Kommentar: Beim FCM muss es jetzt unbequem werden
So geht es nicht weiter: Der 1. FC Magdeburg rutscht mehr und mehr in den Abstiegskampf, schon am Wochenende wartet das erste "Sechs-Punkte-Spiel". Was braucht es nun, eine Trainerdiskussion? Nein, sondern zunächst eine Mannschaft, die sich gegen den besorgniserregenden Abwärtstrend wehrt. Ein Kommentar.
Wie viel Gegenwind verträgt der Klub?
Klein ist es geworden, das Selbstvertrauen der "Größten der Welt". Ein Pünktchen brachten die ersten drei Versuche nach der Winterpause nur mit sich, es verbietet sich, von einem Trainereffekt zu sprechen. Claus-Dieter Wollitz hat einen holprigen Start hinter sich, spätestens nach dem 0:2 gegen den SV Meppen am Wochenende hält beim 1. FC Magdeburg der Abstiegskampf Einzug. Es ist viel zu früh, um den Coach schon wieder in Frage zu stellen, und es wäre das ganz falsche Zeichen. Möglicherweise fehlen dem Klub für dieses Szenario, für das sich jemand, der aus der 2. Bundesliga kommt, natürlich kaum rüsten wird, nun die Spielerpersönlichkeiten. Zumindest nach individueller Qualität sollte sich in Magdeburg diese Frage gar nicht erst stellen. Doch darum geht es nach sechs sieglosen Spielen und drei Heimpleiten am Stück längst nicht mehr. Die Frage ist: Wie viel Ungemütlichkeit, wie viel Gegenwind verträgt der Klub?
Wer den Schaden hat, braucht für Spott meist nicht zu sorgen. Die schon beim überraschenden Trainerwechsel breit geäußerte Kritik am plötzlichen Kurswechsel, das lässt sich jetzt konstatieren, war berechtigt, denn der Sinneswandel hin zu kurzfristigeren Aufstiegsambitionen fliegt dem 1. FC Magdeburg gegenwärtig krachend um die Ohren. Hätte man das vorhersehen können? Nein, dafür ist der Fußball ein viel zu empfindliches Konstrukt – schon eine andere Wendung im Heimspiel gegen Zwickau hätte vieles verändern können.
Es braucht Persönlichkeiten
Die Gesamtkonstellation aber kann nun klar umrissen werden: Eine Mannschaft, die nach dem in der Hinrunde Gezeigten offenkundig Zeit für die Entwicklung brauchte, hat diese zunächst nicht erhalten und kämpft mit diesen Erwartungen. Die neue Gefahr des Abstiegskampfs sorgt für noch mehr Druck. Ob der Kader diesem mental gewachsen ist? Fraglich. Dabei ist es nun so wichtig, dass Magdeburg wieder unbequem für seine Kontrahenten wird. Dafür muss er keinem Gegner Knochen brechen. Aber Meppen ging beim 2:0-Sieg in der MDCC-Arena mit vier gelben Karten nach Hause, die Gastgeber handelten sich keine Verwarnung ein. Dabei hatten sie bei beiden Gegentoren so viele Möglichkeiten, die Niedersachsen fair oder per Foul am Kombinationsspiel zu hindern.
Jedem FCM-Fan werden wohl einige Spieler einfallen, die für diese schwierige Situation wie gemacht scheinen. Das Problem: Keiner von ihnen gehört mehr dem Magdeburger Kader an. Christopher Handke, Nils Butzen, Jan Löhmannsröben, Marius Sowislo, Felix Schiller – aus verschiedensten Gründen wie Alter, Verletzungen oder schlicht begrenzter spielerischer Fähigkeiten sind diese Persönlichkeiten beim 1. FC Magdeburg teils schon seit einigen Jahren Geschichte. Jetzt aber, in diesen Tagen, vor diesem so wichtigen Spiel gegen den formstarken Chemnitzer FC könnte Magdeburg zwei, drei dieser Männer gebrauchen, die Identifikation schaffen. Die als sinnbildliche Leuchttürme stehen in den stürmischen, schwierigen Zeiten am Heinz-Krügel-Platz. Die Gegnern Respekt förmlich aufzwängen und eine taumelnde eigene Mannschaft stabilisieren können. Oder wie es Block U nach dem Spiel gegen Meppen formulierte: "Jetzt zeigt sich, ob ihr Männer seid und den Abstiegskampf annehmt, oder ob ihr 'Mädchen' seid."
Ein Teufelskreis
Überhaupt: Chemnitz, was ist das für eine Geschichte. Im Mai 2018, es war das letzte Drittliga-Heimspiel in Magdeburg für eine längere Zeit, wurde die Begegnung mit den Himmelblauen zu einer einzigen Party. Die einen schon aufgestiegen, die anderen schon abgestiegen. Mancher fragte sich wohl, wann sehen wir den CFC wieder, wie viele Jahre wird es dauern? Im allerschlechtesten Fall würden die Ost-Traditionsklubs nur eine Saison getrennt verbringen – und genau der ist eingetreten. Runder könnte diese kleine Anekdote gar nicht enden als mit der Tatsache, dass der Chemnitzer FC den FCM mit einem Auswärtssieg in der Tabelle erstmals überholen würde. Unwahrscheinlich ist das nicht, wenngleich den Gästen ihr Superstürmer Philipp Hosiner gesperrt fehlen wird. Und dennoch: Es ist immer noch ein Heimspiel in einem der lautesten Drittliga-Stadien. Ein Heimspiel! Liebe Spieler, zeigt euren Stolz, vor dieser Kulisse spielen zu dürfen!
Selbst an kleinen Faktoren wie dem Hosiner-Ausfall muss sich Magdeburg jetzt aufraffen, Selbstvertrauen tanken, seine fußballerischen Basiszutaten abrufen und irgendwie das Zauberwort Effizienz in die Tat umsetzen. Eine lange Liste, keine Frage. Doch je länger der FCM im Teufelskreis aus tabellarischem Druck, eigener Erwartungshaltung, Unzufriedenheit der Fans und zunehmend verkrampfter Mannschaft gefangen ist, umso länger wird er sich mit dem Szenario Abstiegskampf beschäftigen müssen.