Jurist klärt auf: Auslaufende Verträge doch länger gültig?
Bislang galt: Spätestens am 30. Juni muss die Saison beendet sein, weil an diesem Tag zahlreiche Verträge von Spielern und Trainern auslaufen. Professor Dr. Philipp Fischinger, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Sportrecht an der Uni Mannheim, macht nun aber Hoffnung, dass die Verträge auch darüber hinaus gültig sein könnten.
Verträge nicht an Datum gebunden?
Werden Verträge geschlossen, laufen diese in der Regel bis zum 30. Juni – an diesem Tag endet die laufende Saison. Mit dem 1. Juli beginnt die neue Serie – auch bei den Verträgen. Doch in Stein gemeißelt scheint das Datum keineswegs, wie Fischinger im "Kicker"-Interview erklärt: "Nach meiner Einschätzung enden die Arbeitsverträge (…) nicht mit dem 30. Juni (…). Stattdessen laufen sie bis zum tatsächlichen Saisonende." Der Jurist verweist auf einen Mustervertrag des DFB: "Dort heißt es: 'Der Vertrag gilt […] bis zum 30.6.2020 (Ende des Spieljahres 2019/2020)". Dieser Zusatz zeige, dass der Wille der Vertragspartner darauf ziele, "den Spieler für das gesamte Spieljahr einzustellen". Auch die Interessenlage beider Parteien würden laut Fischinger für diese Vertragsauslegung sprechen.
Darüber hinaus würden die Grundsätze der "Störung der Geschäftsgrundlage" greifen: "Vorliegend gingen beide Parteien irrig von einem Saisonende zum 30. Juni aus und machten diesen Umstand zur Grundlage für die Befristung." Da es dem Verein "durch die schwerwiegend gestörte Geschäftsgrundlage" nicht mehr zumutbar sei, an der Ursprungsvereinbarung festzuhalten, sei der Vertrag deshalb anzupassen. "Maßgeblich ist dabei, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Störung vorausgesehen hätten, also dass sich die Verträge automatisch bis zum tatsächlichen Ende der Saison 2019/2020 verlängern", erklärt der Jura-Professor.
Abstimmung empfohlen
Im Klartext: Fischinger vertritt die Rechtsauffassung, dass sich endende Verträge über den 30. Juni hinaus automatisch verlängern und erst mit "tatsächlichem Saisonende" enden – je nach Konstellation per Vertragsauslegung oder Störung der Geschäftsgrundlage. "Erst am darauffolgenden Tag beginnt dann der Vertrag mit dem neuen Verein." Dennoch empfiehlt der Jurist eine "Abstimmung der Beteiligten" sowie "rechtssichere Vereinbarungen".
Klar ist gleichzeitig: DFB und DFL sind mit Blick auf die Verträge die Hände gebunden: "Verbände haben nicht die Möglichkeit, direkt in die Arbeitsverträge zwischen den Vereinen und Spielern 'hineinzuregieren' und diese 'per Order Mufti' (Anordnung einer vorgesetzten Stelle, Anm. d. Red.) zu verlängern oder auszusetzen." Gleichwohl sei es aber "natürlich möglich" und auch "dringend zu empfehlen, dass die Verbände durch die Verschiebung der Transferfenster eventuelle verbandsrechtliche Hürden für konstruktive Lösungen beseitigen", so Fischinger. Sollte sich die Rechtsauffassung des Jura-Professors bestätigen, könnte die Saison auch über den 30. Juni hinaus verlängert werden. So würde es mehr Spielraum für einen regulären Abschluss der Saison geben.