Als Fanbotschafter in Brasilien – Michael Aschmann im Interview

Rund fünf Wochen war er als einer von vielen Fanbotschaftern für die deutschen Fans bei der Weltmeisterschaft vertreten. Normalerweise ist Michael Aschmann als Mitarbeiter des Fanprojekts Osnabrück tätig, doch nach Ablauf der Drittliga-Saison hieß es für ihn statt Sommerpause ab nach Brasilien. Insgesamt legte er in dieser Zeit 28.000 Kilometer zurück und am Ende saß er sogar mit der deutschen Mannschaft zusammen im Flieger Richtung Berlin. Doch die vielen guten Erfahrungen und Anstrengungen fern der Heimat waren es ihm auf jeden Fall wert, wie er im rückblickendem Interview mit liga3-online.de betont.

Hallo Herr Aschmann, worin bestand Ihre Hauptaufgabe bei der Weltmeisterschaft?

Die „Mobile Fanbotschaft“ wird inzwischen regelmäßig bei den großen Turnieren (EM, WM) für die deutschen Fans angeboten. Bei der WM in Brasilien wurde die Maßnahme von der Koordinierungsstelle Fanprojekte, dem DFB und der deutschen Botschaft in Brasilien organisiert bzw. koordiniert. Mit der Fananlaufstelle an zentralen Plätzen der Spielorte, in Rio z.B. an der Copacabana, einer 24h-Helpline, dem Fanzine Helmut, das zu jedem Spiel produziert wurde und einer Homepage plus Facebook und Twitter-Account, gab es ein „Rundum-Angebot“ für die deutschen Fans. Im Mittelpunkt dabei stand, bei Problemen und Notlagen schnell und unbürokratisch zu helfen. Das kann die Vermittlung von Unterkünften sein, Unterstützung bei Problemen mit den Ticket-Vouchern der FIFA oder bei gestohlenen Wertgegenständen bzw. Reisepass oder Ausweis. Standardmäßig hatten wir zu jedem Spielort alle relevanten Informationen zur Stadt und Stadion parat.

Wie kam Ihr Engagement bei den deutschen Fans in Brasilien an?

Ich war schon sehr positiv von der hohen Resonanz überrascht. Gleich am ersten Spielort in Salvador waren sehr viele Fans an der Fananlaufstelle in der Altstadt. Wir haben zu jedem Spieltag das Fanzine „Helmut“ mit einer 2000er-Auflage produziert, welches immer schnell vergriffen war. Insgesamt waren bei den Spielen wohl immer zwischen 5000 und 8000 Deutsche vor Ort. Die Fanbetreuungsmaßnahmen im Rahmen der großen Turniere gibt es jetzt schon seit den frühen 90ern. Ich glaube, dass sich das bei den Fans inzwischen etabliert hat und sogar ein Stück weit selbstverständlich, im positiven Sinne, geworden ist. Dass uns dann immer wieder für die gute Unterstützung und schnelle Hilfe gedankt wurde, bestätigte uns dann auch in unserer Arbeit.

Aschmann kümmerte sich um die Anliegen der Fans

Gab es nennenswerte Zwischenfälle außerhalb der Stadien? Wie haben sich die deutschen Anhänger verhalten?

Auch für uns war im Vorhinein ein Stück weit unklar, wie die Situation im Allgemeinen bzw. auch rund um die deutschen Fans sein wird. Letztlich muss ich sagen, dass sich die zum Teil schlimmen Befürchtungen nicht bestätigt haben. Da ist in den deutschen Medien wieder einmal zu viel Angst geschürt worden. Innerhalb der Stadien gab es, vor allem zwischen den verschiedenen Fangruppen, praktisch keine nennenswerten Vorfälle.  Stressig wurde es im Stadion eigentlich nur dann, wenn die vielen Zaunfahnen der Deutschen durch Ordnungsdienst und Militärpolizei (!) entfernt werden sollten. Hier gab es kurzfristig kleine Streitereien, aber ich hatte den Eindruck, dass sich die deutschen Fans insgesamt sehr besonnen verhalten haben. Außerhalb der Spiele sind uns bis dato eigentlich keine besonderen Zwischenfälle bekannt geworden. In positiver Hinsicht ist sicher aufgefallen, dass Deutschland von seinen Fans im Stadion sehr kreativ und lautstark unterstützt wurde. Das kannte man von Länderspielen ja nicht immer so.

Hat Sie der enorme Reisestress vor Ort sehr belastet?

Etwas schade war, dass durch die vielen Inlandsflüge zwischen den Spielorten fast immer ein ganzer Tag verloren gegangen ist. Aber in dem Land mussten einfach große Distanzen überbrückt werden, das geht fast nur im Flieger. Unsere einzige Autofahrt von Belo Horizonte nach Rio (ca. 450km) hat zwischen sechs und sieben Stunden gedauert. Wenn man bedenkt dass wir mit allen Transfers etwa 28000 Kilometer hinter uns gebracht haben, war das alles noch im Rahmen.

Wie sah ein normaler Wochenablauf der Fanbotschaft ungefähr aus?

Die Fananlaufstelle selbst war jeweils vor, am und nach dem Spieltag geöffnet und hat dann nahezu das ganze Team in Anspruch genommen. Ein Tag ging jeweils für die Flüge von einen Spielort zum nächsten drauf, da blieb abends nur noch Zeit für eine Teambesprechung, die Aufteilung der Arbeit für die nächsten Tage und ein gemeinsames Abendessen. Am Tag nach den Flügen war dann jeweils ein freier Tag für die Mitarbeiter angesetzt. Danach ging es dann schon wieder an die Vorbereitungen für den Spieltag: Auswahl des Standortes für die Fananlaufstelle, Zusammenbringen der Informationen zum Spieltag und Stadion, Abfahren der Anreisewege, Sammlung von Tourismusangeboten.

Wie haben Sie die Spiele der deutschen Mannschaft erlebt?

Wir waren bei allen deutschen Spielen vor Ort und auch im Stadion. Ursprünglich war geplant, dass wir auch im Stadion mit Akkreditierungen für die Fanangelegenheiten zuständig sind. Das war dann leider nicht so. Daher konnten wir im Stadion selbst nur mit reiner Informationsleistung dienen. Die Spiele selbst konnten wir aber dennoch ganz gut mitverfolgen, deutlich besser als im Fanprojekt-Alltag. Insgesamt war es schon ein großes Erlebnis die sieben WM-Spiele alle live zu erleben. Zum Teil standen wir in den Stimmungsblöcken, zum Teil aber auch auf zugewiesenen Plätzen.

Welchen Eindruck konnten Sie von der Kultur und der Bevölkerung in Brasilien gewinnen?

Ich habe in einer kleineren Gruppe mit Kollegen aus den Fanprojekten eigentlich versucht, so viel wie möglich vom Land und den Städten zu sehen. Außerhalb der deutschen Spiele haben wir noch vier andere Spiele besucht, unter anderem ein A-Jugend Spiel von Fluminense gegen Botafogo in Rio de Janeiro. Da bekommt man dann tatsächlich brasilianisches Fußball-Flair mit, in den WM-Stadien ging das ja nicht. Wir sind noch eine private Tour zum Spiel Italien – Uruguay gefahren. Mit einem brasilianischen Fahrer über 400 Kilometer und teils sehr kaputten Straßen. Das war aber die einzige Gelegenheit mal aus den Städten raus zu kommen und echt ein Erlebnis. Ansonsten die klassischen Sachen Sightseeing, zentrale Plätze und Orte in der jeweiligen Stadt. Richtig interessant war die Stadiontour in Recife. Da haben wir, wieder mit einem brasilianischen Fahrer, die drei Stadien der großen Klubs (Nautico, Sport und Santa Cruz) in zwei Stunden abgefahren und besichtigt. Tolle Stadien, tolle Vereine mit vielen verschiedenen Sportabteilungen und sehr nette Vereinsmitarbeiter.

Zurück nach Deutschland ging es mit der ,,Fanhansa"

Welche Momente hinterließen bei Ihnen besonders Eindruck?

Das ist schwierig unter den vielen schönen Moment die entscheidenden hervorzuheben. Wenn ich auswählen muss, dann sicher der Gewinn der Weltmeisterschaft im Maracana. Ein unfassbares Erlebnis, was einen in die Begeisterung für Fußball aus der Kindheit zurück bringt. Mit dem 7:1 im Halbfinale über Brasilien haben die deutschen Fans Fußballgeschichte live erlebt, von der sie noch in 40 Jahren erzählen können. Der Austausch mit den Torcidas von Belo Horizonte, Fluminense und Vasco da Gama empfand ich auch als etwas Besonderes. Ich hätte nicht gedacht, dass die Brasilianer sich so sehr für die Fanaktivitäten in Deutschland interessieren. Sich dann mit einer völlig anderen Fankultur über die jeweilige Situation im Land auszutauschen ist eine Gelegenheit die man selten bekommt.

Mit welchen Erwartungen haben Sie die Reise angetreten und wie lautet Ihr abschließendes Fazit?

Rein auf die Arbeit bezogen haben sich meine Erwartungen eigentlich bestätigt. Bei einem so großen Fanaufkommen, wie dem der Nationalmannschaft, gibt es immer Situationen, in denen Personen Hilfe und Unterstützung brauchen. Aus meiner Sicht wäre ich dankbar auf solch ein Angebot im Ausland zurückgreifen zu können. Es war gleichzeitig sehr stressig und eine positive Erfahrung auch für die eigene Arbeit. Das Land hat mich sehr positiv überrascht, eine ganz konkrete Vorstellung hatte ich von Brasilien gar nicht. In der Regel sind die Brasilianer sehr zuvorkommend und gastfreundlich, gleichzeitig aber immer auch etwas „zu entspannt“, so dass man mal eine Stunde auf sein Essen wartet. Ich habe mir auf jeden Fall zum Ziel gesetzt Südamerika als Region, aber auch den Fußball dort noch einmal privat zu erleben. Insgesamt waren es die vielen guten Erfahrungen, die Anstrengungen und fünf Wochen fern der Heimat auf jeden Fall wert. Es überwiegen die positiven Erinnerungen. so dass ich es mir durchaus vorstellen könnte nochmals bei einem großen Turnier im Rahmen der Fanbetreuung zu arbeiten. Das ich auf der Rückreise im Flieger den Weltpokal noch in den Händen halten durfte, ist natürlich einmalig für einen Fußballfan.

Vielen Dank für das Interview!

 

   

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