Strittige Szenen am 7. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Münster und Großaspach, eine vermeintliche Tätlichkeit von Manuel Farrona Pulido, der nicht gegebene Treffer für Paderborn und zwei Elfmeterszenen in Rostock. Am 7. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sieben strittige Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Niklas Brandt (1. FC Magdeburg) bringt Jesse Weißenfels (Münster) im Strafraum Fall, Schiedsrichter Timo Gerach lässt die Partie jedoch weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 10:50]
Babak Rafati: Hier ist Teamarbeit gefordert. Der Schiedsrichter steht eigentlich ganz gut zum Geschehen, jedoch versperrt Brandt die Sicht des Schiedsrichters. In der Zeitlupe kann man mit Hilfe der seitlichen Kameraperspektive sehr gut erkennen, dass Brandt den Angreifer von Münster, Weißenfels, beim Versuch des Ballspielens klar in die Beine trifft und dadurch zu Fall bringt. Diesen Blickwinkel hat auch der Assistent und hier wäre seine Unterstützung sehr hilfreich und zudem unumgänglich gewesen, was zu einer richtigen Entscheidung hätte führen können. Der Schiedsrichter hat es bei diesem sogenannten toten Winkel (rechte Seite des Strafraumes) immer schwer, die Zweikämpfe optimal einzusehen. Es hätte Strafstoß für Münster und eine gelbe Karte gegen Brandt geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.
Szene 2: Edisson Jordanov (Preußen Münster) wird von zwei Magdeburgern im Strafraum zu Fall gebracht, Gerach zeigt aber erneut nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:15:00]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht mit freier Sicht optimal zu dieser Szene. Natürlich liegt ein Kontakt des Verteidigers von Magdeburg vor und dieser trifft Jordanov leicht am Oberschenkel, aber hier von einem Foulspiel zu sprechen, wäre nicht im Sinne des Fußballs. Dieser Kontakt ist fußballtypisch, denn der Verteidiger "stellt" den Gegner und die Aktion gilt nur dem Ball und somit wird so etwas von einem Schiedsrichter im Strafraum niemals geahndet.
Oft wird die Frage gestellt, ob man nicht eine derartige Szene im Mittelfeld ebenso gepfiffen hätte. Das sind aber reine Spekulationen und in diesem Zusammenhang kann man eher die gesamte Spielleitung/-linie und das Ahnden der Vergehen des Schiedsrichters in dem jeweiligen Spiel als Maßstab heranziehen. Nur daraus kann man eine annähernde Tendenz herleiten. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, hier weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Bei einem Zweikampf um den Ball geht der Arm von Manuel Farrona Pulido (Magdeburg) in Richtung von Michele Rizzi (Münster). Die Bank der Preußen springt auf und will eine Tätlichkeit des Magdeburgers gesehen haben, der Schiedsrichter zeigt jedoch Rizzi die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 1:15:35]
Babak Rafati: Pulido wird durch ein taktisches Foulspiel, was verwarnungswürdig ist, durch Festhalten gestoppt. Darüber regt er sich berechtigterweise auf, denn Emotionen gehören zum Spiel. Beim Deuten im Sinne von "Was soll denn das ?" reißt er seine Arme hoch und trifft unglücklich und vor allem völlig unbeabsichtigt seinen Gegenspieler Rizzi. Eine richtige Entscheidung, für diese Aktion des Magdeburgers keine Strafe auszusprechen.
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Szene 4: Thomas Bertels trifft zum 3:0 für Paderborn, Schiedsrichter Patrick Schult gibt den Treffer aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition allerdings nicht. Unmittelbar davor spielt Ben Zolinski (Paderborn) den Ball jedoch mit der Hand, was der Schiedsrichter aber nicht ahndet. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]
Babak Rafati: Eine Situation, die eine hohe Konzentration des Schiedsrichters erfordert, zumal der Ball soeben aus der ernst zu nehmenden (!) Gefahrenlage im Strafraum geklärt wurde und der Schiedsrichter sich oftmals gedanklich orientiert und kurz "Luft holt“. Spieler kennen das auch beim eigenen Positionsspiel. Die Fernsehbilder zeigen aber, dass ein Handspiel von Zolinski vorliegt. Daher eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Es hätte Freistoß für Erfurt und Gelb gegen Zolinski geben müssen.
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Szene 5: Alexander Langlitz (Sportfreunde Lotte) berührt Marcel Ziemer (Hansa Rostock). Dieser fällt und Schiedsrichter Asmir Osmanagic gibt Strafstoß für Hansa. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]
Babak Rafati: Zunächst einmal muss man festhalten, wie glänzend der Schiedsrichter sich mit seiner sehr starken Physis durch einen Sprint in die optimale Position bringt. Das ist die halbe Miete. Man sieht vor allem, wie der Schiedsrichter auf Höhe des Mittelkreises plötzlich nach rechts abdreht und zielstrebig hinter dem Zweikampf herläuft, um möglichst nah dran zu sein und somit das Geschehen bestmöglichst bewerten zu können. Weil der Verteidiger von Lotte, Langlitz, im eigenen Strafraum ein Vergehen gegen den Gegenspieler begeht, indem er ihn von hinten im Laufduell trifft, wird Ziemer eine eindeutige Torchance genommen – auch wenn er das vielleicht nicht beabsichtigt. Beim Kreuzen der Laufwege nimmt der Verteidiger billigend in Kauf, den Angreifer zu treffen.
Somit ist der Strafstoß als Spielstrafe eine völlig richtige Entscheidung. Allerdings hätte es statt der gelben die rote Karte gegen Langlitz geben müssen, da der Verteidiger keine Möglichkeit hatte, den Ball im Zweikampf zu spielen. Es liegt als eine Fehlentscheidung vor.
Hinweis zur Dreifachbestrafung: Es gibt seit Beginn dieser Saison eine Neuerung dieser Regel. Beim Vereiteln einer glasklaren Torchance muss nicht mehr immer zwingend die rote Karte gezeigt werden. Wenn der Verteidiger jedoch beabsichtigt nur den Angreifer an einer glasklaren Torchance hindert bzw. keine Chance hat, den Ball zu spielen (wie in dieser Szene), gibt es weiterhin Rot.
Szene 6: Kevin Pires-Rodrigues (Sportfreunde Lotte) wird von Tommy Grupe (Hansa Rostock) zu Fall gebracht, Osmanagic entscheidet auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 5:40]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und hat freie Sicht zum Zweikampf. Grupe räumt nur seinen Gegenspieler im Strafraum ab und somit ist die Entscheidung absolut richtig.
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Szene 7: Fabian Menig (VfR Aalen) bringt Manfred Osei Kwadwo (SG Sonnenhof Großaspach) im Strafraum zu Fall Schiedsrichter Christof Günsch lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf prallen beiden Spieler zusammen und somit ist es absolut richtig, das Spiel nicht zu unterbrechen. Kwadwo läuft sogar eher selbst in den Verteidiger von Aalen hinein und kommt dadurch zu Fall. Ein absolut fußballtypischer Bewegungsablauf.