Frischer Wind beim FCM: Welche Ziele sind realistisch?

Den Worst Case hat der 1. FC Magdeburg zwar abgewendet, Scherben muss er nach einer schwierigen Spielzeit dennoch zusammenkehren. Aus den personellen Entscheidungen wird man an der Elbe Lehren ziehen. Wie aber gelingt es, dass so schnell wie möglich wieder alle an einem Strang ziehen?

Hoßmang muss sich erst beweisen

Was für eine turbulente Saison: Gekommen als Absteiger, gestartet mit verhaltenen Ambitionen, plötzlich abgestürzt und erst am vorletzten Spieltag gerettet. Der 1. FC Magdeburg hatte so ziemlich alles, nur keine Ruhe. Überhaupt, Ruhe. Gelassenheit. Entspanntheit. Das war doch einst ein schöner Zustand, als jeder im Umfeld wusste: Die Zahnräder greifen ineinander, der gemeinsame Erfolg steht im Vordergrund. In dieser Spielzeit 2019/20, die nicht nur wegen des Coronavirus und seinen herben Auswirkungen auf den Spielbetrieb aus Magdeburger Sicht ganz schnell zu den Akten gelegt werden sollte, passte vieles nicht. Nun wird mit ersten personellen Entscheidungen aufgeräumt. Es soll der erste Schritt sein in eine vielversprechende, eine bessere Zukunft.

Thomas Hoßmang ist der erste Name, an dem sich auch der neue Kurs des FCM ablesen lässt. Mit 53 Jahren mag er vielleicht nicht der typische Drittliga-Neuling auf der Trainerbank sein, aber er verkörpert das, was den 1. FC Magdeburg in der Vergangenheit stark gemacht hat: Stallgeruch, das Wissen um die eigenen Stärken und Schwächen. Magdeburg ist ein Klub, der viel Identifikation verlangt, doch durch diese auch erst zum Erfolg getragen wird. Wer sich dem Verein hingibt, der sieht sein Leistungspotenzial steigen. Zuletzt funktionierte das erst bei Michael Oenning und dann insbesondere unter Claus-Dieter Wollitz nicht mehr. Ersterer trat in die Bigfoot-Abdrücke von Jens Härtel, Letzterer war auch ein wenig Leidtragender der überraschenden Entlassung von Stefan Krämer, mit dem der geneigte FCM-Fan trotz mäßiger Ergebnisse eine Sympathie verband. Hoßmang hat als langjähriger Leiter des Nachwuchsleistungszentrum einen Stein im Brett. Aber: Er muss nun erstmals zeigen, dass er eine Profimannschaft mit ausreichend Anlaufzeit formen und weiterentwickeln kann. Gänzlich ohne Ambitionen wird Magdeburg nicht in die neue Serie gehen. Auf die Bilanz von zehn Punkten aus sieben Spielen und nur einer Niederlage kann man aufbauen.

Der Wunsch von "Block U" wird erfüllt

Nicht mehr mit dabei sein wird Maik Franz. Der Sportchef hat nach zwei Jahren in dieser Rolle, in denen der FCM sportlich bedeutend mehr negative als positive Schlagzeilen schrieb, keinen Rückhalt mehr und nach der Entlassung von Wollitz durch Geschäftsführer Mario Kallnik ohnehin degradiert worden. Vielsagend war die harsche Kritik der mächtigen Ultragruppierung im "Block U", die im März die "fachliche Überforderung" von Franz bemängelten, ihm das Vertrauen entzogen und seine sofortige Freistellung forderten. Auch über Kallnik selbst regte sich zuletzt Unmut. Wer mochte es der Anhängerschaft verdenken? So harmonisch und erfolgreich die Zeit zwischen Dritt- und Zweitligaaufstieg in den Jahren 2015 bis 2018 gewesen sein mochten, so peinlich wäre ein Absturz zurück auf Provinzebene gewesen. Und viel hatte dazu nicht gefehlt!

Am tiefgründigsten muss der 1. FC Magdeburg nichtsdestotrotz seine Leistungen auf dem Rasen, seine Mannschaft, seinen gesamten Kader analysieren. Obgleich am Ende nur drei Punkte zum ersten Abstiegsplatz fehlten, wies der FCM überraschenderweise die zweitbeste Defensive der gesamten Liga auf – weniger als 42 Tore kassierte einzig der FC Ingolstadt (40). Gerade Tobias Müller erwies sich als wichtiges Glied in der Abwehrkette, er zählte gemeinsam mit Jürgen Gjasula und Außenverteidiger Dominik Ernst vor dessen schwerer Verletzung wohl zu den besten Feldspielern im FCM-Kader. Vorne dagegen spielte Magdeburg oft fahrig, Spiele mit fataler Chancenverwertung wechselten sich ab mit Tagen, an denen schon im Ansatz wenig gelingen wollte. Die Kantersiege über 1860 München (5:1) und Jena (6:2) blieben zwei von wenigen Ausnahmen – in den übrigen 36 Spielen gelangen den Elbestädtern nur 38 weitere Tore.

Kaderplanung und die Frage nach dem Ziel

Veränderungen im Kader werden kommen, das steht schon fest. Björn Rother wechselt wohl zum alten Mentor Jens Härtel nach Rostock, auch Marcel Costly, Alexander Brunst, Manfred Osei Kwadwo und Charles Laprevotte brechen ihre Zelte am Heinz-Krügel-Platz ab. Was mit Thore Jacobsen und Mario Kvesic geschieht, ist noch ebenso offen wie die Zukunft von Timo Perthel, Patrick Möschl und Tarek Chahed. In Dustin Bomheuer ist ein Defensivmann noch lange verletzt, auch Sören Bertram als quirligster Offensivspieler muss im Sommer erst noch eine schwere Schulterverletzung auskurieren.

Neue Spieler werden kommen, der FCM wird lernen müssen. Vorerst sind Transfers wieder Chefsache, Geschäftsführer Kallnik ist in der Planung. In allen Mannschaftsteilen braucht es Verstärkung – allerdings Spieler, die sich in Magdeburg wohlfühlen, die zum Charakter des Klubs passen und auch in der Lage sind, die jungen Spieler mitzunehmen, etwa einen Julian Weigel, der in seinen Joker-Einsätzen zuletzt gleich unverhofft im Mittelpunkt stand. Fraglos ist das Unterfangen leicht geschrieben, doch unglaublich schwer zu perfektionieren, denn in Magdeburg liegt trotz des Klassenerhaltes einiges im Argen. Das Fehlen der Fans, das sich zumindest teilweise bis in die neue Saison auswirken wird, wirkt sich zusätzlich negativ aus. Magdeburg fehlt sein größtes Faustpfand.

Zu guter Letzt stellt sich die Frage des Ziels, die zuletzt so manches Mal angepasst worden war. Will der 1. FC Magdeburg sich Zeit geben für den Neuaufbau oder mit der Brechstange zurück in die zweite Liga? Sofern er auf den letzteren Kurs aus finanziellen Gründen nicht angewiesen ist, erscheint der erste Weg deutlich nachhaltiger. Und nach dieser Seuchensaison auch realistischer zu vermitteln.

   
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