Vorschau Hallescher FC: Der klassische Geheimtipp

Bevor die 3. Liga am Samstag, den 26. Juli in die neue Saison startet, blickt liga3-online.de auf die 20 Drittligisten und schätzt die Chancen der Teams ein. In der heutigen Ausgabe werfen wir einen Blick auf den Halleschen FC. Der HFC erlebte in der vergangenen Saison ein stetiges Auf und Ab, sowohl in der Tabelle, als auch in den Gefühlen. Auf einen verpatzten Saisonstart folgte eine Siegesserie, darauf ein Hin und Her bis zur Winterpause, die man auf einem Abstiegsplatz verbrachte, bis die Mannschaft dann im Frühjahr endlich ihr ganzes Potenzial ausschöpfte und sogar nochmal in den Kampf um Platz 3 eingriff, bevor man dann mit einigen unnötigen Punktverlusten die Saison im oberen Mittelfeld der Tabelle beendete. So war man zwar unterm Strich absolut im Soll mit der Saisonleistung, die Querelen zu Saisonbeginn und vor der Winterpause hätte man sich aber gern gespart. So ist Konstanz in dieser Saison das oberste Ziel, was im Klartext bedeutet: Kein Abstiegskampf! Zu keiner Zeit! Bewusst ist aber jedem an der Saale, welchen Weg konstant gute Mannschaften in der 3. Liga in den letzten Jahren gegangen sind und so schielt der ganze Verein auch immer mit einem Auge auf die ersten drei Plätze.

Die Testspiele

Der HFC ist die Testspielsaison gewohnt ruhig angegangen. Während Konkurrenten wie Dresden, Erfurt oder Rostock gegen Celtic Glasgow, die Queens Park Rangers oder Schalke 04 testen, steht der Vorsaisonhöhepunkt für die Saalestädter gegen Erzgebirge Aue am kommenden Wochenende an. Zuvor bestritt man fünf Testspiele gegen unterklassige Teams, lediglich das Spiel gegen den tschechischen Erstligisten FK Teplice und die besagte Partie gegen die „Schachter“ kann als Härtetest gezählt werden. So gingen auch alle vorhergehenden Spiele mehr oder weniger deutlich siegreich für die Hallenser aus, lediglich gegen Regionalligist Wacker Nordhausen gab es nach einer harten Trainingswoche nur ein 1:1-Unentschieden. Explizite Neuerkenntnisse gab es für Trainer Sven Köhler in den Testspielen nach außen hin nicht, die Mannschaft blieb allerdings nach Saisonende seit langem einmal wieder im Kern zusammen, sodass die Grundaufstellung durchaus relativ fest steht. Für Unruhe sorgten „lediglich“ die Verletzungen von Schlüsselspielern wie Björn Ziegenbein oder Toni Lindenhahn. Während Ziegenbein seine dritte Vorbereitung in Folge angeschlagen erlebt, ist für Lindenhahn vermutlich die gesamte Saison gelaufen. Dieser Missstand wurde vom HFC allerdings interessant gelöst:

Die Neuzugänge

Natürlich sind die Verletzungen ein schmerzhafter Verlust für den HFC, bedeuten aber auch, dass der Verein nachrüsten musste und das eindrucksvoll getan hat. Mit Selim Aydemir kommt ein talentierter Außenstürmer zurück an die Saale, der vor allem den Verlust von Toni Lindenhahn kompensieren soll. Sven Köhler ließ bereits verlauten, dass Aydemirs Verpflichtung auch Akaki Gogia als dribbelstarken Techniker entlasten soll. Zudem kann sich Köhler laut „Mitteldeutscher Zeitung“ sogar vorstellen, Aydemir und Gogia als einzige Sturmspitzen aufzubieten und das System somit noch taktisch variabler zu gestalten. Ebenfalls ein Produkt der Verletzungsmisere ist Maximilian Jansen vom VfL Bochum. Der zentrale Mittelfeldspieler soll die Lücke schließen, die die erneute Verletzung von Björn Ziegenbein gerissen hat. Da Königstransfer Ivica Banovic ebenfalls recht verletzungsanfällig ist und bisher noch nicht sein Können unter Beweis stellen konnte, könnte für Jansen sogar ein Platz in der Startelf winken. Ansonsten ist besagter Banovic klar der bemerkenswerteste Transfer der Hallenser. Vergleichbar mit dem Coup, seinerzeit Maik Wagefeld nach Halle gelockt zu haben, ist Banovic der mit Abstand erfahrenste Spieler der Mannschaft, war Deutscher Meister mit Werder Bremen und blickt auf eine lange Karriere in der ersten und zweiten Liga zurück. Zudem konnten auf der linken Seite Robert Schick und Sören Bertram fest verpflichtet werden. In der Innenverteidigung kam mit Dominic Rau ein erfahrener Stabilisator, Sascha Pfeffer soll das Mittelfeld als Allrounder bereichern. Zusätzlich trainiert seit zwei Wochen mit Osayamen Osawe ein britischer Stürmer mit, der zuvor im Probetraining in Rostock durchaus zu überzeugen wusste, trotzdem aber keinen Vertrag angeboten bekam. Auch beim HFC sieht es für den gebürtigen Nigerianer nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut aus, ein Vertrag dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Voraussichtliche Startelf

Sturm:                                         Furuholm

Mittelfeld:        Bertram – Banovic – Gogia – Kruse — Aydemir

Abwehr:              Ziebig – Franke – Rau – Brügmann

Tor:                                                Kleinheider

Wichtigster Spieler

Der HFC lebt von der mannschaftlichen Geschlossenheit. Trotzdem steht und fällt das Spiel auch in dieser Saison mit der Leistung des Initiators, mit der Leistung von Kreativkopf Akaki Gogia. War die erste Saison noch geprägt von frühzeitigen Lobpreisungen über das fantastische Talent des Deutsch-Georgiers, so muss Gogia nach einer durchaus ansehnlichen Saison nun Verantwortung übernehmen. Fakt ist, dass es in dieser Saison viele kreative und ideenreiche Spiele in Reihen des HFC gibt –aber keinen vom Niveau eines gut aufgelegten und fitten Akaki Gogia. Der klassische Zehner kann nicht nur vorbereiten und Lücken reißen, auch seine Torgefahr ist unumstritten. Gleichsam war er aber auch Sinnbild für die Inkonstanz des HFC in der letzten Saison, weswegen er noch mehr als die anderen Spieler beweisen muss, dass er eine Mannschaft kreativ anführen kann.

Stärken

Der HFC ist zum ersten Mal seit Jahren ohne Hektik und Druck in die Saisonvorbereitung gestartet. Hatte man vor zwei Jahren einen drittligatauglichen Kader aufzubauen und im Jahr danach einen Umbruch zu bewältigen, konnten alle Schlüsselspieler der letzten Saison gehalten und um sie herum ein starkes Backup-Team verpflichtet werden. Gerade die Verletzungen in der Sommerpause führten zwangsläufig dazu, dass sich der HFC schon vor Saisonbeginn mit Alternativtaktiken für den Fall von Verletzungen arrangieren musste. Spielerich war die Mannschaft auf dem Papier schon im letzten Jahr die Stärkste, die der HFC seit jeher gesehen hat, allerdings wurde diese Stärke erst weit in der Rückrunde komplett ausgespielt. Zu oft fehlte es an Führungsspielern, die den lauf- und spielfreudigen Youngstern eine Schulter zum Ausruhen gaben, wenn doch mal ein Spiel zu naiv verpatzt wurde. Mit Tim Kruse in der Rückrunde und nun Ivica Banovic ist der HFC neben Daniel Ziebig nun deutlich erfahrener bestückt. Auch Sascha Pfeffer, immerhin Ur-Hallenser, ist ein erfahrener Mann. Charakterlich war die Mannschaft ebenfalls schon im Jahr zuvor einwandfrei abgestimmt, in diesem Jahr bemühen sich Köhler und Manager Kühne noch intensiver, eine Einheit zu formen. Spieler, wie Pierre Merkel, die zu sehr mit sich selbst zu kämpfen hatten, wurden nachträglich aussortiert, aber auch fehlende Ambition wird bestraft, wodurch Dominik Kisiel, zweiter Torhüter hinter Pierre Kleinheider, ebenfalls gehen soll. Er habe nicht genug Druck auf Kleinheider gemacht.

Schwächen

Damit wäre man auch schon bei den Fragezeichen dieser Saison: Ist es zu ambitioniert, das stärkste Torhüterduo der 3. Liga zu sprengen, weil die Nummer 2 sich nicht in den Vordergrund drängt? Präsident Dr. Michael Schädlich sagte der „BILD-Zeitung“ vor einigen Tagen: „Es muss brennen in der Mannschaft!“ Natürlich, die Intention dahinter ist Leistungsdruck, aber gerade auf der Torhüterposition ist es selten, dass sich ein derart solider Torhüter wie Kisiel in den Dienst der Mannschaft (!) stellt und dafür direkt bestraft wird. Beim HFC hat niemand das Ziel Aufstieg bisher ausgegeben, aber unterschwellig merkt man durchaus den Druck, der in dieser Hinsicht vor allem vom Präsidium ausgeht. Und die Mannschaft ist auf dem Papier absolut bereit dafür. Aber der HFC wäre nicht die erste Mannschaft, die unter diesem Druck gravierende Fehler macht, gerade, wenn er eben unterschwellig kommt und keine konkreten Zielsetzungen gebracht werden, die auch ernstgemeint sind. Nach wie vor ist das regelmäßige mediale Einmischen Schädlichs in den sportlichen Alltag ein Störfaktor, der den HFC in den letzten Jahren öfter beschäftigt hat. Doch nicht nur hinter den Kulissen gibt es Probleme, auch auf dem Feld ist nicht alles klar ersichtlich. So hat man für die wackelige Abwehr der letzten Saison lediglich Dominic Rau verpflichtet, während Kristian Kojola und Pierre Becken gehen mussten. Zwar konnte sich die Verteidigung durch die Rückkehrer von Anführer Patrick Mouaya stabilisieren, aber es kann durchaus sein, dass diese Stabilität nur temporärer Natur war.

Trainer

Durch die Transfers ist der HFC taktisch variabler als je zuvor und dadurch kann auch Trainer Sven Köhler seine Stärken in der Taktik besser ausspielen. Oftmals verharrte der HFC in den vergangenen Jahren auch in Krisenzeiten mangels Spieleralternativen in einem System und in einer Taktik, was Köhler mehrfach als Inkompetenz vorgeworfen wurde. Der ruhige Sachse ließ diese Schmähungen über sich ergehen, in dem Wissen, mit Vertrauen weiter an der Mannschaft feilen zu können. Jetzt hat er fast die Variabilität, die er sich gewünscht hat. Der dienstälteste Trainer im deutschen Profifußball hat zudem mit seinem engsten Freund Gerd Schädlich einen Scout und Berater zur Seite gestellt bekommen, der eine absolute Bereicherung für den ganzen Verein darstellt. Köhler sitzt fester im Sattel als je zuvor.

Prognose

Der HFC ist der klassische „Geheimtipp“. Das Ziel ist die obere Tabellenhälfte, doch die Mannschaft gehört zu den interessantesten der Liga und kann, sofern sie ihre Stärken ausspielt, jeden Gegner in der 3. Liga schlagen. Wie weit es nach oben geht, hängt davon ab, wie das Umfeld mit diesem Geheimtippstatus umgeht. Steht man nach fünf Spieltagen souverän auf dem ersten Platz, kann die Euphorie, die in Halle so ziemlich das ganze Jahr vorhanden ist – erst kürzlich wurde ein neuer Dauerkartenrekord aufgestellt – schnell in Druck ausarten, der gerade die jungen Spieler fahrig und hektisch machen kann. Die Mannschaft braucht Selbstbewusstsein, genauso wie die Bereitschaft, an den Schwächen zu arbeiten und auch eine unnötige Niederlage zu akzeptieren, um daraus zu lernen. Hier muss auch die Führungsetage einen Gang zurückschalten und sich bewusst machen, dass selbst ein vierter Platz in dieser Saison ein massiver Erfolg wäre – und keine Niederlage im Aufstiegskampf. Denn dieser ist nach wie vor nicht als Ziel ausgeschrieben. Nichtsdestotrotz ist das Potenzial für die Tabellenspitze bei günstigen Bedingungen durchaus da, für jeden Fan und Gast der Hallenser wird es in jedem Fall eine Freude werden, das Spiel von Köhlers Mannen zu beobachten, denn für Rumpelfußball ist die Dichte der brillianten und dribbelstarken Techniker an der Saale in der Saison 14/15 einfach zu hoch.

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