Eintracht Braunschweig: Löwen, ihr braucht eine Fellpflege
Willkommen in der 3. Liga, Eintracht Braunschweig. Bitte nehmt unsere ersten Grüße nicht hämisch auf. Viele Drittligisten werden sich darauf freuen, bei Euch gastieren zu dürfen. Euer Abstieg war maximal unglücklich, viele von Euch haben ihn mit Größe akzeptiert. Eins können wir Euch versprechen: Langweilig wird es bei uns nicht. Und wir nehmen euch gerne auf. Ein Kommentar.
Heute vor sieben Jahren…
Die Älteren unter uns Drittliga-Journalisten kennen Euch ja noch. Es fühlt sich Jahrzehnte her an, waren aber tatsächlich die ersten drei Jahre der eingleisigen Staffel. Da habt ihr uns schon einmal bereichert, habt Euch kontinuierlich gesteigert und dann dafür belohnt. Erst wart ihr im Mittelfeld, dann habt ihr den Aufstieg nur ganz knapp verpasst. 2011 war es endlich soweit: Ihr habt Euch aus dem Staub gemacht. Und das auch noch hochsouverän, mit 20 Punkten Vorsprung. Sieben Jahre ist das jetzt her. Ein kurzer Zeitraum, in dem unser Fußball aber so viele Geschichten geschrieben hat. Gegen wen habt ihr damals gespielt? Rot Weiss Ahlen, jetzt Fünftligist.TuS Koblenz, zwischenzeitlich ebenfalls fünftklassig. Burghausen, Offenbach oder Babelsberg, die seit Jahren in der Regionalliga versackt sind. Aber auch Dresden, Regensburg, Heidenheim. Mannschaften, die den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geschafft haben.
Als ihr an jenem 14. Mai 2011, was für ein merkwürdiges Jubiläum das ist, den 1. FC Heidenheim mit 4:0 besiegt habt, habt ihr gejubelt. Und da waren so einige Leute dabei, die am Sonntagnachmittag in Kiel bittere Tränen geweint haben. Euer Kapitän, Ken Reichel. Eure Legende im Mittelfeld, Mirko Boland. Und Dominick Kumbela. Euer damaliger Aufstiegsheld. 19 Tore, 10 Vorbereitungen. Und jetzt quält er sich, will Euch mit seinen 34 Jahren immer noch helfen. Nur reicht es irgendwie nicht mehr, die Spritzigkeit fehlt, die Durchsetzungskraft, die Torgefahr. "Unglücklich" war das meistgenutzte Attribut, wenn seine Auftritte umschrieben wurden. Es war nicht schön, nach Spielen in den Foren und sozialen Netzwerken der Eintracht zu lesen. Kumbela war für manche der Sündenbock. Seinen Sonderstatus hat er bei einigen verspielt. Auch der Publikumsliebling ist eines der Gesichter, die Eintracht Braunschweig in die 3. Liga führten.
Torsten Lieberknecht geht unter Tränen
Nicht zu vergessen ist euer Trainer, Torsten Lieberknecht. Vor wenigen Tagen musste er noch irgendwie sein zehnjähriges Amtsjubiläum feiern, als es nichts zu feiern gab – jetzt ist er Geschichte. Er war mitten in seiner letzten großen Mission an der Hamburger Straße, wohlwissend, dass sich jeder Cheftrainer, so sehr er für einen Verein steht und seine Werte verkörpert, irgendwann abnutzen wird. Vielleicht wusste er, dass er scheitern wird. Am Sonntag weinte er hemmungslos. Er war in dem Moment der Coach, mit dem Braunschweig in die 3. Liga gestürzt ist. Irgendwann wird man sich an ihn erinnern als denjenigen, der die Eintracht von der Drittklassigkeit bis in die Bundesliga führte. Ein Tor zum richtigen Zeitpunkt damals gegen den VfL Wolfsburg, und er hätte das Aufstiegswunder nochmal geschafft. Dann würde Braunschweig in diesen Tagen vielleicht den Klassenerhalt in der Bundesliga feiern.
Fußball ist ein grausamer Sport. Den Abstieg hatte in dieser Zweitliga-Saison kein einziger Verein verdient. Nicht der 1. FC Kaiserslautern, der sich bravourös wehrte, selbst als sein Trainer Jeff Strasser mit Herzproblemen sein Amt niederlegen musste. Nicht Erzgebirge Aue, dem das Schicksal am Sonntag einen bösen Streich spielte – mehrfach entschieden die Spielleiter gegen die Veilchen, denen ein Punkt genügt hätte. Doch im Vergleich mit Euch können sie den Worst Case immerhin noch abwenden. Auch ihr habt die 3. Liga nicht verdient. Ihr, die an 33 Spieltagen nicht auf einem Abstiegsplatz standet. Ihr, die weniger Gegentore kassiert habt als Meister Fortuna Düsseldorf, die nicht einmal ein Drittel Eurer Spiele verloren habt und bis zum 32. Spieltag noch ein positives Torverhältnis hattet. Niemand außer vielleicht Euren größten Rivalen hat Euch diesen Abstieg gegönnt. Ihr seid ein sympathischer Verein. Und ihr habt Größe gezeigt.
Fragen, die mit Bedacht beantwortet werden müssen
Größe, weil ihr das Debakel bei Holstein Kiel stillschweigend bis zum Ende mit angeschaut habt. Weil bei Euch niemand über die Strenge schlug, Gegenstände oder zündende Materialien auf das Spielfeld warf oder gar selbst den Platz stürmte. Szenen, die leider üblich geworden sind, weil Fußball so verdammt emotional geworden ist – und weil nicht jeder Stadionbesucher an einem friedvollen Fußballspiel interessiert ist. Auch ihr wart gefrustet. Auch ihr würdet so manchen Spieler am liebsten zum Mond jagen. Aber ihr Fans habt Euch mit Anstand verabschiedet. Leider wird das kaum erwähnt werden.
Liebe Löwen, ihr braucht eine Fellpflege. Ihr müsst die 3. Liga nutzen, um Eure Strukturen zu überarbeiten. Denn nicht nur auf dem Rasen, auch abseits davon ist so mancher entscheidender Akteur schon ein gutes Jahrzehnt oder länger in seinem Posten tätig. Jeder hat seinen Anteil an der Erfolgsgeschichte, die die Eintracht zwischen 2011 und 2015 geschrieben hat. Aber auch seinen Part am so plötzlichen Absturz. Für wen geht es weiter, für wen – neben Lieberknecht – nicht? Eine radikale Veränderung, ist sie überhaupt notwendig? Fragen, die nun mit Bedacht beantwortet werden müssen. Eintracht Braunschweig war nie ein unvernünftiger Klub. Ihr habt in Euren Hochzeiten gespart, habt öfter als viele andere Klubs schwarze Zahlen geschrieben. In der 3. Liga wird dieses Vorhaben schwierig. Aber ihr habt das Zeug, um ohne Risiko eine starke Drittliga-Mannschaft aufzubieten und schließlich den direkten Wiederaufstieg anzupeilen. Macht was draus.