Strittige Szenen am 33. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg und Halle, der Strafstoß für Rostock sowie die rote Karte für Schwede, der nicht anerkannte Treffer für Zwickau, die rote Karte für Wolze und das 1:0 für Aalen. Am 33. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sechs strittige Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Nach einer Flanke kommt der Ball zu Christian Beck (1. FC Magdeburg), der im Strafraum von Matthias Henn (Hansa Rostock) zu Fall gebracht wird. Schiedsrichter Wolfgang Stark entscheidet auf Weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht optimal und signalisiert nach dem Zweikampf im Rostocker Strafraum zwischen Beck und Rostock sofort weiterzuspielen. Henn tritt seinem Gegenspieler mit dem rechten Fuß unten in die linke Wade und bringt ihn im Laufduell außer Kontrolle, wodurch er zu Fall kommt. Ein wenig wird auch mit dem rechten Arm nachgeholfen, wobei dieser Vorgang für sich isoliert betrachtet kein Foulspiel ist.

Die Schwierigkeit für den Schiedsrichter liegt darin, den gesamten Bereich, sowohl im Oberkörperbereich als auch im unteren Bereich, gleichzeitig zu erfassen. Fokussiert er sich auf ein mögliches Halten, Umreißen usw. im Oberkörperbereich, könnte ihm im Fußbereich ein Tritt, Beinstellen usw. entgehen – und andersherum. Hier wird der Schiedsrichter den Fokus eher auf den Oberkörperbereich und ein mögliches Halten gelegt haben. Daher entgeht ihm das Fußvergehen durch einen Tritt von Henn im unteren Bereich. Es hätte jedoch Strafstoß geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

Bei der Frage nach der persönlichen Strafe, hätte es ausgereicht, wenn Henn die gelbe Karte gesehen hätte, denn im Zweikampf geht es um den Ball. Dabei kann man nicht davon sprechen, dass keine Chance auf den Ball vorgelegen hat und die Attacke nur gegen den Gegner gerichtet ist.   

Szene 2: Tobias Schwede (1. FC Magdeburg) blockt den Ball nach einem Schuss von Tim Väyrynen (Hansa Rostock) kurz vor der Linie. Stark entscheidet auf Handspiel, zeigt dem Magdeburger Rot und gibt Elfmeter für Rostock. [TV-Bilder – ab Minute 7:30]

Babak Rafati: Eine sehr interessante Szene, die sicherlich für viel Diskussionsstoff sorgen wird. Dabei ist es unerheblich, wie der Schiedsrichter entscheidet. Der Unparteiische steht auch hier wieder optimal zum Vorgang und hat frontal eine freie Sicht – besser kann man in dieser Szene nicht stehen. Durch die Hintertorkamera lässt sich sehr gut erkennen, dass Schwede reflexartig eine aktive Bewegung mit dem linken Arm zum Ball macht und diesen blockt, indem er seinen Arm bewusst und gezielt vor die Brust nimmt – also mit Absicht und unnatürlicher Haltung.

Wenn Schwede nichts machen würde, wäre der Ball womöglich an die Brust geprallt. Dorthin kann er aber nicht abgeprallt sein, denn sonst würde der Ball nach dem Aufprall eine andere Richtung fliegen, nämlich gerade wieder zurück. Der Ball fällt jedoch nach dem Aufprall sofort auf den Boden. Ein klares Indiz dafür, dass der Ball an den Arm ging. Dabei kann man auch nicht von einem angelegten Arm sprechen, denn dieser würde sich sonst nicht vor die Brust bewegen. Zudem dreht sich Schwede deutlich sichtbar mit seinem linken Arm nicht weg, sondern zum Ball.

Der rechte Arm wiederum zeigt den klassischen Fall vom angelegten Arm, der sich passiv verhält. Angenommen im vorliegenden Fall wäre der Ball nicht Richtung Brust, sondern an den linken Arm geflogen, und der Verteidiger hätte versucht, den Arm wegzuziehen, um den Ball eben nicht mit dem Arm zu spielen. Dann wäre es kein absichtliches Handspiel gewesen, weil das ein Wegdrehen und nicht Hindrehen des Armes darstellen würde. Eine absolut richtige Entscheidung des Schiedsrichters, auf Strafstoß zu entscheiden und den Spieler folgerichtig mit der roten Karte wegen einer klaren Torverhinderung vom Platz zu stellen.

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Szene 3: Stefan Kleineheismann (Hallescher FC) geht im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Patrick Alt lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Kleineheismann von Halle dringt in den Strafraum von Duisburg und kommt anschließend zu Fall. Janjic "stellt" nur den Angreifer, zudem sieht man sieht gut, dass im letzten Moment auch keine aktive Bewegung des Verteidigers in Richtung des Fußes von Kleineheismann erfolgt. Er bleibt sogar im letzten Moment sehr klug stehen und verhält sich geschickt, damit kein Kontakt entsteht. Auch Erat trifft den Angreifer nicht. Kleineheismann lässt sich aber auch nicht in Schwalbe-Manier fallen, sondern kommt lediglich in seinem Bewegungsablauf ins Stolpern, was letztendlich die Ursache für sein Zufallkommen ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Kevin Wolze (MSV Duisburg) steigt gegen Marvin Ajani (Hallescher FC) ein und sieht glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 6:20]

Babak Rafati: Wolze kommt an der Mittellinie mit gestrecktem Bein, offener Sohle und mit den Stollen voraus angelaufen und trifft seinen Gegenspieler auf Kniehöhe. Bei einer derartig rohen Spielweise nimmt Wolze die Gefährdung der Gesundheit von Ajani billigend in Kauf. Dafür kann es nur eine Entscheidung geben: die rote Karte. Auch wenn Ajani Glück hat, offensichtlich nicht voll getroffen, sondern nur touchiert worden zu sein, da er ohne Behandlung weiterspielen kann, ist die Entscheidung des Schiedsrichters absolut berechtigt.  

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Szene 5: Aykut Öztürk (FSV Zwickau) trifft nach Vorlage von Oliver Genausch zum 2:2 für Zwickau. Schiedsrichter Florian Heft will jedoch ein Handspiel gesehen haben und gibt den Treffer daher nicht. [TV-Bilder – ab Minute 7:15]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und kann den Vorgang optimal sehen. Ein Verteidiger von Lotte schießt im eigenen Strafraum aus einer sehr kurzen Distanz seinem Gegenspieler den Ball an den Arm. Dabei hat der Angreifer überhaupt keine Chance auszuweichen respektive den Arm wegzuziehen. Zudem setzt er seinen Arm keineswegs zur Körperflächenvergrößerung ein, vielmehr ist das eine absolut natürliche Körperhaltung im typischen Bewegungsablauf. Ein Bilderbuchbeispiel, wie ein unabsichtliches Handspiel aussehen kann.

Klassischer wäre es nur noch, wenn bei so einem Handspiel eines Angreifers der Ball direkt ins Tor springen würde. Dann würde der Treffer nämlich auch zählen. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters, wegen eines vermeintlichen Handspiels dieses Tor nicht anzuerkennen.

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Szene 6: Nach einer Ecke drückt Fabian Menig (VfR Aalen) den Ball im Sitzen zum 1:0 für Aalen über die Linie, bekommt den Ball zuvor aber an die Hand. Schiedsrichter Patrick Schult gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Dadurch, dass der Ball nach der Ecke lange in der Luft unterwegs ist und anschließend dem Aalener Spieler, Menig, an die Hand springt, kann man nicht mehr von einem unabsichtlichem Handspiel sprechen. Der Spieler hätte durchaus den Arm wegziehen können, damit er den Ball regelgerecht mit einem anderen Körperteil abstoppt. Vermutlich wird er geahnt haben, dass er den Ball mit einem anderen Körperteil nicht derartig unter Kontrolle bekommen hätte. Hier hätte es einen Freistoß wegen absichtlichen Handspiels für Paderborn geben und der fehlbare Spieler hätte die gelbe Karte sehen müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters vor.

   
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