Derbyzeit in Westfalen: Was spricht für Bielefeld? Was für Münster?

Erstmals seit der Saison 2014/15 steigt am Samstag das Westfalenderby zwischen Arminia Bielefeld und Preußen Münster. Als Duell zwischen Zweitliga-Absteiger und Regionalliga-Aufsteiger scheinen die Rollen klar verteilt. Doch es gibt bei beiden Klubs Faktoren, die für ein erfolgreiches Derby sprechen. Die Analyse von liga3-online.de.

Mehr individuelle Klasse: Das lässt sich kaum von der Hand weisen: Zwar kam die Kaderplanung bei Arminia Bielefeld bedingt durch den späten Abstieg nach Relegation sowie die darauffolgende Vorstellung des neuen Sport-Geschäftsführers Michael Mutzel erst spät ins Rollen. Dann aber kamen Spieler, für die ein Verein wie Münster in der Summe über wirtschaftliche Grenzen hätte hinausgehen müssen: Gerade in der Offensive, wo zweitliga-erfahrene Akteure wie Nicklas Shipnoski und Manuel Wintzheimer wirbeln, sowie im Mittelfeld (Nassim Boujellab, Merveille Biankadi) warten einige Unterschiedsspieler. Dass diese trotz erst siebenwöchiger Zusammenarbeit schon gut harmonieren, zeigte zuletzt das Pokalspiel gegen Bochum.

Motivationsschub DFB-Pokal: Nach dem Auftaktspiel in Dresden, das 1:3 verloren ging, wusste bei Arminia wohl noch keiner so richtig, wo der DSC nun steht und wie er einzuordnen ist. Nachdem voriges Wochenende aber Erstligist VfL Bochum in einer 120-minütigen Pokalschlacht inklusive Elfmeterschießen niedergerungen wurde, ist zumindest klar: Diese Spieler geben ihr letztes Hemd für Arminia Bielefeld. Und das war in der Vergangenheit, gerade in der Saison 2022/23, nicht immer so. Nun sorgt der Erfolg wohl für eine kleine Teamprämie, mehr aber noch für ein rasant wachsendes Gefühl des Zusammenhalts. Genau die richtige Ausgangslage für ein solch besonderes Spiel gegen Münster.

Fabian Klos: Während Münsters Kapitän Marc Lorenz bereits angekündigt hat, aufgrund einer hartnäckigen Fußverletzung nur zuschauen zu können, wird sein Gegenüber auf einen Einsatz brennen: Fabian Klos ist der Einzige, der noch aus der Vorsaison übrig geblieben ist, in seinem 13. Jahr nimmt er die Rolle einer lebenden Legende ein. Zuletzt saß Klos im Pokal zunächst nur auf der Bank, war so aber beim Elfmeterschießen noch auf dem Platz und wurde dort als zuverlässiger Schütze seiner Verantwortung gerecht. Dem 35-Jährigen wird es zuteil, seiner ansonsten sehr jungen Mannschaft die Bedeutung des Derbys aufzuzeigen. Siebenmal selbst spielte Klos bereits gegen Münster. Dass er noch nie getroffen hat, soll sich zeitnah ändern.

Taktische Flexibilität: Das Einzige, was bei Arminia klar scheint, ist die Grundformation: Trainer Mitch Kniat setzte zuletzt beständig auf ein 4-3-3, wie er es auch schon in der Vorsaison beim SC Verl tat. Doch steht er ansonsten für Ballbesitzfußball, wich er davon gegen Bochum um 180 Grad ab, ließ lange Bälle nach vorne spielen und verwickelte den Erstligisten in viele unangenehme direkte Duelle. Sein Gegenüber Sascha Hildmann muss sich, obwohl Arminia nun wieder die Favoritenrolle zuteil wird, auf alles einstellen. Zumal sich der DSC im Sommer gezielt mit beidfüßigen und polyvalenten Spielern verstärkte, die die Unberechenbarkeit noch erhöhen.

Heimvorteil: Arminia Bielefeld lebte die vergangenen Jahre in angespannten Stimmungsverhältnissen. Denn die Stimmung in der heimischen Schüco-Arena schlug angesichts dauerhafter Misserfolge gerne mal um, aus Anfeuerung wurden Pfiffe, die unbedingte Überzeugung war nicht da. Jetzt soll mit dem Sieg über Bochum, bei dem die Alm laut Augenzeugen bebte wie lange nicht mehr, die Vergangenheit beiseite geschoben werden. Über 20.000 Tickets sind bereits verkauft, bis zu 25.000 Fans werden erwartet – darunter etwa 3.000 aus Münster. Klar ist: Die Stimmungshoheit wird beim DSC liegen. Und die dann allemal bundesliga-taugliche Atmosphäre kann den einen oder anderen Gast verunsichern.

 

Euphorie eines Aufsteigers: Während sich Bielefeld um Aufbruchsstimmung bemüht, ist die Stadt Münster schon seit mehr als einem Jahr fußballverrückt. Im Frühjahr 2022 setzte ein neues Interesse am Regionalligisten SCP ein, das auch nach dem damaligen knappen Nichtaufstieg nicht abflachte. Als die Adlerträger diesen Auftrag im Folgejahr nachholten, kamen durchschnittlich schon fast 9.000 Zuschauer und damit mehr als in den meisten Drittliga-Spielzeiten der 2010er-Jahre. Auch das Eröffnungsspiel gegen Borussia Dortmund II (0:0), das die Preußen angesichts klarer Überlegenheit hätten gewinnen müssen, war mit fast 12.000 Zuschauern gleich ausverkauft. Selten war die Rückendeckung für den Klub in Münster so einheitlich und so ausgeprägt. Daran würde wohl selbst eine Niederlage in Bielefeld derzeit nicht viel ändern.

Eingespielte Mannschaft: Wie oft war in der 3. Liga genau dieses Kriterium der Trumpf? Münsters Team ist mit einem Gerüst  aus Aufstiegshelden wie Simon Scherder, Thomas Kok, Maximilian Schulze Niehues, Gerrit Wegkamp und den derzeit verletzten Marc Lorenz und Dennis Grote ein sehr homogenes und kommt den "elf Freunden" auf dem Platz schon ziemlich nahe. Auch unkomplizierte Neuzugänge wie Rico Preißinger und Sebastian Mrowca bringen das Attribut Teamplayer mit und sind in einem Alter, in dem sie nicht mehr zwangsläufig für ihren persönlichen Aufstieg, sondern für die Mannschaft spielen. Genau dieser Faktor trug Preußen Münster schon vor zehn Jahren als vermeintlich schwächer besetzte Mannschaft durch die Duelle mit Arminia. Jetzt wird auf einen ähnlichen Ausgang gehofft.

Jüngere Derby-Historie: Sechsmal begegneten sich Preußen und Arminia in der 3. Liga zwischen 2011 und 2015, die Tendenz geht mit zwei Siegen, drei Remis und einer Niederlage leicht zum SCP. In der Schüco-Arena schaffte er es zwar nie, zu gewinnen, aber zweimal holte er nach Bielefelder Führung noch einen späten Punkt, der sich wie ein gefühlter Sieg einordnen ließ. Beim furiosen 4:0-Sieg im Herbst 2012, über das in Münster heute noch gesprochen wird, waren übrigens drei Akteure des jetzigen Kaders schon dabei: Max Schulze Niehues, Simon Scherder und der mit einem Kreuzbandriss lange fehlende Dennis Grote. Auf der Gegenseite erinnert sich einzig Fabian Klos an ein düsteres Arminia-Kapitel…

Defensiv- und Umschaltstärken: Auch wenn die Preußen im Aufstiegsjahr einige Konzentrationsschwächen einstreuten, so ist die mittlerweile mehr als dreieinhalbjährige Amtszeit von Münsters Trainer Sascha Hildmann durch sehr disziplinierte Abwehrarbeit geprägt. Seinen Amtskollegen Mitch Kniat, den er in einem Landespokalspiel mit Verl bereits einmal erfolgreich durchschaute (3:0), wird er einzuordnen wissen – und den ballsicheren Arminen möglichst wenig Platz zur Entfaltung geben wollen. Das 3-5-2 ist bei ihm gesetzt, doch mit Daniel Kyerewaa und Joel Grodowski hat er im Sommer zwei pfeilschnelle Offensivexperten dazugewonnen. Sie werden nur darauf lauern, Fehler der Arminen in vielversprechende Konter umzumünzen.

Mizutas Fehlen: In Bielefeld brauchte es nur zwei Spiele für einen neuen Publikumsliebling: Der Japaner Kaito Mizuta wirbelt im Mittelfeld und scheint, so wie man es liest, unermüdlich zu sein. Doch auf die 120 Pokalminuten, die er mit seinem entscheidenden Elfmeter krönte, muss der Offensivmann erstmal pausieren: Er fehlt Arminia rotgesperrt. Ein Vorteil für die Münsteraner, die ihrerseits aber das Fehlen von Kapitän und linkem Außenbahnspieler Marc Lorenz zu verkraften haben. Letztlich sind also beide Teams auf einer Position gehandicapt. Aber dass Mizuta zusehen muss, dürfte gerade die Abteilung Defensive beim SCP durchatmen lassen.

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