Strittige Szenen am 34. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 für Halle, die nicht gegebenen Elfmeter für Halle, Karlsruhe, Meppen, Großaspach und Cottbus, der Strafstoß für Uerdingen, die Platzverweise gegen Kaufmann und Sontheimer, das 1:0 für Jena und der verwehrte Treffer für Braunschweig: Am 34. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 12 Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).[/box]

Szene 1: Eine Flanke von Björn Jopek verwandelt Kilian Pagliuca zum 1:0 für den Halleschen FC. 1860 moniert Abseits, Schiedsrichter Sören Storks gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Diese Szene kann man nicht zweifelsfrei ohne den Videobeweis, wie wir ihn aus der Bundesliga mit den kalibrierten Linien kennen, auflösen. Daher sollte man die Entscheidung des Schiedsrichtergespanns akzeptieren, auch wenn Zweifel bleiben.

Szene 2: Sebastian Mai (Hallescher FC) will im Strafraum zum Ball und kommt im Duell mit Simon Lorenz zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Storks. [TV-Bilder – ab Minute 48:15]

Babak Rafati: Lorenz läuft im eigenen Strafraum zum Zweikampf und wirft sich nur zwischen Ball und Gegner. Gleichzeitig holt Mai aus und setzt zum Schuss an. Hierbei trifft er Lorenz, sodass wenn überhaupt ein Stürmerfoul vorliegt. Die Aktion von Lorenz hingegen ist absolut regelgerecht und somit kein Foulspiel. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Simon Lorenz (1860 München) bringt den Ball auf das Tor, HFC-Keeper Kai Eisele schlägt ihn heraus. 1860 will den Ball hinter der Linie gesehen haben, der Schiedsrichter lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Ob der Ball im Tor ist, kann der Assistent eigentlich ganz gut sehen, da er seitlich auf die Szene schaut. Man sieht, dass Eisele mit beiden Füßen und seinem Oberkörper hinter der Torlinie steht und den auf das Tor geköpften Ball hinter seinem Körper aus dem Tor heraus befördert. In dieser Szene ist der Ball hinter der Torlinie, sodass der Schiedsrichter auf Tor für 1860 München hätte entscheiden müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 4: Janik Jesgarzewski (SV Meppen) bekommt einen Schuss von Anton Fink (Karlsruher SC) auf der Torlinie an die Hand, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Bastian Börner nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: So wie der Ball von Jesgarzewski abgewehrt wird, kann er nicht am Arm gewesen sein, da dieser nicht abstoppt (am Arm) sondern vielmehr abprallt (Brust/Bauch). Selbst wenn der Ball nach dem Schuss von Fink am Arm von Jesgarzewski gewesen sein sollte, sieht man sehr gut, dass der Arm eine natürliche Haltung hat und der Verteidiger sogar den Arm zurückzieht und nicht zum Ball führt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 5: Im Duell mit Damian Roßbach (Karlsruher SC) geht Max Kremer (SV Meppen) im Strafraum zu Fall und will einen Elfmeter. Börner lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:29:45]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Karlsruhe ist kein Kontakt zu sehen – weder im Oberkörper-, noch im Fußbereich. Der Einsatz von Roßbach ist somit korrekt ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 6: Robin Becker (Eintracht Braunschweig) klärt eine Flanke von Christian Dorda (KFC Uerdingen). Schiedsrichter Patrick Alt entscheidet auf Handspiel und zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:13:20]

Babak Rafati: Dadurch, dass Becker beim Klärungsversuch gegen Dorda im eigenen Strafraum beide Arme hochreißt, wird der Schiedsrichter ein wenig irritiert und entscheidet daher sofort auf Strafstoß für Uerdingen. Becker befördert allerdings den Ball mit der Brust zur Ecke. Das ist im normalen Ablauf wirklich schwer zu sehen und zu bewerten. Dynamik, abgewandte Seite zum Schiedsrichter usw. Ein erfahrener Schiedsrichter wird allerdings in einer derartig undurchsichtigen Situation, bei der man nicht zweifelsfrei die Frage beantworten kann, Spielerreaktionen abwarten und diese in seine Entscheidung mit einbeziehen.

Hier hat sich der Schiedsrichter aber sehr schnell festgelegt. Die Strafstoßentscheidung ist eine Fehlentscheidung. Den Verteidigern kann man aber auch diese Problematik einer möglichen Fehleinschätzung durch die Schiedsrichter nahe legen, damit sie zukünftig die Arme nicht unnötig hochreißen und ihre Mannschaft damit benachteiligen.

Szene 7: Einen Treffer von Philipp Hofmann (Eintracht Braunschweig) erkennt Alt aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht an. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:05]

Babak Rafati: Das ist natürlich kein Abseits und somit eine Fehlentscheidung. Der Assistent hat sich einfach nicht voll konzentriert, um den Moment der Ballabgabe abzupassen.

 

Szene 8: Bei einer Ecke für den FC Carl Zeiss Jena liegt der Ball bei der Ausführung nicht im Eckkreis, Schiedsrichter Franz Bokop gibt den anschließenden Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Der Ball liegt deutlich außerhalb des Eckkreises. Das ist nicht nur eine Fehlentscheidung, sondern vielmehr eine falsche Spielfortsetzung. Das Tor hätte nicht zählen dürfen, somit liegt ein Regelverstoß vor.

 

Szene 9: Im Duell mit René Klingenburg (Preußen Münster) geht Marco Hingerl (Sonnenhof Großaspach) im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Eric Müller entscheidet auf Vorteil und gibt keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:50:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Münster sind zwei Verteidiger an Hingerl dran. Der Verteidiger hinter ihm, der beim Klärungsversuch zu Boden fällt, trifft Hingerl nicht. Aber der zweite Verteidiger trifft Hingerl kurz und ansatzlos mit dem linken Fuß an dessen linken Fuß/Knöchel und bringt ihn dadurch zu Fall. Der Schiedsrichter signalisiert Weiterspielen. Das ist jedoch ein Foulspiel und somit hätte es einen Strafstoß für Großaspach geben müssen. Eine Fehlentscheidung.

Szene 10: Bei einem Zweikampf um den Ball wird Joel Gerezgiher (Sonnenhof Großaspach) von Simon Scherder (Preußen Münster) im Strafraum zu Fall gebracht. Einen Strafstoß gibt Müller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf rangeln und schieben Scherder und Gerezgiher vor dem Strafraum ein wenig, bis sich der Zweikampf in den Strafraum von Münster verlagert. Scherder verschätzt sich dabei ein wenig und als er den Angreifer vor sich hat, kommt er ins Straucheln und fällt diesem schließlich halb gewollt, halb unglücklich in die Hacken und bringt ihn entscheidend zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel (die Frage nach der Absicht spielt keine Rolle) und hätte einen Strafstoß für Großaspach geben müssen. Dadurch, dass der Angreifer nur noch den Torwart vor sich hatte, liegt eine Vereitelung einer Torchance vor (Notbremse), sodass Scherder für diese Aktion zudem die rote Karte hätte sehen müssen.

Eine klare Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Strafstoß für Großaspach zu geben. Bitter natürlich, dass sich der Angreifer bei dieser Aktion so böse verletzt.

 

Szene 11: Einen Schubser von Fabio Kaufmann (Würzburger Kickers) gegen Nils Miatke (FSV Zwickau) wertet Schiedsrichter Asmir Osmanagic als Tätlichkeit und zeigt Kaufmann glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Kaufmann rempelt Miatke an der Mittellinie weit weg vom Geschehen mit angelegtem Arm an. Das ist eine Unsportlichkeit, die mit Gelb geahndet werden muss. Miatke lässt sich das nicht gefallen und schubst Kaufmann. Auch das ist eine Unsportlichkeit und ebenfalls mit Gelb zu belegen. Der Assistent hat aber eine andere Wahrnehmung, meldet den Vorfall seinem Assistenten und signalisiert offensichtlich, dass Kaufmann mit dem Ellenbogen geschlagen hat. Das ist natürlich komplett falsch. Es hätte für Beide eine gelbe Karte geben müssen, so dass die rote Karte gegen Kaufmann eine Fehlentscheidung ist.

Szene 12: Patrick Sontheimer (Würzburger Kickers) sieht für ein Foul an Morris Schröter (FSV Zwickau) ebenfalls glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Sontheimer will den Ball zum eigenen Torhüter zurückspielen, verschätzt sich dabei allerdings, denn der Pass ist zu kurz. Schröter läuft dem Ball hinterher und wird im Laufduell am Arm gehalten. Dieses Halten nimmt er dankend an und kommt zu Fall. Schröter wäre durch gewesen und hätte eine glasklare Torchance, sodass die Entscheidung auf Notbremse mit der roten Karte zur Folge eine richtige ist.

 

Szene 13: Lasse Schlüter (Energie Cottbus) geht bei einem Duell im Strafraum mit Jules Reimerink (Sportfreunde Lotte) zu Boden. Schiedsrichter Sven Jablonski lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Sicherlich wird Schlüter von Reimerink am Fuß berührt, aber das reicht für einen Strafstoß nicht aus. Weiterspielen ist die richtige Entscheidung.

 

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