Beben in Ulm: Unausweichlich – aber nur der erste Schritt

Erst ein Brandbrief als Hilferuf, wie man ihn im Profifußball wohl noch nie zuvor gelesen hatte, dann die Trennung von Geschäftsführer Markus Thiele und Trainer Moritz Glasbrenner. Hinter dem SSV Ulm 1846 liegen turbulente Tage. Das Beben war unausweichlich, aber nur ein erster Schritt. Ein Kommentar.

Späte Einsicht nach turbulentem Tag

Er war längst kurz nach zwölf, gehandelt hat der SSV am späten Montagabend dann aber kurz zwölf, als um genau 22:40 Uhr das Aus von Geschäftsführer Markus Thiele und Trainer Moritz Glasbrenner verkündet wurde. Der Zeitpunkt mutet zwar etwas seltsam an, nachdem Vorstand und Aufsichtsrat am späten Nachmittag erst ein halbgares Statement ohne wirkliche Aussagekraft zum Brandbrief von Johannes Reichert und Christian Ortag veröffentlicht hatten, nur um wenige Stunden später dann doch zu handeln.

Doch dass es zu einem Beben kommen musste, war nach dem Hilferuf der Kapitäne unausweichlich. Wenn zwei Führungsspieler eine "vergiftete Atmosphäre" anprangern und davon sprechen, dass "Spieler am Ende ihrer Kräfte" seien, ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Trainer, Sportchef und Mannschaft mehr möglich.

Vertrauen verspielt – auf allen Ebenen

Thiele, einst Mitarchitekt des Durchmarsches, hatte in den vergangenen Monaten zunehmend den Rückhalt verloren – bei Fans, Spielern und auch im Umfeld des Vereins. Schon die Freistellung von Aufstiegscoach Thomas Wörle im vergangenen März war ein großer Fehler, anschließend scheiterte das Experiment, gleich zweimal hintereinander auf Trainer aus der eigenen U19 zu setzen, die über keinerlei Erfahrung im Profibereich verfügten.

Glasbrenner stand zwar erst seit Kurzem an der Seitenlinie, konnte die Mannschaft aber ebenfalls nicht mehr erreichen und verpasste es zudem, sich öffentlich hinter sie zu stellen. Nach fünf Niederlagen in Folge und einem völlig verunsicherten Team war seine Freistellung die logische Konsequenz, zumal er die Kabine längst verloren hatte, nachdem er mehrfach die fehlende Mentalität bei seiner Mannschaft bemängelt hatte.

Spieler müssen jetzt liefern

Aber auch Vorstand und Aufsichtsrat müssen sich hinterfragen, warum sie dem Treiben von außen so lange zugeschaut haben. Warnzeichen, dass etwas nicht stimmen kann, hat es schon länger gegeben. Dass sich Vorstandschef Thomas Oelmayer erst vor einer Woche deutlich hinter Thiele gestellt hatte, wirft ebenfalls Fragen auf. So hatte der 71-Jährige zwar eingeräumt, dass die Kaderauswahl "nicht perfekt" gewesen sei, gleichzeitig aber betont, dass das allein keine Absetzung legitimieren würde. Aber was denn sonst? Schließlich ist die Kaderzusammenstellung die Hauptaufgabe von Thiele gewesen. Unter den gegebenen Umständen hätte viel früher gehandelt werden müssen.

Fakt ist: Der Rauswurf von Thiele und Glasbrenner war überfällig – jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Die Kapitäne haben den Aufsichtsrat zum Handeln gezwungen, nun müssen sie selbst liefern. Denn eines ist klar: Der Brandbrief war nicht das Ende der Krise, sondern der Beginn einer schonungslosen Aufarbeitung, die Ulm dringend braucht. Jetzt muss der Verein beweisen, dass er aus dieser Krise lernt – mit klaren Strukturen, ehrlicher Kommunikation und einer neuen Kultur des Miteinanders. Dafür braucht es einen Trainer, der zur Mannschaft passt. Zudem muss diese im Winter verstärkt werden. Nur dann kann der Brandbrief zu einem Wendepunkt werden.

   

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