Ex-Drittliga-Profis: Was macht eigentlich Amaury Bischoff?

Mit 193 Spielen liegt Amaury Bischoff "nur" auf dem 51. Platz des drittliga-internen Rekordspieler-Rankings. Doch das genügte dem im französischen Elsass aufgewachsenen Portugiesen, um der Spielklasse mit Toren und Kontroversen seinen Stempel aufzudrücken. Wir blicken auf Bischoffs Karriere zurück und zeigen, wo er heute kickt.

Daten und Fakten

Wie eingangs erwähnt: 193 Mal ist Amaury Bischoff in der 3. Liga aufgelaufen. Der heute 33-Jährige absolvierte den Löwenanteil dieser Spiele für Preußen Münster. Nachdem ihn der Sportclub im Sommer 2012 vom portugiesischen Zweitligisten Desportivo Aves verpflichtet hatte, bestritt er in der 3. Liga insgesamt 142 Einsätze für die Westfalen. Als er bei diesen in der Saison 2016/17 nicht nur zunehmend an sportlichem Stellenwert verlor, sondern auch auf immer schwierigere finanzielle Rahmenbedingungen traf, wurde der damalige Topverdiener den Preußen zu teuer. Im Winter 2017 suchten sie händeringend einen Abnehmer für den offensiven Mittelfeldspieler – und fanden diesen in Hansa Rostock. Mit 30 Toren und 29 Vorlagen in viereinhalb turbulenten Jahren hatte Amaury Bischoff den Adlerträgern bis dahin seinen Stempel aufgedrückt. Er verbrachte dort die mit Abstand besten Jahre seiner Karriere.

Denn in Rostock konnte Bischoff nicht an alte Form anknüpfen, obgleich der technisch beschlagene Zehner vor der Saison 2017/18 sogar zum Mannschaftsführer bestimmt worden war. Zwei Tore und sechs Vorlagen gelangen ihm in den ersten anderthalb Jahren bei der Kogge, unter Jens Härtel wurde Bischoff im vergangenen, vorerst letzten Drittliga-Jahr zum Schluss der Saison sogar aushilfsweise in die Innenverteidigung beordert – allen voran, um einen geordneten Spielaufbau aufzuziehen. Ein Angebot zur Verlängerung lehnte Bischoff im vergangenen Frühsommer, im Vorjahr war er auf lediglich 14 Einsätze ohne Torbeteiligungen gekommen, ab. Es war ein unauffälliger Abschied eines Profis, der in sieben Jahren 3. Liga viele Schlagzeilen geschrieben hatte.

Seine größten Momente

Als Spielgestalter, Passgeber und Freistoßschütze war Amaury Bischoff gerade zu Münsteraner Zeiten bei Gegnern gefürchtet. Seine ersten beiden Münsteraner Trainer Pavel Dotchev und Ralf Loose schneiderten das Spiel des SCP um ihn herum, gewährten dem offensiven Freigeist die nötigen Räume – und entlasteten ihn weitgehend von der ungeliebten Defensivarbeit. Bischoff zahlte es zurück: Schon sein Debüttor im August 2012 war ein direkter Freistoß, einige weitere sollten folgen. Münster-Fans bleibt sein 2:2-Ausgleich in Chemnitz im Dezember 2012 in Erinnerung: Per Kopf traf der nur 1,77 Meter große Portugiese im Schneetreiben an der Gellertstraße und schmiss sich anschließend mit Wucht in einen Schneehaufen.

Spürbar war seine besondere Motivation bei Derbys. In der Saison 2012/13, in der Münster nur knapp den Aufstieg in die 2. Bundesliga verfehlte, traf er beim 2:0-Auswärtssieg in Osnabrück ebenso wie beim 1:1-Remis bei Arminia Bielefeld. Besonders aber blieb seine Beziehung zu den Niedersachsen, denen der SCP in den Folgejahren immer wieder begegnete. Aus einem dieser Duelle resultierte sein wohl bestes Spiel im Dress der Schwarz-Weiß-Grünen: Im Februar 2015 schoss Bischoff seine Farben zunächst mit einem schlicht genialen Freistoß aus spitzem Winkel in Front, um per Elfmeter nachzulegen. Das Spiel endete 2:0, Amaury Bischoff war der Derbyheld.

Wie er polarisierte

Ja, die Derbys. Sie lieferten damals viel Stoff für Geschichten, längst nicht nur für positive. Im März 2014 ereignete sich der wohl dunkelste Moment, als Bischoff mit gestrecktem Bein in Gegenspieler Tom Christian Merkens hineinrauschte. Ein Fotograf hielt die Szene damals fest, sodass sich noch heute erahnen lässt, unter welcher Gewalteinwirkung Knöchel und Sprunggelenk des damals 24-Jährigen nachgaben. Bischoff wurde vom Platz gestellt und für fünf Spiele gesperrt. Es war eine schwarze Saison für die Nummer 10, die sich insgesamt drei Feldverweise einhandelte.

Am Übeltäter des Fouls, der danach mehrfach um Entschuldigung gebeten hatte, revanchierte sich Merkens im Affekt: Im September 2015, Osnabrück empfing Münster, lief er nach dem Osnabrücker 2:2-Ausgleich und zeitgleich mit dem Schlusspfiff plötzlich in zivil auf den Rasen und schubste seinen Peiniger zu Boden – wilde Szenen, denen wiederum Entschuldigungen des VfL-Präsidiums folgten. Alle Parteien bemühten sich, den Skandal nicht größer zu machen, als er war – weil, so überflüssig Merkens' Aktion auch erschien, für dessen impulsive Reaktion viele Beteiligte im Kern doch Verständnis zeigten. Merkens absolvierte in den folgenden zweieinhalb Jahren nur zwei Kurzeinsätze und gab 2018 sein Karriereende infolge von Verletzungs-Spätfolgen an. Er konnte nicht mehr ohne Schmerzen Fußball spielen.

Auch die Gesamtbilanz erweckt den Eindruck, dass Amaury Bischoff alles andere als ein zahmer Bursche war. Sechs Mal flog er in der Drittliga-Karriere vom Feld, fünfmal zückten Schiedsrichter sofort die Rote Karte. Grobes Foulspiel, Tätlichkeiten, aber auch ein Handspiel auf der Torlinie sorgten für das Sünder-Image, von dem sich der einst beim FC Arsenal ausgebildete Mittelfeldstratege nie so ganz lösen konnte. Dazu gehörte auch, dass auf Fouls gegen ihn oft spitze Schreie und Behandlungspausen folgten. Bischoff provozierte die Verwarnungen seiner Gegenspieler und wurde so in vielen Stadien zum Buhmann der Zuschauer. Selbst seine eigenen Fans goutierten das Image, das sich der ballverliebte Kicker aus Colmar erarbeitet hatte, nicht nur mit Applaus.

Das macht er heute

Heute spielt Amaury Bischoff in der Regionalliga Südwest bei Aufsteiger Bahlinger SC. Dieser hält sich nach zwei Dritteln der Saison auf einem respektablen elften Tabellenplatz und hat gute Chancen, die Klasse zu halten. Bischoff ist in dieser Mannschaft der mit Abstand erfahrenste Akteur, ist allerdings nicht unumstritten gesetzt: In nur acht der 23 Saisonspiele sammelte der Portugiese mehr als 45 Minuten Einsatzzeit. Sein Vertrag läuft bis 2021, die deutsch-französische Grenze ist nur ein paar Fahrminuten entfernt: Gut möglich, dass Bischoff seine Karriere in Bahlingen ausklingen lassen wird.

Während der Spielpause umtrieben den Ex-Drittliga-Profi zuletzt ganz andere Sorgen: Im besonders stark vom Coronavirus betroffenen Elsass sind die Krankenhäuser an den Kapazitätsgrenzen, Bischoffs Mutter infizierte sich selbst mit der Atemwegserkrankung und auch der Fußballer ging für zwei Wochen in Quarantäne. Gegenüber der "Bild" spricht Bischoff von einer "bedrückenden Situation“. Und schickte noch Grüße an seine mehrjährige Heimat: "Ich drücke allen Freunden in Münster fest die Daumen, dass wir uns möglichst bald gesund wiedersehen."

 

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