Alvarez: "Wenn mich Fans auspfeifen, pusht mich das"
Marcos Alvarez vom VfL Osnabrück spricht im Interview mit liga3-online.de über Aufstiegshoffnungen, seine persönliche Zukunft und warum er auf dem Platz gerne provokant in Erscheinung tritt.
[box type="info"]Hintergrund: Der 24-Jährige wechselte im Sommer 2014 von den Stuttgarter Kickers zum VfL Osnabrück und entwickelte sich spätestens in dieser Saison zu einem absoluten Leistungsträger. Zuletzt warf ihn eine Muskelverletzung zurück, doch jetzt möchte er neu angreifen und in den letzten sieben Spielen mit den Lila-Weißen noch viel erreichen. [/box]
liga3-online.de: Hallo Herr Alvarez! Zunächst einmal die wichtige Frage: Wie schreitet die Heilung Ihrer Muskelverletzung voran? Sie haben in den vergangenen drei Spielen gefehlt.
Marcos Alvarez: Ein Faserriss ist immer mit Vorsicht zu genießen, er kann schnell wieder aufreißen. Wir hätten ins Risiko gehen können, wollen es aber vorsichtig angehen. Nach der Länderspielpause werde ich aller Voraussicht nach wieder voll einsatzfähig sein.
Es schien dort so, als würde der VfL Osnabrück in der Kaderbreite ein wenig schwächeln. Dresden, Münster und Großaspach hatten Euch mindestens phasenweise die Grenzen aufgezeigt.
Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht die Kaderbreite von Dresden oder anderen finanzstarken Vereinen besitzen. Ist dieser Liga ist der Zusammenhalt im Team unglaublich wichtig. Und: Je enger das Trainerteam mit den Spielern zusammenarbeitet, je mehr der Coach den Akteuren das Gefühl gibt, ein Teil des Ganzen zu sein, desto größer ist der Erfolg.
Wie wichtig war es für die Mannschaft, so einen „dreckigen“ Sieg beim Tabellenletzten Stuttgart II zu erzwingen? Und damit die Mini-Krise zu beenden?
Ganz wichtig, das steht außer Frage. Von einer Krise kann man meiner Meinung nach aber nicht sprechen. Wir haben seit dem 9. Spieltag nur noch zwei Spiele verloren, das ist eine richtig gute Bilanz! Die Erwartungen sind allerdings sehr hoch an uns – manchmal vielleicht zu hoch. Andere Teams patzen schließlich in dieser Liga auch, und jeder kann jeden schlagen!
Es sind nur noch sieben Spieltage zu gehen, und ihr befindet Euch drei Punkte hinter dem zweiten Tabellenplatz, dafür aber vier Zähler vor dem vierten Rang! Es muss einem doch mittlerweile komisch vorkommen, dass Trainer Joe Enochs noch immer beide Füße auf dem Boden behält.
Joe Enochs ist ein sehr bodenständiger Trainer, er will keine hohen Erwartungen nach außen bringen. Er weiß schließlich genau, wo wir herkommen. Als Spieler ist man da immer ein bisschen euphorischer. Es wäre gelogen, nun das obere Tabellendrittel als Saisonziel auszugeben. Platz 2 oder 3, da möchte ich hin!
Auch angesichts der letzten Spiele keimt die Frage auf: Auf welchem Rang würdet ihr ohne Marvin Schwäbe zwischen den Pfosten stehen? Seine überragende Form scheint kein Ende zu nehmen.
Ich kannte Marvin schon aus der Zeit in der Jugend bei Eintracht Frankfurt, da habe ich seine Veranlagungen gesehen. Man muss sich einmal vorstellen: Der Junge ist erst 20 Jahre und gibt uns bereits eine unglaubliche Sicherheit von hinten, dabei hat er die ganze Zukunft noch vor sich. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken, er ist ein wichtiger Teil des Teams.
Mit etwas Glück und einem Sieg gegen die Würzburger Kickers nach dem Osterfest könntet ihr einen riesigen Schritt in Richtung Relegation machen, ist Euch das bewusst?
Definitiv! Unser Ziel ist es immer, die Heimspiele zu gewinnen. Wir könnten den Vorsprung auf Würzburg ausbauen. Der positive Trend der Kickers war aber abzusehen, denn sie kommen wie wir über eine eingespielte Truppe, die durch das Feuer geht. Mit Elia Soriano wurde zudem eine richtig gute Verpflichtung getätigt. Der Trainer Bernd Hollerbach ist ebenso positiv verrückt. Leicht wird das nicht.
Wobei man – auch wenn du noch keine Entscheidungsspiele bei den Lila-Weißen erlebst hast – ja feststellen muss: Relegation und der VfL Osnabrück, das funktionierte in der jüngeren Vergangenheit irgendwie nicht so richtig. Der zweite Platz ist schließlich ebenfalls noch in Reichweite.
Jede Mannschaft steigt lieber direkt auf. Es gibt 38 Saisonspiele, dann noch einmal zwei dazu, da müssen noch einmal alle Kräfte mobilisiert werden. Aber warum sollte Erzgebirge Aue mit seinem schweren Restprogramm nicht noch einmal stolpern? Genau so haben wir die restlichen Spiele auch noch nicht gewonnen und könnten abrutschen. Es bleibt spannend.
Machen Sie sich denn schon Gedanken um mögliche Relegationsgegner und deren Potenzial?
So konkret denke ich darüber nicht nach. Überall kennt man alte Leute, ob bei Paderborn, 1860 München oder Fortuna Düsseldorf. Klar ist: Für uns wären diese Spiele eine Belohnung, für den Gegner eher eine Bestrafung – daher gehen wir, egal gegen wen, absolut positiv in die Begegnung. Wenn es denn dazu kommen sollte …
Kommen wir zu Ihnen persönlich. In 25 Spielen können Sie 13 Torbeteiligungen vorweisen, eine deutliche Steigerung zur Vorsaison mit sechs Scorerpunkten. Konnten Sie sich an der Bremer Brücke sportlich weiterentwickeln?
Ich hatte damals eine schwere Phase, war lange verletzt. Die Zukunft war erst einmal ungewiss, mein Start verlief hier auch äußerst holprig. Der Verein hat mir aber Kraft zugesprochen und der Trainerwechsel zu Joe Enochs hat mir total in die Karten gespielt. Unter ihm kann ich meine offensiven Qualitäten voll ausspielen – und bin froh, dass den Job in der Defensive andere übernehmen. (lacht)
Sie sind auf dem Platz unglaublich heißblütig und emotional, können Mitspieler schnell damit anstecken – haben aber in Ihrer bisherigen Karriere, die immerhin 154 Pflichtspiele im Seniorenbereich umfasst, dennoch noch keinen einzigen Platzverweis kassiert.
Ich stand zwei bis drei Mal an der Grenze, habe aber tatsächlich noch nie einen Feldverweis bekommen. Man muss im Profibereich nun einmal dazulernen und wissen, wann genug ist. Die 3. Liga ist auf gewisse Weise eklig, da muss man mit allen Mitteln versuchen, etwas zu holen und dafür auch mal dreckig spielen. Ich bin durchaus ein provokanter Spieler – das gebe ich offen zu.
Von Ihrer provokanten, manchmal theatralischen Art sind gegnerische Anhänger selten begeistert…
Ich bin ein Spieler, der das braucht. Wenn mich gegnerische Fans auspfeifen, pusht mich das zusätzlich. Dennoch versuche ich immer die Grenzen einzuhalten und mich an die Fairness zu halten, die unser Trainer selbst vorlebt. Wer mich aber privat kennt, weiß: Ich nehme mir sehr viel Zeit für Fans, antworte sogar auf die Kritik von Gegnern. Abseits des Platzes bin ich eigentlich ein netter und umgänglicher Kerl. Nur auf dem Platz, da blende ich das aus. (lacht)
Braucht es im Profisport dieses gewisse Maß an Theatralik mittlerweile?
Wir sehen es doch überall. Nehmen wir das Beispiel Arjen Robben. Ein Weltklasse-Fußballer, der aber aufgrund seiner zahlreichen Elfmeter-Situationen umstritten ist. Dahingehend hat sich der Sport aber entwickelt. Viele Fans würden zum Beispiel auch staunen, wie viele Beleidigungen auf dem Rasen mittlerweile fallen. Nach dem Abpfiff hat sich das dann aber wieder, man entschuldigt sich und die Sache ist abgehakt. Es muss eben alles im Rahmen bleiben.
Ihr Vertrag läuft im Juni 2016 aus, das ist in knapp drei Monaten. Die guten Leistungen dieser Spielzeit werden wohl ein erhöhtes Interesse anderer Vereine nach sich ziehen. Wo sehen Sie sich im August des nächsten Jahres?
Es wurden erste grobe Gespräche geführt. Ich werde immer zuerst mit meinem eigenen Verein sprechen, das ist bei mir oberstes Gebot. Es liegt natürlich auch daran, ob wir den Aufstieg schaffen. Aber selbst wenn nicht, wird in der kommenden Spielzeit erneut ein schlagkräftiger Kader zusammengestellt. Bei einem Angebot aus der 2. Bundesliga würde natürlich jeder Spieler darüber nachdenken.
Zu einem Konkurrenten in der 3. Liga führt Ihr Weg aber nicht?
Auf keinen Fall. Ich werde nicht wegen ein paar Euros mehr zu einem Konkurrenten wechseln. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass ich in Osnabrück und beim VfL bleibe. Hier fühle ich mich wirklich wohl.