RB Leipzig: Visionen oder Kommerz?

Die letzte Nachricht, die in den vergangenen Tagen über RasenBallsport Leipzig publik wurde, hat das ganze Dilemma erklärt, unter dem der Regionalligist seit seiner Gründung im Jahr 2009 leidet: Akzeptanz. Eine Tugend, die man sich nicht erkaufen kann, denn auch die Fans des potenziellen Testspielgegners Erzgebirge Aue haben nicht einsehen wollen, warum sie gegen die „Kommerzkicker“ kicken sollten. Dieser Verein spaltet die deutsche Fußballwelt – es bleibt die Frage: Warum?

Ziel: Bekanntheitssteigerung

Grundsätzlich kann man die Intention vom Weltunternehmen Red Bull aus dem österreichischen Salzburg durchaus positiv sehen. Mit gezieltem Sponsoring im Spitzensport, wie in diesem Fall beim deutschen Verein RB Leipzig, soll auch die Markenbekanntheit des Brauseherstellers exorbitant gesteigert werden. Zum Teil gelungen ist dieses ambitionierte Ziel schon mit den Teams Red Bull New York und vor allem Red Bull Leipzig, wo mit viel Geld in Spitzenteams der hiesigen Liga investiert worden ist. Die größte Aufmerksamkeit erzielt jedoch ohne Frage der erfolgreiche Rennstall Red Bull Racing, wo der Australier Marc Webber und vor allem der deutsche Doppelweltmeister Sebastian Vettel den Namen Red Bull bekannt gemacht haben.

Kann man sich Tradition kaufen?

In der weltweit beliebtesten Sportart – dem Fußball – soll auch im fußballverrückten Deutschland ein erfolgreicher Verein aufgebaut werden, der als langfristiges Ziel auch in der deutschen Bundesliga eine bedeutende Rolle spielen soll. Die Bekanntheit soll in Deutschland gesteigert werden. Dies sind die Visionen, doch bekanntlich ist der Weg zum Erreichen dieses Ziels meist steinig und schwer. Eine Frage, die immer wieder auftaucht, ist die, ob man sich Tradition erkaufen kann. In Deutschland genießen Traditionsvereine absoluten Kultstatus. Neureiche Klubs wie die TSG 1899 Hoffenheim, der FC Ingolstadt oder nun auch RB Leipzig werden extrem skeptisch betrachtet, weil die Kommerzialisierung vor allem bei der immer mächtiger werdenden Ultravereinigung ein absoluter Dorn im Auge ist. „Künstlich“ entstandene Vereine werden häufig diffamiert und nicht als gleichwertig angesehen, weil es der ungeliebte, moderne Fußball ist. Die Fans sind für den Erhalt der 50 + 1 Regel.

Ursprung im Jahr 2009

Am 19. Mai 2009 wurde dieses in Deutschland einmalige Projekt "RB Leipzig" gegründet. Ursprünglich sollte das Spielrecht von Sachsen Leipzig übernommen werden, doch die traditionsbewussten Fans wehrten sich vehement dagegen, sodass stattdessen das Startrecht des SSV Markranstädt aus der Oberliga übernommen worden ist. So gingen die ersten drei Männermannschaften und der Fünftligist in die Verantwortung des neuen Vereins über, der schon damals bundesweit kontrovers diskutiert worden ist. Zumindest sportlich agierte der RasenBallsport e.V. äußerst zielstrebig und schaffte schon nach der Premierensaison den Sprung in die viertklassige Regionalliga Nord, wo man in der Spielzeit 2010/11 den vierten Platz belegte, während eine Spielzeit später immerhin ein dritter Tabellenplatz herausgesprungen ist.

Personalkarussel dreht sich schnell

Jeweils ist man nur denkbar knapp am gesteckten Ziel, dem Aufstieg in die 3. Liga, gescheitert. Ehrgeiz ist eine Tugend, die auch die RB-Bosse angetrieben hat, und so drehte sich munter das Personalkarussel bei den Bullen. Erst wurde Tomas Oral auf den Cheftrainerposten der Leipziger gehoben, dann durch den österreichischen Coach Peter Pacult ersetzt. Inzwischen hat Alexander Zorniger das Kommando übernommen, er ist seit Anfang Juli Coach der Leipziger. Auf dem Managerposten haben schon ehemalige deutsche Nationalspieler wie Dietmar Beiersdorfer und Thomas Linke gewirkt. Von der enormen Spielerfluktuation ganz zu schweigen, denn Akteure wie Timo Rost und Ingo Hertzsch versprühten Glamour im biederen Viertliga-Fußball. Nun gibt es mit Akteuren wie Tim Sebastian (ehemals Rostock), Christian Müller (früher FSV Frankfurt) und vor allem dem ehemaligen österreichischen Nationalspieler Roman Wallner, der vom „großen Bruder“ Red Bull Salzburg in die sächsische Metropole gewechselt ist, sogar potenzielle Zweitliga-Spieler im Kader der Leipziger.

WM-Stadion als Heimstätte

Alles ist eben ein wenig professioneller beim wirtschaftsstarken Leipziger Verein, ob das WM-Stadion, welches über eine Kapazität von über 44.000 Zuschauern verfügt, oder das hochmoderne Nachwuchsleistungszentrum. Dazu äußert sich auch Ralf Rangnick: „Dort wollen wir die besten Talente des Landes ausbilden. Das setzt voraus, dass man auch die besten Nachwuchstrainer hat und ein entsprechendes Scoutingsystem entwickelt mit einem Plan, welche Art von Spieler man sucht“, so der Sportdirektor. Die Konkurrenz ist häufig über diesen finanziell übermächtigen Gegner erzürnt, da mit „ungleichen Waffen“ gekämpft werde, so der klare Vorwurf der Konkurrenz, die mit Halbprofis gegen Spieler antreten, die ein Vielfaches mehr verdienen und über Erfahrung in den ersten drei Spielklassen und zum Teil sogar über Länderspielpraxis verfügen. RB Leipzig als Bayern München oder Hoffenheim der vierten Liga zu bezeichnen, wäre definitiv falsch. Während Bayern München durch kluges Management über Jahrzehnte zum reichsten Verein Deutschlands geworden und die TSG 1899 durch den Idealismus seines Mäzens Dietmar Hopp bis in die Bundesliga vorgestoßen ist, geht es bei RasenBallsport Leipzig um die Ambitionen eines Weltunternehmens.

„Leipziger Filiale“

Von Salzburg aus ist auch die „Leipziger Filiale“ geleitet. Als Global Sport Manager wurde kein Geringerer als der Franzose Gérard Houllier verpflichtet. Neue Machtbefugnisse hat seit Kurzem der ehemalige Bundesliga-Trainer Ralf Rangnick, der auch für Leipzig seine Einflüsse spielen lässt und bei der Trainerwahl Alexander Zorniger ein gehöriges Wörtchen mitgesprochen hat. Dieser Zorniger soll also im dritten Anlauf den ersehnten und irgendwie auch erkauften Aufstieg in die Drittklassigkeit bewerkstelligen. Rangnick hat jedoch auch erstklassige Ziele im Kopf, wie er preisgibt: „Langfristig gesehen ja. Was in Hoffenheim möglich war, ist auch hier möglich. Wenn wir an den richtigen Dingen gemeinsam arbeiten, dann ist es für mich keine Frage, ob Leipzig in der Bundesliga spielen wird, sondern nur wann. Wir müssen aber einen Schritt nach dem anderen machen.“

Prominente Spieler

In diesem Jahr scheint der Kader – zumindest bisher – sehr gut zu harmonieren. Mit Akteuren wie den Schweizer Keeper Fabio Coltori, der aus Lausanne verpflichtet worden ist und mit den Abwehrspielern Tim Sebastian, Juri Judt, Umut Kocin, Niclas Hoheneder oder auch Lars Müller ist die Defensive mit Erfahrung und Klasse bestückt. Das Mittelfeld gestaltet sich als nicht weniger prominent, ob Thiago Rockenbach, Bastian Schulz, Dominik Kaiser oder Sebastian Heidinger. Allesamt haben auch schon höherklassig ihr Können eindrucksvoll demonstrieren können. Im Angriff gibt es mit Roman Wallner , Daniel Frahn, Timo Röttger und Carsten Kammlott ebenfalls eine exzellente Auswahl.

Starke Vorbereitung

Insgesamt hat RB Leipzig ein Team zusammengestellt, welches auch in diesem Jahr wieder als Topfavorit auf den Aufstieg gezählt werden kann. Personell kann kein Team eine ernsthafte Konkurrenz darstellen. Letztlich können sich die Leipziger nur selbst schlagen. Zumindest die Zahlen aus der bisherigen Vorbereitung lesen sich wahrlich beeindruckend. In neun Tagen gab es 17 Trainingseinheiten, in denen es zwei Siege in drei Testspielen gegeben hat. Dabei wurde ein imposantes Torverhältnis von 18:1 erspielt. Auch der „Bullen“-Trainer Alexander Zorniger ist derzeit begeistert, wenn er gegenüber der "Bild" über sein Team spricht: „Wir entwickeln uns kontinuierlich. Die Jungs verinnerlichen das System schneller, als es damals in Großaspach ging.“

Stammformation wird noch gesucht

Auf die Frage, ob er sich bei diesem reichhaltigen Aufgebot schon für eine Stammmannschaft entschieden habe, antwortet der ehemalige Trainer von SG Sonnenhof Großaspach: „Leider nein. Aber in den nächsten Tests werde ich nicht mehr komplett durchwechseln. Ich will schnell ein Gerippe haben.“ Auch wenn Sportdirektor Ralf Rangnick eine Verstärkung für die linke defensive Seite angekündigt hat, so kann Zorniger diese Meinung nicht unbedingt teilen: „Kein Bedarf! Juri Judt und Paul Schinke machen einen guten Job. Mit mehr Spielern steigt auch die Zahl der Unzufriedenen. Und wir haben ja auch noch die U19 und die U23.“

Möglichkeiten sind da

Immer wieder geht es um Ralf Rangnick, der in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" über die Kommunikation mit Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz erklärt: „In dem Gespräch wurde schnell klar, dass in beiden Vereinen weitgehend unabhängig voneinander gearbeitet wurde. Wir haben darüber gesprochen, wie man eine einheitliche Philosophie finden und Synergien nutzen könnte.“ Bei diesem wohl interessantesten Projekt im deutschen Fußball bleibt unweigerlich die Frage, ob zuviele Köche nicht den Brei verderben. Die Möglichkeiten sind definitiv da, sie sollten jedoch auch genutzt werden. Oder, um in der Kochsprache zu bleiben: die Zutaten sind da, das notwendige Rezept muss jedoch erst noch geschaffen werden.

Quellen: bild.de, welt.de

   
Back to top button