Strittige Szenen am 37. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Duisburg, Magdeburg, Saarbrücken, Zwickau und Mannheim, der Strafstoß für Halle, das 2:2 von Braunschweig, das 2:1 von Halle, das 2:0 von Köln, der nicht gegebene Treffer von Wiesbaden, der Platzverweis gegen Meppens Dombrowka, ein Foulspiel von Braunschweigs Schultz und ein Handspiel von Mannheims Seegert. Am 37. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Im Strafraum ist John Yeboah (Duisburg) auf dem Weg zum Tor, geht aber gegen Claudio Kammerknecht (Freiburg II) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Konrad Oldhafer. [TV-Bilder – ab Minute 17:05]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf stellt Kammerknecht nur den Körper in den Weg und kann sich nicht in Luft auflösen. Auch wenn Yeboah den Kontakt sucht und diesen dankend annimmt, liegt ein korrekter Zweikampf. Somit kein Foulspiel und eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Im Anschluss an einen Eckball des MSV Duisburg kommt Hugo Siquet (Freiburg II) im Strafraum mit der Hand an den Ball. Auf den Punkt zeigt Oldhafer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafat: Nachdem ein Duisburger den Ball auf das gegnerische Tor köpft, blockt Siquet den Ball aus kurzer Entfernung mit dem Arm. Auch wenn die Distanz sehr kurz ist, aus der Siquet den Ball an den Arm geköpft bekommt, ist der Arm ausgespreizt, sodass er in Kauf nimmt, den Ball an den Arm zu bekommen. Somit liegt ein Kriterium für ein absichtliches Handspiel vor. Folglich hätte es einen Elfmeter für Duisburg sowie die gelbe Karte gegen Siquet geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 3: Michael Schultz (Braunschweig) grätscht Mike Feigenspan (Meppen) im Strafraum um. Schiedsrichter Florian Lechner gibt Elfmeter, aber keine Karte für den BTSV-Verteidiger. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf geht Schultz sehr ungeschickt in einen Zweikampf und bringt Feigenspan zu Fall. Das ist unumstritten ein Foulspiel. Da dieser Zweikampf im Kampf um den Ball passiert und keine besondere Härte vorliegt, ist keine Karte erforderlich. Eine richtige Entscheidung, vom hervorragend postierten Schiedsrichter auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 4: Bei einem Torschuss von Zauner (Braunschweig) läuft Lion Lauberbach (Braunschweig) in Abseitsposition vor dem Meppens Keeper Mathis Harsman her und schränkt so möglicherweise seine Sicht ein. Auch Jan-Hendrick Marx befindet sich beim Schuss direkt vor dem Keeper. Der anschließende Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Beim Torschuss steht Lauberbach zwar in Abseitsposition, allerdings kommt der Ball erst gar nicht in seine Richtung, sodass er sich in einer passiven Abseitsposition befindet. Zudem greift er auch nicht ins Spielgeschehen ein, sodass er trotz seiner zentralen Position, nämlich in unmittelbarer Nähe des Torhüters, diesen erst gar nicht irritiert. Bei diesem Torschuss rollt der Ball schließlich zu Marx, der dabei versucht den Ball, noch zu touchieren, aber das Spielgerät nicht mehr trifft, woraufhin es unberührt ins Tor rollt. Da er ins Spielgeschehen eingreift, ist eine Berührung mit einer Nicht-Berührung gleichzusetzen. Aber dadurch, dass hinter ihm ein weiterer Verteidiger steht und somit eine mögliche Abseitsposition aufhebt, liegt keine Abseitsposition und folglich eine richtige Entscheidung vor, den anschließenden Treffer für Braunschweig anzuerkennen.

Szene 5: An der Strafraumgrenze bekommt Max Dombrowka (Meppen) einen Schuss von Bryan Henning (Meppen) aus kurzer Distanz an den Arm und sieht Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Nach einem Schuss von Henning bekommt Dombrowka den Ball zwar aus kurzer Entfernung an den Arm und blockt das Spielgerät, allerdings ist der Arm abgespreizt, sodass ein Handspiel in Kauf genommen wird. Das ist regeltechnisch ein absichtliches Handspiel, somit muss es neben dem Freistoß die gelbe Karte geben. Da Dombrowka bereits gelb-verwarnt war und ein absichtliches Handspiel in Tornähe als unsportlich eingestuft wird, ist die logische Konsequenz die gelb-rote Karte. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, dieses Vergehen entsprechend zu ahnden.

 

Szene 6: Auf dem Weg zum Tor geht Elias Huth (Halle) im Strafraum gegen Tobias Kraulich (Würzburg) zu Fall. Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell verfolgt Kraulich seinen Gegenspieler Huth auf dem Weg zum Tor, verhält sich absolut regelkonform und begeht überhaupt kein Foulspiel. Das Zufallkommen des Angreifers ist der Tatsache geschuldet, dass er selbstverschuldet aus der Balance kommt. Zwar ist während des natürlichen Bewegungsablaufs auch ein minimaler Kontakt mit dem Verteidiger im Spiel, der aber nicht verboten ist. Eine Fehlentscheidung, in dieser Szene einen Elfmeter für Halle zu verhängen.

Szene 7: Tobias Kraulich (Würzburg) zeigt eine Verletzung an und schießt den Ball unbedrängt ins Aus. Danach wird er von der Schiedsrichterin befragt, kehrt dabei auf den Platz zurück. Halle führt den Einwurf aus und erzielt daraus das 2:1. Würzburg reklamiert, dass der Ball nach dem Fairplay-Gedanken zu ihnen hätte zurückgespielt werden müsse. Das Tor zählt aber. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Zunächst einmal pfeift die Schiedsrichterin zweimal, um zu signalisieren, dass das Spiel beim Einwurf wegen einer möglichen Verletzung noch nicht fortgesetzt werden soll. Dann läuft sie zu Kraulich und fragt ihn womöglich, ob er eine Behandlung benötigt. Er scheint dass zu verneinen, was man sehr gut an der Körpersprache der Schiedsrichterin und von Kraulich erkennen kann. Daraufhin wendet sich die Schiedsrichterin wieder ab und gibt ihre Zustimmung zur Spielfortsetzung ohne Pfiff zum Einwurf für den Gegner. Das ist regeltechnisch in Ordnung, da beim Einwurf kein Pfiff zur Spielfortsetzung erforderlich ist.

Allerdings wäre es taktisch klüger gewesen, erneut durch einen klaren Pfiff für alle Beteiligten deutlich zu signalisieren, dass das Spiel fortgesetzt wird und anschließend keine Diskussionen aufkommen. Ob der anschließende Einwurf aus Fairplay-Gründen zum Gegner zurückgespielt wird oder nicht, obliegt nicht der Schiedsrichterin, sondern nur den Mannschaften. Insgesamt hat die Schiedsrichterin nichts falsch gemacht, lediglich wäre die Spielfortsetzung beim Einwurf durch einen klaren Pfiff klüger gewesen. 

 

Szene 8: Im Mittelfeld verliert Mike Wunderlich (Kaiserslautern) bei einem Zweikampf mit Patrick Sontheimer (Köln) den Ball, Schiedsrichter Martin Petersen pfeift nicht. Aus dem Angriff fällt das 2:0 für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Ob Sontheimer seinen Gegenspieler Wunderlich tatsächlich trifft oder nicht, ist nicht erkennbar. Warum Wunderlich zu Fall kommt, kann nur spekuliert werden. Vielleicht weicht Wunderlich nur aus und es gibt überhaupt keinen Kontakt. Selbst wenn ein entscheidender Kontakt – in diesem Fall Beinstellen oder über das Knie springen lassen – vorgelegen haben könnte, kann ein Schiedsrichter das Spiel nicht auf Verdacht unterbrechen, wenn er nichts gesehen hat.  Für mich eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen, da kein Foulspiel zu sehen ist.

 

Szene 9: Jason Ceka (Magdeburg) wird im Strafraum angespielt und geht gegen Fabian Greilinger (München) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck. [TV-Bilder – ab Minute 27:40]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von München will Greilinger zum Ball grätschen und rutscht am Spielgerät vorbei. Sein Gegenspieler Ceka kann somit den Ball an ihm vorbeilegen, wird dabei womöglich leicht touchiert und kommt zu Fall. Diese Berührung reicht für ein Foulspiel aber nicht aus, und der Kontakt ist nicht ursächlich für das Zufallkommen. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 10: Im Zentrum verpasst Justin Steinkötter (Saarbrücken) eine Hereingabe, weil er von Adam Susac (Zwickau) möglicherweise am Knöchel getroffen wird. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Alexander Sather nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:29:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf rutschen Steinkötter und Susac circa 5 Meter zentral vor dem Tor zum Ball, verpassen beide das Spielgerät und kommen anschließend zu Fall. Dabei ist kein Foulspiel von Susac zu erkennen. Auch das anschließende Verhalten beider Spieler lässt darauf schließen, dass alles regelgerecht ablief. Natürlich kann es einen Kontakt des Verteidigers gegen den Angreifer gegeben haben, aber das reicht bei weitem nicht für einen Elfmeter aus. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 11: Nach einer Flanke will Mike Könnecke (Zwickau) zum Ball, wird aber von Mario Müller (Saarbrücken) behindert und kommt zu Fall. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:48:10]

Babak Rafati: Könnecke legt sich den Ball im gegnerischen Strafraum an Gegenspieler Müller vorbei und will an ihm vorbeilaufen. Dabei steht Müller im Weg, wofür er aber nichts kann. Auch der linke Arm, der herausgefahren wird, um den Angreifer am Weiterlaufen zu hindern, ist nicht ausreichend für ein Foulspiel. Allerdings nimmt Müller das linke Bein heraus, hindert Könnecke entscheidend am Weiterlaufen und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel, sodass es einen Elfmeter für Zwickau hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben.

 

Szene 12: Benedict Hollerbach (Wiesbaden) trifft zum 1:0, wird aber von Schiedsrichter Max Burda aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung beim Pass von Gustaf Nilsson zurückgepfiffen. Das Tor zählt nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Bei diesem Abspiel von Nilsson auf Hollerbach kann nicht zweifelsfrei aufgelöst werden, ob eine Abseitsposition vorliegt oder nicht. Der Verteidiger grätscht mit einem langen Bein zum Ball, und sein Fuß scheint dabei etwas hinter der Rasenmarkierung zu sein. Der Angreifer wiederum, der angespielt wird, scheint mit der Fußspitze und womöglich mit dem Knie etwas weiter als der Fuß des Verteidigers von der Rasenmarkierung entfernt zu sein, sprich näher zur Torlinie zu stehen. Daher scheint tendenziell eine Abseitsposition und somit eine richtige Entscheidung vorzuliegen, den anschließenden Treffer nicht anzuerkennen.

Szene 13: Anton Donkor (Mannheim) dringt in den Strafraum ein und geht gegen Ahmet Gürleyen (Wiesbaden) zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Burda. [TV-Bilder – ab Minute 54:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Gürleyen und Donkor im Strafraum von Wiesbaden geht alles mit rechten Dingen zu, denn der Einsatz des Verteidigers ist durch einen korrekten Rempler absolut regelgerecht, sodass er kein Foulspiel begeht. Weiterspielen lassen ist die einzig richtige Entscheidung.

Szene 14: Eine Flanke von Benedict Hollerbach (Wiesbaden) wehrt Marcel Seegert an der Strafraumgrenze im Fallen mit den Armen ab. Das Spiel wird mit einer Ecke für Wiesbaden fortgesetzt. [TV-Bilder – ab Minute 59:30]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Hollerbach reißt Seegert an der Strafraumgrenze, knapp außerhalb des Strafraumes, in Handballtorwart-Manier beide Arme hoch, wehrt den Ball klar und deutlich mit der Hand zur Ecke ab und verhindert damit, dass der Ball in die Mitte geflankt werden kann. Das ist ein absichtliches Handspiel, und somit hätte es einen Freistoß für Wiesbaden sowie die gelbe Karte gegen Seegert wegen Unsportlichkeit geben müssen. Wenn der Schiedsrichter dieses Handspiel aus seiner Position nicht sehen kann, was auch nachvollziehbar ist, muss zumindest der Assistent auf Seite, auf der das Handspiel begangen wurde, das Vergehen sehen und dem Schiedsrichter entsprechend anzeigen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Interessant ist auch mal wieder die Reaktion eines fehlbaren Spielers. Der Blick von Seegert nach dem Handspiel sagt alles aus, selbst wenn man die Szene zuvor nicht gesehen hat.

 

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

   

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