Das sind die Gründe für den Abstieg des SV Sandhausen

Nach dem 14. Spieltag noch Tabellenführer, steht der SV Sandhausen seit Samstag als Absteiger in die Regionalliga fest. Einen derartigen Absturz hat es in der Historie der 3. Liga noch nicht gegeben. liga3-online.de nennt die Gründe für den Abstieg.
Grund 1: Negativspirale nicht mehr entkommen
Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, als der SVS nach einem 4:0-Erfolg gegen Alemannia Aachen an der Tabellenspitze stand. Sieben Siege und fünf Unentschieden aus 14 Partien bedeuteten starke 26 Punkte. Doch seitdem lief bei den Kurpfälzern überhaupt nichts mehr. Aus den folgenden 22 Partien holte der SVS nur noch einen (sehr glücklichen) Sieg und drei Unentschieden, während gleich 18 Partien verloren gingen – darunter die letzten neun. Damit hat Sandhausen den Negativrekord von Bremen II aus der Saison 2011/12 eingestellt.
Einmal in der Negativspirale drin, gab es keinen Ausweg mehr. Daran änderten auch die beiden Trainerwechsel sowie die Transfer-Offensive im Winter nichts. Selbst eine von Präsident Jürgen Machmeier in Aussicht gestellte Nicht-Abstiegsprämie von 300.000 Euro verpuffte wirkungslos. Dass die Sandhäuser der Negativspirale nicht mehr entkommen konnten, lag auch daran, dass sie immer und immer wieder frühe Gegentore kassierten und sich nahezu in jedem Spiel individuelle Patzer leisteten. Darüber hinaus verspielte der SVS gleich sechs Führungen noch komplett – Spitzenwert der Liga. Verletzungen von Stammspielern und fehlendes Spielglück taten ihr Übriges dazu. Es kam beim SV Sandhausen einfach alles zusammen.
Grund 2: Realität zu spät erkannt
Der SVS im Abstiegskampf? Das konnte sich am Hardtwald lange niemand vorstellen. Zumal die Ziele ganz andere waren und es im zweiten Anlauf zurück in die 2. Bundesliga gehen sollte. Selbst Ende Januar, als Sandhausen bereits auf Rang 13 abgerutscht war und schon acht Punkte hinter Rang 3 lag, während die Abstiegsplätze nur noch sieben Zähler entfernt waren, hatte Präsident Jürgen Machmeier den Aufstieg noch nicht abgeschrieben: "Aufgeben werden wir nicht, es sind noch genug Punkte zu vergeben."
Erst Ende Februar, nachdem der SVS gerade die achte Niederlage aus den letzten zehn Partien kassierte hatte, rief Machmeier den Abstiegskampf aus. Viel zu spät. Die "bedrohliche Lage", von der Sandhausens Präsident im Anschluss an die 0:1-Pleite gegen Wiesbaden Mitte Februar gesprochen hatte, nachdem der Vorsprung auf die Abstiegsplätze auf nur noch drei Zähler geschrumpft war, hatte schon lange vorher eingesetzt.
Grund 3: Fehlende Einstellung
Wer mit dem Ziel, oben mitspielen zu wollen, in die Saison geht, und sich trotz eines guten Saisonstarts in der zweiten Hälfte der Spielzeit dann auf einmal im Abstiegskampf befindet, hat ein Problem. Denn die Spieler waren darauf mental nicht vorbereitet. Doch nicht nur das. Beim SV Sandhausen kam noch hinzu, dass es teilweise an der nötigen kämpferischen Einstellung fehlte. Das zeigte sich in der Rückrunde vor allem an den Laufwerten, die deutlich unter dem Liga-Schnitt lagen.
"Wir haben zu viele Weichlinge in der Mannschaft, die sich gar nicht dagegenstemmen", schimpfte Machmeier bereits im Januar. Es sei "erschreckend, wie wenig Anspruch manche an sich selbst haben, sie sind zu bequem, wollen sich nicht weh machen und wehren sich nicht". Mit seinen markigen Worten hatte der 64-Jährige versucht, die Mannschaft an der Ehre zu packen und sie wachzurütteln. Das gelang zwar in Teilen, sorgte allerdings nicht für die erhoffte Wende.
Grund 4: Mannschaftsgefüge stimmte nicht
Rein von den Namen her hatte sich der SVS sowohl 2023 als auch vor Beginn der laufenden Saison durchaus gut verstärkt. Allein: die wild zusammengewürfelten Spieler passen überhaupt nicht zusammen. Das war schon Trainer Kenan Kocak zu Beginn des Jahres aufgefallen, als er den Kader als "zu teuer, zu alt, zu langsam" bezeichnete. Viele Spiele wurden unter dem Motto "Letzte Ausfahrt Sandhausen" verpflichtet, was natürlich nicht funktionieren konnte. "Das Gefüge stimmte nicht, die Kabine ist nie zur Ruhe gekommen", musste Machmeier zuletzt in einem Interview mit dem TV-Sender "RON" eingestehen. "Innerhalb der Mannschaft hat es nie funktioniert."
Auch, weil es an Führungsspielern mangelte. "Wir haben Führungsspieler geholt, die keine sind", so das Urteil des 64-Jährigen. Mit "wir" meint der Präsident zwar hauptsächlich Ex-Sportchef Matthias Imhof, an dem er Anfang März wegen der Kaderplanung scharfe Kritik geübt hatte, doch komplett aus der Verantwortung nehmen kann sich Machmeier nicht. Denn nachdem Imhof Anfang Dezember gehen musste, wurden die Aufgaben der Kaderplanung auf mehrere Schultern verteilt – auch auf die von Machmeier. Gleich sechs neue Spieler kamen im Winter neu hinzu – verpflichtet vom Kompetenzteam um Machmeier. Wirklich überzeugen konnte allerdings niemand. Lucas Ehrlich etwa stand nur zu Beginn der Rückrunde auf dem Platz, in den letzten zehn Partien gehörte er erst gar nicht zum Kader. Auch die Verpflichtung von Trainer Kenan Kocak in der Winterpause erwies sich als Flop.
Grund 5: Keine Kontinuität
Ohnehin wirft das Handeln des Präsidenten seit dem Abstieg aus der 2. Liga Fragen auf. Denn obwohl hinlänglich bekannt ist, dass am Ende der Saison diejenigen Mannschaften aufsteigen, die auf Kontinuität gesetzt haben (siehe aktuell Dresden und Bielefeld oder in der letzten Saison Münster und Ulm), wollte Machmeier den direkten Wiederaufstieg nach dem Abstieg 2023 erzwingen. Und so musste Trainer Danny Galm nach nur zwölf Spieltagen schon wieder gehen. Ein Fehler, wie der 64-Jährige später zugab. Auch Nachfolger Jens Keller hielt es anschließend nicht bis zum Saisonende auf der Bank. Bereits vor dem letzten Spieltag warf er hin. Zur neuen Saison übernahm Sreto Ristic, ist aber seit Mitte Dezember auch schon wieder Geschichte. Genau wie Kenan Kocak. Insgesamt hatten in den letzten zwei Jahren sechs Übungsleiter – inklusive Interimstrainer – das Sagen. Die Entwicklung einer Spielphilosophie über einen längeren Zeitraum war somit nicht möglich.
Auch auf dem Spielermarkt setzte Machmeier auf eine Hire-and-Fire-Mentalität. Insgesamt wurden seit 2012, nachdem der erstmalige Zweitliga-Aufstieg gelungen war, 189 (!!) Spieler verpflichtet. Allein im Sommer 2023 kamen 18 Neue, im Winter dann nochmal drei weitere. Auch vor dieser Saison holten die Sandhäuser 13 neue Akteure und legten in der Winterpause sogar gleich sechsfach (!) nach. Von Kontinuität kann wahrlich keine Rede sein. Machmeier sieht in den ständigen Personalwechseln die Lösung für alle Probleme. Dabei ist die fehlende Kontinuität der Hauptgrund für den Absturz. Wenngleich zur Wahrheit dazugehört, dass sich der SVS mit dieser Philosophie elf Jahre am Stück in der 2. Liga halten konnte. Seinerzeit war es allerdings – im Gegensatz zu den beiden Drittliga-Spielzeiten nun – gelungen, junge und entwicklungsfähige Spieler zu verpflichten, die Sandhausen als Sprungbrett nutzen konnten. Man denke an Lucas Höler. Dass nur dies der Weg für einen Verein wie den SV Sandhausen sein kann, haben die Verantwortlichen mit Blick auf die Kaderplanung für die kommende Regionalliga-Saison nun auch verstanden. Bitter jedoch, dass es für diese Erkenntnis einen Abstieg benötigt hat.