Zweitliga-Aufsteiger Darmstadt: Der Wahnsinn hat viele Gesichter

Traumtore, eine großartige Atmosphäre, ein nicht gegebener Elfmeter und eine Dramaturgie wie aus einem guten Thriller – das Relegations-Duell zwischen Arminia Bielefeld und dem SV Darmstadt 98 um den Verbleib bzw. den Aufstieg in die Zweite Liga hatte alles. Lange 21 Jahre mussten die Darmstädter Fans auf die Rückkehr warten, der bloße Wille ihres Teams ließ den Traum nun wahr werden.

In der 122. Minute drehte Elton da Costa jubelnd ab, die in blau-weiß gekleideten Fans hinter dem Tor, in das er gerade den Ball zum 4:2 für Darmstadt 98 geschossen hatte, verfielen vollkommen in Ekstase. Kurz darauf traf Bielefelds Arne Feick nur den Pfosten und vergab damit die letzte Chance dieses Relegations-Rückspiels. Dies war der Schlusspunkt eines intensiven und spektakulären Duells, das an Spannung kaum zu überbieten war. Arminia Bielefeld steigt also in die Dritte Liga ab, Darmstadt 98 steigt in die Zweite Liga auf.

Im Hinspiel noch klar unterlegen, traten die „Lilien“ von Beginn an entschlossen auf und erspielten sich Chance um Chance, um den 1:3-Rückstand wettzumachen. Nicht selbstverständlich, auch nicht für die mitgereisten Anhänger. Deren Frust war nach der Leistung vom vergangenen Freitag groß, einige hatten gar ihre Fanbus-Plätze samt Tickets zurückgegeben. Diejenigen dürften sich geärgert haben: Nicht nur, dass ihr Club aufgestiegen ist, sie verpassten auch ein denkwürdiges Spiel, in dem alle Darmstädter Tore mehr als sehenswert waren: In der 23. Minute erzielte Drittliga-Torschützenkönig Dominik Stroh-Engel (27 Tore und acht Vorlagen in 34 Spielen) mit dem Außenrist die Führung für die Gäste.

 Darmstadt nicht nur Stroh-Engel

 „Das Team besteht doch sowieso nur aus Dominik Stroh-Engel. Ohne ihn wäre Darmstadt nichts!“ An solche Kommentare mussten sich die Fans der „Lilien“ während der abgelaufenen Saison gewöhnen. Kein Wunder, wenn ein Spieler an über 60% der Tore seines Teams direkt beteiligt ist. Stroh-Engels Teamkollegen widerlegten diese These jedoch eindrucksvoll: In einer homogenen Mannschaft stach am Montagabend niemand heraus, alle elf Darmstädter auf dem Platz glaubten an ihre Chance – und nahmen ihrem Torjäger die Last von den Schultern. Mittelfeldspieler Hanno Behrens erzielte in der 51. Minute das nächste sehenswerte Tor: Mit der Hacke beförderte der 23-Jährige den Ball nach einer Ecke zunächst an den Innenpfosten, von dort sprang er hinter die Torlinie. Nach dem prompten Anschlusstreffer für Bielefeld durch Felix Burmeister, brachte Darmstadts zweiter zentraler Mittefeldspieler Jerôme Gondorf den Gästeblock erneut zum Kochen: Mit einem brachialen Gewaltschuss aus 20 Metern nach Vorlage von Marco Sailer erzwang er die Verlängerung (79.).  Sailer steht als Sinnbild für den absoluten Willen des Teams: Nach vierwöchiger Verletzungspause stand er unerwartet bereits im Hinspiel in der Startelf, nun spielte er die gesamten 120 Minuten durch – und rackerte und lief für zwei. Genau diesen Geist beschwor Torschütze Gondorf noch vor der Partie: „Wichtig ist, dass wir es fühlen!“

„Lilien“ letztes Jahr sportlich abgestiegen

Apropos Fühlen: Als Bundesliga-Schiedsrichter Dr. Jochen Drees den Darmstädtern in der Verlängerung einen klaren Handelfmeter verweigerte, Kacper Przybylko kurz darauf für das 2:3 sorgte und die Bielefelder schon feierten, fühlten sich die meisten der über 2400 mitgereisten „Lilien“-Fans bereits mehr als leer – doch dann kam Elton da Costa. Und dann der Jubel. Und die Tränen. Nachdem der Verein nur aufgrund des Lizenzentzuges seines alten Konkurrenten Kickers Offenbach dem Abstieg entging und vor der Saison als erneuter Kandidat für die unteren Plätze gesehen wurde. Nach einer Saison mit einer Serie von 17 ungeschlagenen Spielen steht er nun auf dem Gipfel seines Erfolgs: Nach 21 Jahren schafft es Darmstadt 98 also zurück in die Zweite Liga. Mit einer ganzen Region im Rücken. Mit einer Mannschaft, die sich selbst als „wahnsinnig“ bezeichnet. Und der Wahnsinn stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Der Wahnsinn hat in Darmstadt viele Gesichter.

Die Aufstiegsfeier in Fotos

 

FOTOS:  FU Sportfotografie

   

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