Wächst Halle auswärts in Unterhaching über sich hinaus?

Auch im dritten Heimspiel kein Punkt. So sehr man sich beim Halleschen FC vorgenommen hatte, die Saison 2014/2015 mit einer klaren, spielerischen Linie zu gestalten, so deutlich wurde vor allem in den letzten Heimpartien, dass die laufende Saison immer mehr zum Abbild der Vorsaison wird. Zwar konnten die Hallenser am Sonnabend gegen die Stuttgarter Kickers zum ersten Mal in dieser Saison ein Heimtor bejubeln, am Ende blieb aber die Ernüchterung der erneuten Niederlage vor einer Minusrekordkulisse von knapp über 5.300 Zuschauern. Und trotzdem: Bei allem Ärger über die verschenkten Punkte, war es die bisher beste Heimpartie der Saalestädter. Auch, weil es im Stadion endlich nicht mehr mucksmäuschenstill war. Überraschend entrollte die gescholtene Fangruppierung „Saalefront“ zu Beginn des Spiels ein Banner mit der Aufschrift „Hallescher Fußballclub Chemie“ –eine klare Ansage, um wen es im dem ganzen Getöse der letzten Wochen letztendlich gehen soll – und beendete ihren schweigenden Boykott gewohnt lautstark.

Von den Kickers taktisch überrollt

Dies schien die Mannschaft von Sven Köhler auch direkt zu beflügeln, vom Anpfiff an begann die Partie druckvoll und offensiv. Mit Erfolg, denn bereits nach sechs Minuten vollendete Sascha Pfeffer eine starke Kombination von Maximilian Jansen und Sören Bertram zum 1:0. Von hier an war der Weg geebnet für einen packenden Fußballabend im ERDGAS-Sportpark, allerdings war das eine Rechnung ohne die taktisch hervorragend aufgestellten Stuttgarter. In der Mannschaft von Horst Steffen agierte Kapitän Enzo Marchese als zurückgezogener Sechser, der sich regelmäßig strategisch in die Verteidigung zurückfallen ließ, sodass die Hintermannschaft der Kickers flexibel zwischen Dreier-, Vierer und Fünferkette rotieren konnte und die Stuttgarter dem HFC vor allem im Spielaufbau im Mittelfeld klar den Schneid abkaufte. So ließen sich die Gäste auch nach dem frühen Gegentor bemerkenswerterweise nicht aus der Ruhe bringen, sondern drückten konsequent auf das Gehäuse von HFC-Keeper Kleinheider und kamen nur zwei Minuten später zum Ausgleich durch den hervorragenden Gerrit Müller.

Kein Elfmeter für den HFC

Danach spielte sich die erste Halbzeit vor allem in der halleschen Spielfeldhälfte ab, denn  der HFC scheiterte immer wieder im Spielaufbau an der Vielbeinigkeit des Stuttgarter Mittelfelds. Lediglich Fehler der Gäste führten zu den bekannt giftigen HFC-Kontern, von denen einer kurz vor der Halbzeit auch fast im Netz zappelte. Marcel Baude köpfte jedoch knapp daneben. Protagonist der zweiten Hälfte war dann Schiedsrichter Christian Dietz. Sekunden nach Wiederanpfiff ließ HFC-Verteidiger Schick im Strafraum das Bein stehen und foulte Besart Halimi. Den folgenden Elfmeter verwandelte Kickers-Kapitän Marchese souverän. Danach war es ein Spiel auf ein Tor, der HFC kämpfte verbissen um den Punktgewinn, doch spätestens am Strafraumrand fehlte der entscheidende Pass, der finale Schuss oder aber das letzte Quäntchen Glück. Rund um den Strafraum glich der Rasen aber einem Schlachtfeld, besonders Halles Sören Bertram bekam, wie einst Schweinsteiger im WM-Finale, minütlich Feuer von den Gästeverteidigern und musste nach einer guten Stunde vom Feld – ironischerweise ohne Fremdeinwirkung.

Ohne Bertram nach Unterhaching

In der Nachspielzeit gab es dann noch einmal Aufregung rund um Schiedsrichter Dietz, der dem HFC kurz nacheinander zwei Elfmeter verweigerte. Nach dem sehr großzügigen Elfmeter für die Kickers eine mehr als fragwürdige Entscheidung, die das Publikum nach Schlusspfiff mit wütenden Pfiffen begleitete und auch Manager Ralph Kühne auf die Palme brachte, der wutschnaubend zum Schiedsrichtergespann stürmte. Trainer Sven Köhler vermied es jedoch, dem Schiedsrichter nach der Partie die Schuld zu geben. „Wir haben ein paar Situationen anders gesehen, das Spiel haben aber wir verloren und nicht der Schiedsrichter“, erklärte der Trainer gewohnt zurückhaltend, was Offiziellen-Kritik angeht. Dieses Bewusstsein deckt in der Nachbetrachtung aber auch Defizite auf, die man vor der Saison nicht erwartet hatte. So war der Gast aus Stuttgart ein Paradebeispiel für taktischen Willen, während sich die Köhler-Elf zuletzt nach Rückschlägen immer wieder zu schüchtern auf dem Rasen bewegte und das in einem eigentlich dynamischen System, was Selbstbewusstsein und Mut verlangt. Bestes Beispiel war dafür am Sonnabend noch Sören Bertram, der die Anweisungen souverän befolgte, immer wieder mit Sascha Pfeffer rochierte und auch verbal das Zepter an sich riss. Umso schwerer wiegt nun sein Ausfall in Unterhaching, die ihrerseits auf einem fantastischen zweiten Platz stehen, und am Wochenende gegen Schießbude Mainz 05 II fünfmal einnetzten. Eine große Aufgabe für die HFC-Verteidigung, die andererseits, wie die gesamte Mannschaft auswärts regelmäßig über sich hinauswächst. Und so kann man am Mittwoch vor den Toren Münchens durchaus mit einer interessanten Partie rechnen.

FOTO: Julian Lehnhardt

   
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