für die gewaltige Fanszene, lechzen die Löwen nach mehr. Michael Köllner hat sich als Trainer ein besonders stabiles Fundament geschaffen, findet auch ein – zumindest im Vergleich zu früheren Jahren – beruhigtes Umfeld vor, was in der Vergangenheit alles andere als ein Selbstläufer war. Wen auch immer man in der 3. Liga fragt: Sechzig hat im Rennen um die vorderen Plätze jeder auf der Rechnung – es gilt nur, endlich eine Saison konstant durchzuspielen und mehr Zähler aus den Spitzenspielen zu holen.

Transfers: 1860 hat sich auf nachgewiesene, gehobene Drittliga-Qualität fokussiert und diese auch gefunden. Nicht jeder bringt eine Garantie zum Schlüsselspieler mit sich. Braunschweigs Martin Kobylanski etwa kommt mit brillanter Schusstechnik und Ballverarbeitung, er kann aber an schlechten Tagen auch in Unauffälligkeit verharren. Von Verteidiger Jesper Verlaat wird einiges erwartet, er hätte von Mannheim wohl auch zu einem Zweitligisten gehen können. Gleiches gilt für Joseph Boyamba, der ebenfalls aus der Kurzpfalz zu Sechzig kam. Albion Vrenezi ist zweitliga-erfahren, Christopher Lannert ein ganz solider Außenverteidiger, der in Verl stets gesetzt war. Rückkehrer Tim Rieder kann vor der Abwehr abräumen, ist beim Publikum beliebt. Auch von Fynn Lakenmacher und Meris Skenderovic erhoffen sie sich in Giesing einiges. Bleibt die Frage: Ist es überhaupt möglich, dass Duo Richard Neudecker (Saarbrücken) und Dennis Dressel (Rostock) in der Mittelfeld-Schaltzentrale gleichwertig zu ersetzen? Hier müssen die langfristigen Nachfolger erst gefunden werden.

Vorbereitung: Gleich acht Testspiele vereinbarten die Löwen, einmal mussten sie Haue einstecken: Borussia Mönchengladbach siegte klar mit 6:0. Dafür wurde unter anderem Zweitligist Karlsruhe mit 4:0 distanziert, auch die zwei 1:1-Remis im österreichischen Trainingslager gegen Ried und Linz waren ordentliche Ergebnisse. Am heutigen Freitag kommt Newcastle United zum letzten Schaulaufen vor dem Start.

Prognose: Mit der Mittelfeld-Frage klärt sich, ob 1860 München ein Topfavorit oder bloß ein Aufstiegskandidat ist, denn in den übrigen Mannschaftsteilen – allen voran dem Sturm mit Torschützenkönig Marcel Bär, so er denn bleibt, und Stefan Lex – ist Sechzig herausragend besetzt. Platz 1 bis 4.

 

Sportliche Lage: Der direkte Wiederabstieg der Ingolstädter stand lange fest, unnötig war er dennoch – irgendwie wirkte der FCI überhaupt nicht vorbereitet, ging die Zweitliga-Rückkehr geradezu naiv an. Bezeichnend, dass er in diesem Sommer nominell stärkere Transfers tätigt als im vergangenen! Nun: Natürlich sind die Schanzer im Vergleich zu vielen Konkurrenten durch Hauptsponsor "Audi" finanziell auf Rosen gebettet, werden damit aus Sicht der vielen zuschauerstärkeren Traditionsvereine zum unangenehmen Antagonisten. Nicht zu verhehlen ist die Erfahrung auf den Führungspositionen: Rüdiger Rehm kennt das Spannungsfeld zwischen zweiter und dritter Liga von so mancher Station, Dietmar Beiersdorfer als Geschäftsführer ist ein Name für sich. Einer mit dieser Vita wird sich nicht dauerhaft mit der 3. Liga anfreunden.

Transfers: Mit einem Angebot, das so kaum abzulehnen war, sicherte sich Ingolstadt Sandhausens Torjäger Pascal Testroet – angeblich soll eine mittlere sechsstellige Summe an den Zweitligisten geflossen sein. Auch die Verpflichtung Maximilian Dittgens vom FC St. Pauli, hier ließ Rehm wohl seine langjährigen Kontakte spielen, ließ aufhorchen: Herausragende Qualität für diese Liga und zwei Toptransfers dieses Sommers. Aufgestockt wird der Kader des Absteigers, der auch etwa 20 Abgänge (darunter Filip Bilbija, Fabijan Buntic, Thomas Keller) verkraften musste, mit bewiesener Drittliga-Klasse wie Mannheims Marcel Costly und Würzburgs David Kopacz, dem besten Fußballer der erschreckend schwachen Kickers-Vorjahreself. Neuer Stammkeeper wird Marius Funk, gekommen von Bundesliga-Absteiger Fürth. Den Saisonstart verpasst er allerdings verletzungsbedingt. Gehen könnten noch Verteidiger Visar Musliu und Talent Merlin Röhl.

Vorbereitung: Eichstätt (1:0), Pipinsried (3:1) und Rain/Lech (2:2) aus der Regionalliga Bayern standen auf dem Programm, dazu der Schweizer Zweitligist FC Lugano (1:0). Stärkster Kontrahent war die SpVgg Greuther Fürth, die dann auch mit 3:1 siegte. Die Generalprobe an diesem Freitag steigt gegen Viertligist Ulm.

Prognose: Platz 1 bis 5. Dieser FC Ingolstadt ist dazu gedacht, um die Meisterschaft mitzuspielen – allein Mittelfeldstütze Denis Linsmayer kommt auf 269 Zweitliga-Einsätze, sein Verbleib ist ein Zeichen. Eines von vielen Beispielen für das Selbstverständliche: Ingolstadt muss hoch, allerdings ist noch fraglich, ob der erneuerte Kader sofort den Zusammenhalt anderer Teams entwickelt.

 

Sportliche Lage: Das 17. Zweitliga-Jahr seit 2003 blieb aus, weil die Sachsen viel zu viele falsche Entscheidungen trafen, sich nicht nur auf der Trainerposition schwere Fehlgriffe leisteten, sondern auch ihren Kader überschätzten – und Torjäger Pascal Testroet völlig unnötig ziehen ließen. Präsident Helge Leonhardt und Bruder Uwe sind trotzdem unangefochten, ihre Unternehmensgruppe aus der Automobilbranche macht sie seit vielen Jahren zu finanziellen Gönnern des Klubs – ohne die Leonhardts läuft nichts in der nicht unbedingt wirtschaftsstarken Region. Sie entschieden auch, dass Pavel Dotchev, zuletzt Sportchef und Interimstrainer, trotz seiner Verdienste um den FCE Anfang Juni seinen Posten räumen mussten. Aufbruch allerorts heißt es im Erzgebirge, und dazu gehört mit Bayreuths Aufstiegstrainer Timo Rost auch ein neuer Mann an der Seitenlinie.

Tramsfers: Bis auf das nur um einen neuen dritten Mann ergänzte Torwartteam – Vereinsikone Martin Männel bekommt mehr und mehr Druck von Ersatzkeeper Philipp Klewin – gab es in allen Mannschaftsteilen angesichts von 16 Zugängen große Umbrüche. Hervorzuheben unter den Neuen: Das Duo Steffen Nkansah (Innenverteidiger) und Marco Schikora (defensives Mittelfeld) aus dem nahen Zwickau, dem Rollen als Stammspieler zugetraut werden sollten. Auch Ulrich Taffertshofer (Osnabrück, Mittelfeld) soll die nötige Mentalität in die Arbeiterregion bringen, Stürmer Elias Huth an seine Torquote der Rückrunde – damals noch beim Halleschen FC – anknüpfen. Für Stress sorgten die Verpflichtungen der Offensivspieler Ivan Knezevic und Tim Danhof, die Rost aus Bayreuth mitbrachte. 17 Spieler ließ Aue ziehen. Ben Zolinski, John-Patrick Strauß, Prince Osei Owusu und Patrick Ballas zählen zu denen, die in der 2. Bundesliga unterkamen. Drei weitere Spieler sollen noch gehen, auf der anderen Seiten will der FCE noch ein bis zweimal zuschlagen und weitere Qualität gewinnen.

Vorbereitung: 29:0! Hieß es gegen Kreisligist SV Leukersdorf, höher gewann keiner – natürlich ist das mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Aue testete stets gegen niedrigklassigere Gegner, gewann gegen Meuselwitz (3:2), dazu gab es überzeugende Siege gegen Lok Leipzig (4:0) und den Berliner AK (4:0), Greuther Fürth II schaffte ein 2:2-Remis. Auf die Drittliga-Qualität lassen sich da nur begrenzte Rückschlüsse ziehen.

Prognose: Von den allesamt gut aufgestellten Zweitliga-Absteigern hat Erzgebirge Aue noch den schwächsten Kader. Daher wurde über Saisonziele bislang nur defensiv gesprochen. Platz 3 bis 7 wird Aue definitiv anpeilen können, sofern Rost seine Qualitäten als Regionalliga-Coach auf höherem Niveau bestätigt.

 

Sportliche Lage: Es ist ein unrühmlicher Titel, doch Dynamo Dresden ist die einzige Mannschaft im deutschen Profifußball, die nach sechseinhalb Monaten im Jahr 2022 immer noch keinen Pflichtspiel-Sieg eingefahren hat. Die wortwörtlich erfolglose Rückrunde führte erst zum Aus von Aufstiegscoach Alexander Schmidt, dann scheiterte auch der Ex-Verler Guerino Capretti. Und wieder misslang der Versuch, mal länger als ein, zwei Jahre in der 2. Bundesliga zu spielen – das sollte zu denken geben. Nun also die Wiedervereinigung eines Duos, das einst in Kiel Erfolge feierte: Sportchef Ralf Becker holte gegen alle Widerstände Markus Anfang als neuen Coach. Nun ist abzuwarten, wie der aufgrund seiner Impfpassfälschung strafrechtlich aufgefallene Anfang seine sportliche und mediale Rehabilitation vorantreibt. Fachlich hätte Dynamo unter anderen Umständen wohl kaum die Chance gehabt, als Drittligist einen Trainer dieser Kategorie zu verpflichten. Einer, der nur zum Ziel Wiederaufstieg passt.

Transfers: Außergewöhnlich für einen Klub der 3. Liga sind die Summen, die sich Dresden mit Spielerverkäufen sicherte: Die Stürmer Ransford Königsdörffer (HSV) und Christoph Daferner (Nürnberg) hatten gültige Verträge für die tiefere Spielklasse und wurden für insgesamt mehr als zwei Millionen Euro verkauft. Geld, das angesichts ordentlicher Finanzzahlen auch reinvestiert werden darf. Bislang läuft bei den Zugängen eine Verjüngungsmission: Claudio Kammerknecht (SC Freiburg II, 23) kämpft sofort um einen Platz in der Innenverteidigung unter anderem mit Eigengewächs Kevin Ehlers, der kürzlich verlängert hat. Flügelstürmer Christian Conteh (21) ist von Feyenoord Rotterdam ausgeliehen und kündigte sofort an, aufsteigen zu wollen. Jan Shcherbakovski (HFC, 21), Leipzig-Leihstürmer Dennis Borkowski (20), der nach Leihe fest verpflichtete Mainzer Jonathan Meier (22) und Keeper Stefan Drljaca (BVB II, 23) entsprechen diesem Kurs. Doch Ausnahmen sind erwünscht: Stefan Kutschke weiß, wie ein Zweitliga-Aufstieg funktioniert und soll auf seine alten Tage wie 2016/17 nochmal zum Torjäger für Schwarz-Gelb werden. Und Ahmet Arslan, kürzlich ausgeliehen aus Kiel, bringt Kreativpotenzial. Bedarf besteht noch auf den Außenverteidiger-Positionen sowie im Sturm.

Vorbereitung: Vor den letzten Prüfungen am Samstag gegen den tschechischen FK Teplice sowie Sonntag gegen Oberligist Neugersdorf hat Dynamo ein kleines Offensivproblem zu lösen, denn gegen Borussia Dortmund (0:2), St. Truiden aus Belgien (0:0) und Heidenheim (0:1) gab es jeweils kein eigenes Tor. So bleibt der 3:1-Sieg über Fünftligist Auerbach vorerst der einzige, halbwegs aussagekräftige Erfolg dieser Vorbereitung. Treffer en masse fielen beim 21:0 gegen den Zuger SV aus der Kreisliga.

Prognose: Dynamo Dresden will aufsteigen und, das ist der gleiche Stand wie vor einigen Jahren, gehört auch nicht in die 3. Liga. Es wird aber Gründe geben, warum das Etablieren in der höheren Etage nicht gelingen mag. Es sollte mit Trainer Anfang und diesem Kader – zehn ordentliche Zweitliga-Spieler wie Paul Will, Panagiotis Vlachodimos und Patrick Weihrauch sind ebenfalls geblieben – trotzdem reichen, im Fahrstuhl wieder nach oben zu fahren. Platz 1 bis 4.

 

Weiterlesen:

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button