Pro & Contra RB Leipzig: Ein Verein mit großen Perspektiven!?

Über RB Leipzig wurde in den letzten Jahren viel geschrieben. Während die einen dem Projekt positiv gegenüberstehen, lehnen andere den Klub deutlich ab. Zurzeit spielt der 2009 von RedBull gegründete Verein in der Regionalliga Nordost, wo sie nach zuletzt zwei gescheiterten Versuchen in Folge auf dem Weg in die 3. Liga sind. liga3-online.de möchte das Thema neutral betrachten und stellt daher in einem ausführlichen Streitgespräch positive wie negative Aspekte des Vereins gegenüber. Während unser Redakteur Henning Klefisch dem Verein eher positiv gegenübersteht, lehnt der Kollege Benjamin Schaller das Konzept von RBL deutlich ab.

Zuletzt ist RB zweimal in Folge am Aufstieg in die 3. Liga gescheitert und musste Chemnitz bzw. Halle den Vortritt lassen. Was waren die Gründe dafür?

Henning: Das Problem war, dass der Mannschaftsgeist möglicherweise nicht so intakt gewesen ist, wie zum Beispiel bei Halle oder Chemnitz. Gerade am Ende der Spielzeit war es das große Problem, dass der Zusammenhalt nicht so stark gewesen ist. Das Potential in der Mannschaft war definitiv gegeben, jedoch haperte es an der Umsetzung, denn unnötige Niederlage ließen den durchaus möglichen Ausgleich verpassen.

Benjamin: Da hat sich das Sprichwort „Erfolg kann man nicht kaufen“ bemerkbar gemacht. Halle und Chemnitz sind eben beides Mannschaften, die über lange Jahre etwas aufbauen konnten, während man in Leipzig nach dem Aufstieg aus der Oberliga direkt den Trainer entlassen und es mit Thomas Oral probiert hat. Er wurde dann nach dem verpassten Aufstieg wieder entlassen. Bei diesem ständigen Personalaustausch konnte einfach nichts zusammen wachsen.

Henning: Die Fluktuation war einfach zu groß. Zudem haben hausgemachte Probleme dafür gesorgt, dass es mit dem Aufstieg am Ende nicht geklappt hat. Dieses Jahr, davon kann man denke ich ausgehen, wird es aber klappen. Die Qualität und auch der Mannschaftsgeist haben sich deutlich verbessert. Auch in schwierigen Situationen sieht man, dass der Zusammenhalt in der Mannschaft absolut vorhanden ist.

Wird RBL bei einem möglichen Drittliga-Aufstieg als Favorit auf den direkten Aufstieg in die 2. Bundesliga gelten?

Henning: Das ist durchaus realistisch!

Benjamin: Ich halte es auch für nicht unrealistisch, wobei es von außen schwer zu prognostisieren ist. Ich gehe aber davon aus, dass sich RB bei einem Aufstieg mit entsprechenden Spielern aus der zweiten oder dritten Liga verstärken wird. Allerdings besteht dann natürlich immer noch das Risiko, dass es wieder nicht klappt. Es gibt zwar Beispiele, wie mit Hoffenheim in der zweiten Liga, wo ein Durchmarsch direkt geklappt hat. Es gibt aber auch eben RB selbst, die trotz Geld wie heu mehrere Jahre in der Regionalliga hängen.

Der Verein verfügt erstligareife finanzielle Möglichkeiten. Wird dies in der kommenden Saison zu einer Wettbewerbsverzerrung in der 3. Liga führen?

Henning: Das sehe ich auch so. Viele Mannschaften in der 3. Liga, wie zum Beispiel Aachen, oder selbst Bielefeld vor einigen Jahren, hatten finanzielle Probleme und kamen mit den Einnahmen nicht zurecht. Ich denke, RB ist einfacher unabhängiger, da sie nicht zwingend auf irgendwelche TV-Einnahmen oder Zuschauereinnahmen angewiesen sind. Sie haben einfach Red Bull Hintergrund und verfügen somit über größere finanzielle Möglichkeiten als die Drittligakonkurrenz. Allerdings zieht bei RB die Idee das Geld.

Benjamin: Ich sehe das Problem mit der Wettbewerbsverzerrung in der 3. Liga etwas anders. Es ist ja ohnehin nie so, dass alle Vereine über dieselben finanziellen Mittel verfügen. Somit wird es immer eine gewisse natürliche Verzerrung geben. Bei RB fällt diese allerdings etwas krasser aus…

Mit 7.100 Fans weist Leipzig den zweithöchsten Zuschauerschnitt aller Regionalligen auf. Was sind die Gründe dafür? Haben die Einwohner Leipzigs den Verein angenommen?

Henning: Leipzig ist einfach hungrig, die Region ist absolut fußballbegeistert. Das ganze Projekt ist hochinteressant, um Leipzig wieder zum Leben zu erwecken.

Wie gehen die Leipziger Fans – vor allem bei Auswärtsspielen – mit Anfeindungen um?

Henning: Es ist ein schwieriges Thema. Ich denke einfach, dass eine gewisse Gleichgültigkeit entscheidend sein wird. Ich gehe nicht davon aus, dass RBL in den kommenden Jahren auswärts soviele Fans mitbringen wird, um auch in dem Bereich auch mit den langjährigen Traditionsvereinen konkurrenzfähig zu sein. Bei RB muss auch dieser Bereich erst noch wachsen. Eine Entwicklung und auch Geduld sind wichtige Faktoren. Beleidigungen wird es daher immer geben.

Welche Chancen und Perspektiven bietet RB Leipzig für den Fußball in Ostdeutschland? Könnte er zu einem Identifikationsverein für eine ganze Region dienen?

Benjamin: Ich sehe da eher Probleme für den Ostfußball, denn gerade was die Nachwuchsarbeit angeht, wo RB ja bereits jetzt sehr aggressiv um die Spieler wirbt. Dieser jungen Akteure werden mit materiellen Gegenleistungen angelockt, die sich kein anderer Verein leisten kann. Mittlerweile gibt es ja die Regelung, dass sich die DFB lizenzierten Leistungszentren keine Talente gegenseitig abwerben dürfen. Da das NLZ von RB aber noch nicht lizenziert ist, gilt diese Regelung dort noch nicht. Langfristig wird der sportliche Erfolg dann natürlich einkehren. An einen positiven Effekt für den gesamten Ostfußball glaube ich nicht. Zumal auch andere Sponsoren in Zukunft eher bei RB auftauchen dürften, einfach weil der sportliche Erfolg dort größere Dimensionen annehmen wird.

Für 35 Millionen Euro investierte RB in Trainingszentrum. Könnte der Verein zur Gefahr für die anderen Ostmannschaften wie Dresden, Cottbus oder Aue werden?

Henning: Ich denke, die Perspektiven, gerade auch im Hinblick auf die Schulbildung, sind in Leipzig einfacher größer als bei den anderen Ostmannschaften.

Benjamin: Das Problem ist ganz einfach, dass RB nicht Geld einnimmt, um erfolgreich Fußball zu spielen, sondern erfolgreich Fußball spielen will, um Geld einzunehmen. Das bringt ihnen natürliche viele Anfeindungen von Anhänger von Traditionsmannschaften. Hinzu kommt noch Folgendes: Es gibt eine Aussage von Mateschitz, wo er sagt, dass ein gewaltiger Unterschied sei, ob man einen Sponsor nur werblich erlebt, oder auch redaktionell in der Berichterstattung. Da steckt quasi der Unterton drin, dass man Einfluss auf die Berichterstattung nehmen will. Das sind ja im Prinzip Methoden, die unter Zensur fallen. Hier geht es eben nicht vom Staat, sondern von der Wirtschaft aus.

Warum hat sich RedBull ausgerechnet für Leipzig entschieden? Es ist eines von fünf Fußballprojekten des Getränkeherstellers – und man tritt Red Bull nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass das Unternehmen bislang in anderen Sportarten erfolgreicher war. Die Mannschaften in Ghana und Brasilien spielen mit mäßigem Erfolg, die Salzburger feiern nur in Österreich Erfolge, das Team in New York konnte trotz Thierry Henry noch keine Meisterschaft gewinnen. Und Leipzig spielt in der Regionalliga.

Henning: Leipzig hat einfach das Potential, gerade auch im Hinblick auf die Historie. Die Möglichkeiten sind deutlich größer, als bei einem kleineren Verein. Viele Leute im Umfeld sind fußballbegeistert. Auch die Stadt wird sich immer mehr für diesen hochinteressanten Verein interessieren. Red Bull war clever genug, um sich für diesen Standort  zu entscheiden.

Wird RB überhaupt auf die eigenen Jugendspieler setzen, oder lieber neu und möglicherweise bessere Spieler verpflichten, um schneller den Aufstieg in die Bundesliga zu schaffen?

Henning: Es wird im Endeffekt daraus hinauslaufen, dass es eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern geben wird.

Benjamin: Das wird vom sportlichen Erfolg abhängen. Wenn man schnellen sportlichen Erfolg hat, wird es immer die Möglichkeit geben, die jungen Spieler einzusetzen. Wenn es allerdings nicht so läuft, dann wird die Vereinsleitung sich eher für den vermeintlich einfacheren Weg entscheiden und für viel Geld erfahrene Spieler verpflichten. Dann könnte es ähnlich wie in Hoffenheim werden, wo man zwar viele Jugendspieler im Kader hat, die jedoch nicht den Sprung in die Profimannschaft schaffen.

Wäre das Projekt RB Leipzig auch ohne die Heim-WM 2006 denkbar gewesen?

Benjamin: Ich denke, dass sich RedBull auch ohne dieses Stadion in Deutschland engagiert hätte, aber vielleicht nicht unbedingt in Leipzig.

Führt der Weg von RBL langfristig an die Spitze des Deutschen Fußballs? Wird man sogar Bayern und Dortmund dauerhaft ablösen können?

Henning: Auf Dauer schon! Wenn Leipzig erstmal in der zweiten oder gar in der ersten Bundesliga stehen wird, wird RedBull Blut geleckt haben, denn alleine der Werbeeffekt ist ja riesig. RedBull wird sich in der Bundesliga auf keinen Fall mit einem Mittelfeldplatz zufrieden geben. Sie wollen mehr als Hoffenheim und sie wollen weltweit anerkannt sein. Die Bundesliga bietet dafür hervorragende Möglichkeiten.

Benjamin: Der Weg wird auf jeden Fall langfristig in die Bundesliga führen. Ob sie die Bayern als Spitzenverein ablösen werden, halte ich allerdings für fragwürdig.

Henning: Du musst ja sehen, wie viel RedBull investieren will. Wenn man viel Geld in die Hand nimmt, kommen auch die Stars. Fußball ist nun mal leider ein Söldnergeschäft und daher denke ich, dass einige Spieler bei bestimmen finanziellen Anreizen nach Leipzig wechseln werden. Sicherlich muss auch das Konzept überzeugen. Allein die finanziellen Möglichkeiten werden nicht ausreichen. Aber ich denke, dass genügend Fußballkompetenz vorhanden ist, um strategisch wichtige Entscheidungen treffen zu können. Der Plan muss klar erkennbar sein und darf nicht wie in Hoffenheim jedes Jahr aufs Neue geändert werden. Dadurch wird automatisch ein Stück weit an Glaubwürdigkeit verloren.

Ihr sprecht es an: Inwiefern könnte das Projekt in Hoffenheim ein mahnendes Beispiel sein?

Henning: Hoffenheim ist ein schwieriges Thema, denn es fehlt einfach so bisschen die Philosophie. Natürlich ist das Beispiel mahnend, aber ich gehe davon aus, dass RB die ganze Sache anders angehen wird. Wie ich eben schon erwähnt habe, fehlt in Hoffenheim das klare Konzept. Es wird zuviel Angriffsfläche geboten. Die Mehrzahl der Probleme ist absolut selbstverschuldet. Auch die Diskussion um dem Kommerzfaktor oder Söldnermentalität wird bei der TSG in vielen Bereichen mit neuer „Nahrung“ gefüttert. Leipzig wird aus diesen Fehlern lernen. Sicherlich wird die Antipathie zu Beginn ähnlich stark ausgeprägt sein wie in Hoffenheim. Dafür ist das Traditionsbewusstsein im deutschen Fußball zu stark ausgepägt. Besonders die Ultras werden solch einen Verein nur sehr schwer akzeptieren können, da viele Werte des echten Fans, die ihm vom eigenen Verein vorschweben, nicht vorlebt. Solche Projekte, denes es natürlich an Tradition gänzlich fehlt, müssen durch ein klares Konzept überzeugen. Jugendarbeit könnte die Identifikation stärken und dem Verein ein „Gesicht“ und damit sicherlich auch mehr Sympathie geben.

 

   
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