Kommentar: Eintracht Braunschweig sendet ein Alarmsignal

Auf mehrere Millionen Euro soll sich das Minus von Eintracht Braunschweig nach Ablauf der ersten Drittliga-Saison seit acht Jahren belaufen – diese Schreckenszahlen musste die Vereinsführung im Vorfeld der Hauptversammlung vermelden. Das Schlimme daran ist: Dass diese Nachricht kommen würde, war absehbar. Die Frage war nur noch, wann die Hiobsbotschaft eintreffen würde. Ein Kommentar.

Was kann man der Eintracht vorwerfen?

In Schadenfreude üben können sich Fans in der Regel ziemlich gut. Und so trudelten auf die Nachricht, dass die ruhmreiche Braunschweiger Eintracht nicht nur sportlich schwankt, sondern auch finanziell arg ins Taumeln geraten ist, die gewohnten hämischen Kommentare ein. Ist das angebracht, oder sollte nicht lieber eine gemeinsame Allianz gebildet werden, um verstärkt auf die wiederkehrenden Probleme in der 3. Liga aufmerksam zu machen? Eintracht Braunschweig befindet sich auf gutem Wege, sich in die immer größer werdende Liste von Drittligisten einzureihen, die vor dem Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis in einer immer noch strukturell unterfinanzierten Spielklasse kollabieren können. Die letzte Insolvenz liegt noch nicht lange zurück, erst in der vergangenen Spielzeit traf es den Chemnitzer FC als auch Rot-Weiß Erfurt. Doch ein Beispiel von der Strahlkraft des BTSV ist ein anderes Kaliber. Es könnte den deutschen Profifußball aufwecken wie der Niedergang von Alemannia Aachen im Jahr 2013 – ohne den Teufel verfrüht an die Wand zu malen.

Eintracht Braunschweig hat in den vergangenen Jahren nicht über die Verhältnisse gelebt oder gar Erfolg auf Pump finanziert. Sie haben im Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit 2013/14 versucht, die Pfennige an die Seite zu legen, sie konnten im Abstiegsjahr aus der Zweitklassigkeit einen hohen Gewinn verbuchen – auch dank ausbleibender Leistungsprämien, aber allen voran, weil solide gewirtschaftet wurde. Vielleicht waren die Verantwortlichen zu vorsichtig, als sie im vergangenen Winter auf Verstärkungen verzichteten. Allerdings war das Abstiegsszenario zu dem Zeitpunkt längst nicht so absehbar wie etwa in der aktuellen Saison. Vielleicht waren sie zu human, als sie trotz absehbarer Mindereinnahmen auf Mitarbeiterentlassungen verzichteten. Kann man ihnen das vorhalten?

BTSV hätte kurz vor dem Aufstieg an den Abstieg denken müssen

In der Saison 2017/18 kassierte Eintracht Braunschweig aufgrund der guten Platzierungen der Vorjahre TV-Einnahmen in Höhe von ziemlich genau 14 Millionen Euro. Ein Jahr darauf reduziert sich der Betrag auf 1,2 Millionen – weniger als zehn Prozent der ursprünglichen Einnahmen. Selbst der Rettungsschirm von 600.000 Euro, den die anderen Zweitligisten spontan über den Absteigern aufspannten und auch in der aktuellen Spielzeit wieder ausschütten werden, half nur bedingt. Und während die erste Säule, auf denen ein gut finanzierter Verein steht, dramatisch wegbricht, können die ebenfalls rückläufigen Zuschauerzahlen als zweite und annehmbar geringeren Sponsoren-Erlöse als dritte Säule in der tieferen Spielklasse das bestimmt nicht kompensieren. Drei, vier Millionen Euro Minus sind für Absteiger in die 3. Liga ein fast schon üblicher Betrag. Man blicke zurück auf Karlsruhe, auf Paderborn, auf Bielefeld. Oder man schaue rüber zum 1. FC Kaiserslautern.

Ein Zweitligist müsste jeden seiner Spieler, die auf gut dotierten Verträgen sitzen, mit einer Auflösungsklausel für den Abstiegsfall ausstatten, damit diese Gehälter in der 3. Liga nicht den Klub ruinieren. Das würde einerseits dazu führen, dass der eine oder andere Akteur gar nicht erst unterschreiben würde. Andererseits kann gerade der Eintracht, die ein Jahr zuvor noch in der Relegation um die Bundesliga spielte und die Planungen entsprechend ausrichtete, schwer vorgeworfen werden, zu diesem Zeitpunkt nicht dreigleisig geplant zu haben. Es kam viel Pech, gepaart mit wenigen, dafür haarsträubend falschen Entscheidungen an der Hamburger Straße zusammen. Und doch darf das kein Grund sein, dass ein über mehrere Jahre solide aufgestellter Zweitligist nach einem halben Jahr in der 3. Liga bereits seine finanzielle Hilflosigkeit offenlegen muss.

Eine Aussage, die Hoffnungslosigkeit und Ängste schürt

Denn was sollen die Fans nun anfangen mit der Aussage, ein weiteres Jahr in der 3. Liga wäre unter den aktuellen Bedingungen nicht zu stemmen? Eintracht Braunschweig liegt 22 Punkte hinter einem Aufstiegsplatz. Und aktuell sind sie Letzter, mit acht Zählern Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz. Soll das Konstrukt BTSV, mit zahlreichen Mitarbeitern, mit Nachwuchsleistungszentrum, mit 25.000-Zuschauer-Stadion etwa in der Regionalliga Nord plötzlich Millionengewinne einfahren? Es wird selbst bei Klassenerhalt personelle Einschnitte geben müssen, denn ewig kann das Eigenkapital die Ausgaben nicht abfedern. Es wird langjährige Mitarbeiter ärger treffen als Spieler, die von Klub zu Klub ziehen. Umso weiter entfernt ist aber die Aussicht auf eine Rückkehr in die Zweitklassigkeit, und damit die Hoffnung, die Schieflage zu beseitigen. In Braunschweig kann nur noch die Angst regieren.

Man möge der Eintracht nur noch die Daumen drücken, dass der Worst Case in den kommenden Jahren gar nicht erst eintritt – und die finanziell fehlgeplante 3. Liga dem nächsten Klub das Grab schaufelt.

   
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