Kommentar: Für den VfL Osnabrück läuft die Uhr
Großes Aufatmen beim VfL Osnabrück. Die Saison 2017/2018 kann endlich abgehakt werden – sie wird gewiss keinen ruhmreichen Platz im Archiv bekommen. Nur: Wann richtet der VfL auch für die Öffentlichkeit ersichtlich den Blick nach vorne? Wann wird Hoffnung für die nächste Saison und vor allem eine echte Zukunftsperspektive vermittelt? Gibt es überhaupt eine? Ein Kommentar.
Jedes Jahr in der 3. Liga verschlimmert die Lage
Es lässt sich dem VfL Osnabrück wahrlich nicht vorwerfen, dass er nicht alles versucht. Alles, um Jahr für Jahr irgendwie die Zulassung für die 3. Liga zu erhalten, obgleich zuletzt jede Saison mit einem dicken Minus im meist siebenstelligen Bereich abgeschlossen wurde. Aber auch alles, um seinen Fans zumindest einen Funken Hoffnung zu erhalten, dass es einen Ausweg aus dem Teufelskreis gibt. Dass sich die Lila-Weißen aus der Schlinge, die sich immer fester zuzieht, doch noch befreien können. Geschäftsführer Jürgen Wehlend ließ sich in einer Pressemitteilung mit den Worten zitieren, dass man die 2. Bundesliga nicht aus den Augen verliere. Nur der Weg dorthin werde eben ein anderer.
Dass man im kommenden Jahr wohl einer der letzte Verein ist, der als Aufstiegskandidat gehandelt wird, ist jedem an der Bremer Brücke klar. Es ist gut und richtig, den einzigen Ausweg dennoch genau so zu formulieren: Nur die zweite Liga könnte diesen Verein schließlich noch finanziell sanieren. Jedes weitere Jahr in der 3. Liga wird die Lage verschlimmern und den kreativen Spielraum verkleinern, Gelder aufzutreiben und so die Liquiditätslücken doch noch zu füllen. Der Abstieg in die Regionalliga Nord käme derweil dem Worst Case gleich. Was dann mit diesem Verein passieren würde, ist nur zu spekulieren – vielleicht verschwände er für lange Zeit von der nationalen Bildfläche.
Ganz nebenbei ist diese Zielausgabe die einzige Chance, Zuschauer zu halten. Der Rückgang der Besucherzahlen war in dieser Rückrunde nicht mehr zu erkennen, so gerade hielt der VfL noch einen Schnitt von 8.000 Fans – 1.200 weniger als in der Vorsaison. Dass sich die desaströsen vergangenen Monate im Dauerkartenverkauf für das kommende Jahr auswirken werden, ist sehr wahrscheinlich. Dazu kommt die Maßnahme, die Stehplatztribüne im Westen künftig nur noch bei ausgewählten Spielen zu öffnen. Das spart Personalkosten. Aber es stieß bei vielen Fans auch merklich sauer auf. Einige kündigten an, ihre Saisonkarte nicht verlängern zu wollen. Wem will man das übelnehmen?
Ein dickes blaues Auge
Zwölf Spieler haben die Niedersachsen zu diesem Zeitpunkt unter Vertrag. Einer davon bekommt den Stempel "Neuverpflichtung" und ist gleichzeitig ein echter Hoffnungsträger: Felix Schiller, der sich beim 1. FC Magdeburg einen Heldenstatus erarbeitet hat und ein wahrer Mentalitätsspieler ist. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Schiller später zum Kapitän ernannt wird – so eine Figur braucht dieser VfL, bei dem so viele andere Spieler beim Versuch, eine Führungsrolle zu übernehmen, gescheitert sind. Nur: Schiller ist verletzungsanfällig. Auch Engel, Renneke, Susac, Zorba, Dercho, Danneberg, Klaas, Heider, Alvarez und Steffen Tigges haben einen gültigen Vertrag, Felix Agu kommt aus der Juniorenabteilung. Vielleicht kommt noch die eine oder andere Vertragsverlängerung hinzu. Insgesamt aber wird den VfL Osnabrück ein personeller Umbruch erwarten, der so gewaltig wird wie seit dem Zweitliga-Abstieg 2011 nicht mehr.
Da passt es gar nicht so richtig ins Bild, dass der Trainer an Bord bleibt: Daniel Thioune, der zu Beginn seiner Amtszeit im vergangenen Spätherbst einige richtig starke Heimspiele präsentierte. Da glaubten viele wieder an ihren VfL und auch an die Spieler. Einiges deutete auf eine versöhnliche Saison hin. Doch in der Rückserie haperte es gewaltig, von Partie zu Partie wirkte das Gespann aus Mannschaft und Trainerteam weniger fähig, den Abwärtstrend noch stoppen zu können. Das Ergebnis sind zwölf Spiele ohne Sieg und eine absolut abstiegsreife Saisonbilanz. Wohlwissend, dass Vereine 2016 mit 43 Punkten abgestiegen sind, durfte Lila-Weiß froh sein, mit 37 Punkten und einem dicken blauen Auge davongekommen zu sein.
Es muss vieles richtig laufen
Das Vertrauen in Thioune ist weiterhin da und wird auch öffentlich formuliert. Auch er hat einen langfristigen Vertrag bekommen, obgleich der VfL damit zuvor keine guten Erfahrungen gemacht hat. Er hielt vielleicht zu lange an Joe Enochs fest, der sich wie Thioune schon zu Spielerzeiten einen besonderen Status aufgebaut hatte. Nun muss Osnabrück aufpassen. Zweimal der gleiche Fehler könnte teuer werden. Eine verzwickte Lage, in die sich der Verein gebracht hat – und unter der Thioune auch noch zu leiden hat. Er weiß doch überhaupt nicht, wie konkurrenzfähig die neue Mannschaft sein wird. Wird es mangels finanzieller Möglichkeiten ein besseres Himmelfahrtskommando, ähnlich wie in Erfurt oder Chemnitz? Oder kann Sportchef Benjamin Schmedes mit wenig Budget Volltreffer landen?
Die Uhr läuft, und sie läuft unerbittlich gegen den VfL. Es muss eine Menge richtig laufen, damit sich Osnabrück 2018/2019 aus seinen Sorgen befreit. Selbst wenn das gelingt, wäre etwa das Erreichen der oberen Tabellenhälfte ein Achtungserfolg. Ob das aber reicht, um den Verein vor dem wirtschaftlichen Kollaps zu bewahren, ist fraglich.