Rot-Weiss Essen: Das neue Problem ist die Vorwärtsbewegung

Den ersten Saisonsieg zu veredeln, hat Rot-Weiss Essen verpasst. Auch, weil die Ausrichtung am Freitagabend in Osnabrück zurückhaltender kaum hätte sein können. Im Umfeld ist das Stirnrunzeln zurück, denn spätestens nach den umfangreichen Verstärkungen zum Transferschluss ist diese Mannschaft für den Abstiegskampf viel zu gut besetzt.

Auftaktprogramm war eigentlich machbar

Es kann kein leichter Job sein, einen Aufsteiger zu betreuen, der sich – da kann er sich nach außen hin noch so demütig geben – mit Ankunft in der 3. Liga schon zu Höherem berufen ist. Was soll Rot-Weiss Essen auch anderes verkörpern? Da marschiert ein Fußballverein aus einer 600.000-Einwohner-Stadt mit einem modernen, mindestens zweitligatauglichen Stadion und einem beeindruckenden Zuschauerschnitt heran und will sich mit Oldenburg, Bayreuth oder Elversberg vergleichen, nur weil die aufgestiegen sind? RWE muss mindestens ins Mittelfeld, eigentlich in die obere Tabellenhälfte und perspektivisch sogar heran die Aufstiegsränge, das Geld dazu ist da, die Spieler mittlerweile auch.

Ein Sieg aus acht Partien kann da niemanden zufriedenstellen, natürlich nicht. Platz 16 ist auch angesichts der Tatsache, dass das bisherige Auftaktprogramm kein überdurchschnittlich kompliziertes war und die drei Schlusslichter Aue, Bayreuth und Dortmund II beinhaltete, zu wenig. Ein Fakt, an dem Trainer Christoph Dabrowski zu nagen hat. Dabei ist es nicht so, dass dieser sein Lehrgeld nicht sinnvoll investiert hätte: Was bekamen die Essener am ersten Spieltag von der SV Elversberg auf die Mütze, damals unwissend, dass diese unscheinbaren Saarländer noch manch anderes Kaliber erlegen würden.

Das 1:5 war der Fehlstart, der zur raschen Kursanpassung führte: weg vom offensiven, mutigen und von Dabrowski favorisierten Ansatz, der die Mannschaft in der Rückwärtsbewegung aber wiederholt überforderte und zu zwei hohen Heimniederlagen führte. Elf Bälle holte Keeper Jakob Golz in den ersten drei Saisonspielen aus dem Netz, in den folgenden fünf waren es nur noch sechs Gegentreffer. Defensiv passt es mittlerweile, auch wenn das erste Zu-Null-Spiel weiter auf sich warten lässt. Nur: Zu welchem Preis ist das geschehen? Beim 0:1 in Osnabrück erspielte sich Essen kaum noch eine Torchance: ein Kopfball nach Freistoß, ein spätes Abseitstor, das deutlicher kaum hätte sein können. Sonst nichts.

Unausgewogene Besetzung

So ordentlich RWE im Spiel war, die Harmlosigkeit war eklatant. "Wir haben keine Chance kreiert, dann wird es schwierig, ein Tor zu machen", sagte Dabrowski – und hatte damit wohl die Großmutter aller Fußballweisheiten zitiert. Hatte ihn das gewundert? Nicht nur das massive 5-3-2. in dem sich durchaus überraschend Flügelflitzer Isaiah Young auf der linken Seite wiederfand, machte den Rot-Weißen das Leben in der gegnerischen Hälfte schwer. Auch das Dreier-Mittelfeld, konstruiert mit Clemens Fandrich, Niklas Tarnat und Felix Götze, war eine Liebeserklärung an das 0:0, das so lange wie möglich gehalten werden sollte.

Ohne den derzeit verletzten Thomas Eisfeld, der eine kreative Rolle zumindest in Teilen ausfüllen kann, gibt es niemanden, der im Zentrum des Spielfelds organisieren, geschweige denn dirigieren kann. Am Ende der gestörten Nahrungskette hungerten schließlich sowohl der wuselige Lawrence Ennali, insbesondere aber Torjäger Simon Engelmann, der in der gesamten Spielzeit ohne echten Arbeitsnachweis blieb. Im Essener Umfeld werden solche Spiele üblicherweise nicht reihenweise verziehen. Medial wird genau darauf geblickt, was an der Hafenstraße die hohen Erwartungen verfehlt – der Boulevard zögerte auch nach dem Osnabrück-Spiel in den ersten Einordnungen nicht davor, die Zukunft Dabrowskis in Frage zu stellen, weil es in Essen eben immer schon so war.

Anders sah es zuletzt Sportchef Jörn Nowak, der den 44-jährigen Übungsleiter bei "MagentaSport" noch vor dem ersten Saisonsieg gegen Aue als "sehr, sehr akribischen Trainer" bezeichnete – und zugleich als "die ärmste Sau". Ein Seitenhieb an die Spieler, die in den Vorwochen nicht unschuldig waren an der Situation von RWE, mal patzte ja die Abwehr, mal der Torwart. Wer aber in der Branche zuerst seinen Hut nehmen muss, weiß man gerade am Standort Essen ganz genau. Montagabend gegen den 1. FC Saarbrücken braucht Dabrowski trotz der gegnerischen Stärke kein Mauerwerk, sondern eine ausgewogene Leistung. Nur ein Team, das mindestens zu Nadelstichen gegen den FCS in der Lage ist, kann seine Position akut und entscheidend stärken.

   

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