Atalan im Interview: "Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit"

Ismail Atalan, Trainer der Sportfreunde Lotte, spricht im Interview mit liga3-online.de über das anstehende "Spitzenspiel" gegen Regensburg, die Kader-Zusammenstellung, die Überraschung im DFB-Pokal und verrät, ob er ein Geheimrezept im Umgang mit seinen Spielern besitzt.

[box type="info"]Hintergrund: Trotz seines Status als Trainer-Nobody hat sich Ismail Atalan von den Sportfreunden Lotte in der 3. Liga längst den Respekt seiner Kollegen und zahlreicher Klubs erarbeitet: Er lässt den Dorfverein und Aufsteiger die Liga aufmischen – ohne Stars, und ohne die großen finanziellen Mittel.[/box]

liga3-online.de: Hallo Herr Atalan! Wir treffen Sie kurz vor dem Heimspiel gegen den SSV Jahn Regensburg an. Tabellarisch ist das ein Spitzenspiel…

Ismail Atalan: …das wir aber sicherlich nicht als solches bezeichnen werden! Wir sind ganz okay gestartet und Regensburg sicherlich auch. Nichtsdestotrotz sind beide Mannschaften Aufsteiger. Wir werden uns davor hüten, nun andere Ansprüche oder Erwartungen aufkommen zu lassen.

Beide Teams sind sehr gut in die Liga gestartet. Hat das einzig mit der Aufstiegseuphorie zu tun oder fiel die Eingewöhnung an die neue Spielklasse kürzer aus als gedacht?

Es ist eine Mischung aus beidem. Natürlich ist die Stimmung in der Mannschaft super, wenn man das erste Spiel gleich gewinnt oder im Pokal eine Runde weiterkommt. Von kleineren Rückschlägen wie etwa in Kiel lässt man sich dann nicht mehr so leicht umwerfen.

Noch vor einigen Wochen waren Sie mit der Kaderzusammenstellung unzufrieden, hatten gar Sorgen, „nicht konkurrenzfähig“ sein zu können. Seitdem haben Sie noch einige Verpflichtungen tätigen können. Jetzt ist das Transferfenster geschlossen. Wie lautet ihr Fazit?

Wenn die Langzeitverletzten wiederkommen, dann haben wir 24 Spieler im Kader. Das ist immer noch keine große Mannschaft, zudem haben wir mit Sicherheit die unerfahrenste Truppe der gesamten Liga. Trotzdem helfen uns die Neuverpflichtungen deutlich weiter, bieten sich an und haben sich schnell eingelebt. Ohne sie wäre der Weg ungleich schwerer.

Um den Bogen zu spannen: Sind die SF Lotte nun konkurrenzfähig?

Deutlich mehr als noch vor sechs Wochen in jedem Fall! Ich denke, wir haben auf jeden Fall genug Qualität im Kader, um die Spielklasse halten zu können.

Auswärts lief es zum Saisonstart bekanntermaßen schon richtig gut: In Bremen haben Sie 3:0 gewonnen, beim Chemnitzer FC überraschend mit 1:0 gesiegt. In Kiel gab es zwar eine 1:3-Niederlage, doch ebenso einen wirklich starken Auftritt. Wie stellen Sie ihre Spieler auf den langen Fahrten ein?

Ganz einfach: Sie sollen einfach gar nicht lange darüber nachdenken, wo sie spielen – ob in Wiesbaden oder in Magdeburg, das spielt schließlich keine Rolle. Manchmal sind mehr Zuschauer da, aber warum sollte uns das von unserer Spielphilosophie abbringen? Ob zuhause oder auswärts, wir haben einen genauen Plan und davon bringt uns so schnell nichts ab.

Was Ihnen allerdings bisher noch fehlt, ist ein Heimsieg. Vielleicht würde dieser in der Folge auch noch mehr Zuschauer an das Lotter Kreuz locken.

Wir arbeiten hart daran, unseren Zuschauern einen Erfolg zu bieten – am liebsten schon am Samstag. Gegen Erfurt waren wir schließlich schon ziemlich nah dran, auch wenn das Ergebnis (2:2-Remis nach einer 2:0-Führung der Sportfreunde Lotte, Anm. d. Red.) an dem Tag unter dem Strich in Ordnung ging.

Apropos Heimsieg: So ganz stimmt das ja nicht einmal. Immerhin haben Sie Werder Bremen aus dem DFB-Pokal gekegelt. Was haben Sie eigentlich am Abend nach dem Spiel gemacht? Das muss doch eine riesige Party gewesen sein!

Um ehrlich zu sein: Nein, da war überhaupt nichts. So etwas durften und dürfen wir uns doch in dieser Phase der Saison überhaupt nicht erlauben. Wir sind neu in der 3. Liga und können nur über absolute Konzentration beständige Weiterentwicklung erreichen. Feiern können wir am Saisonende immer noch – wenn es dann etwas zum Feiern gibt.

Wie wird der unverhoffte Geldsegen eingesetzt? Fließt er in die Verstärkung des Kaders?

Bisher machen die Spieler ihre Sache doch gut! Ich habe vollstes Vertrauen in meine Jungs und sehe von weiteren Verpflichtungen ab, solange ich weiß, dass es läuft. Sollte sich das im Laufe der Hinrunde noch ändern, auch weitere Verletzungen können schließlich nie ausgeschlossen werden, dann ist immer noch Zeit, über potenzielle Erweiterungen des Kaders nachzudenken.

In der zweiten Runde des Vereinspokals wartet wieder einmal Bayer Leverkusen, wie bereits letztes Jahr. Ist in diesem Jahr die Sensation möglich?

Möglich ist die Überraschung immer. Eine ganz kleine Chance gibt es, und die wollen wir nochmals nutzen. Wenn du einmal im Pokal angekommen willst, dann möchtest du natürlich so lange wie möglich überleben. Klar ist aber auch: Bayer Leverkusen ist noch einmal eine ganz andere Aufgabe als Werder Bremen. Die können in der Bundesliga oben mitspielen.

Ein völlig anderes Thema bezieht sich auf die Personalie Benjamin Siegert. Lange herrschte Verwirrung darüber, ob er in der 3. Liga noch ein Teil des Lotter Kaders ist. Jetzt spielt er für Tennis Borussia Berlin – ganz glatt verlief der Abschied aber mutmaßlich nicht, oder?

Eigentlich möchte ich darüber gar nicht mehr groß sprechen. Er zieht jetzt in seine Geburtsstadt zurück und kann in seiner Heimat kicken, das ist doch eine schöne Sache. Fußball ist nun einmal oft ein schnelllebiges Geschäft. Wir hatten hier eine gute Zeit miteinander.

Wie lautet eigentlich ihr ganz persönlicher Fahrplan im Trainergeschäft? Sie kommen aus der Kreisliga, haben nie höherklassig gespielt. Nichtsdestotrotz liefern Sie derzeit gute Gründe ab, dass auch große Vereine auf den "Nobody" Ismail Atalan aufmerksam werden.

So etwas würde mir natürlich schmeicheln, das ist doch klar. Und doch weiß ich: Der Weg ist steinig und kann nur über Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit erfolgreich beschritten werden. Ich darf keine Gedanken an die entfernte Zukunft verschwenden, sondern konzentriere mich einzig und allein auf das Hier und Jetzt. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, der sich erst zufrieden gibt, wenn er wirklich alles gegeben hat.

Und mit welchem Platz wären Sie am Saisonende bei den Sportfreunden Lotte zufrieden?

Unsere Ansprüche bleiben bescheiden – das ist die Devise des ganzen Teams und von mir natürlich auch. Sollte mal jemand kurzzeitig abheben, dann hole ich ihn schnell auf den Boden zurück. Eigentlich ist die Truppe aber bodenständig genug. Wir wissen alle, dass für uns auch nach einem guten Start nur der Klassenerhalt von Bedeutung ist. Darauf arbeiten wir hin, dafür wollen wir so schnell wie möglich die nötigen Zähler sammeln.

   

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