Strittige Szenen am 32. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Platzverweise gegen Dresdens Hauptmann, Kölns Fritz und Halle Deniz, die nicht gegebenen Elfmeter für Bayreuth und 1860 sowie ein Foulspiel von Verls Knost. Am 32. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sechs strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 52-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Für ein kleineres Foulspiel an Luca Kerber (Saarbrücken) sowie ein Handspiel nach einem Schubser sieht Niklas Hauptmann (Dresden) von Schiedsrichter Sven Waschitzki-Günther jeweils Gelb und muss vorzeitig vom Platz.  [TV-Bilder – ab Minute 1:48:20 & 2:22:00]

Babak Rafati: Bei der ersten Situation an der Seitenlinie spielt Kerber den Ball.  Hauptmann kommt etwas zu spät und trifft ihn mit den Stollen auf den Fuß, wenn auch nicht voll. Auch wenn der Einsatz zudem völlig unbeabsichtigt ist, was man daran erkennt, dass der Blick von Hauptmann abgewendet ist, ist die Aktion rücksichtslos und lässt die Gefahr für den Gegner außer Acht, sodass eine gelbe Karte vorgeschrieben und somit richtig ist. Erwähnenswert ist sicherlich, dass der Schiedsrichter den Vorgang womöglich gar nicht sieht, auf Verdacht pfeift, sich anschließend von der Kulisse und der Reaktion der Spieler anstecken, erst dann pfeift und sich aufgrund dieser Stimmung zu dieser gelben Karte hinreißen lässt. Am Ende hat der Schiedsrichter aber Glück, dass die Entscheidung trotzdem passt. Man kann auch nicht argumentieren, dass der Spieler das Foulspiel nicht wollte. Das trifft zwar zu 100 Prozent zu, aber Hauptmann nimmt dieses eben mit seinem Einsatz in Kauf, und das ist final relevant für das Strafmaß.

Beim späteren Zweikampf im Spielverlauf bleibt Hauptmann im Kampf um den Ball plötzlich stehen, und daraufhin läuft Kerber in den Rücken von Hauptmann. Dabei liegt kein Stoßen vor, wie es die Spieler von Dresden anschließend monieren. Der Zweikampf ist regelgerecht. Hauptmann nimmt bei diesem Zweikampf anschließend den Ball mit der Hand absichtlich mit, sodass auch diese gelbe Karte, die in der Folge zur gelb-roten Karte führt, richtig ist.

 

Szene 2: Nachdem der Ball vom Pfosten zurück ins Feld prallt, schießt Jonas Nietfeld (Halle) sich das Spielgerät an den Arm. Bayreuth fordert Elfmeter, den Dr. Arne Aarnink aber nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Bei diesem Abwehrversuch schießt sich Nietfeld nach einem Pfostenabpraller selbst an die Hand. Das ist kein absichtliches Handspiel, und somit liegt kein strafbares Handspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Für ein Ballwegschlagen sieht der bereits gelb-verwarnte Tunay Deniz (Halle) die gelb-rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]

Babak Rafati: Nach dem Pfiff wird der Ball vom bereits gelb-verwarnten Deniz leicht weggeschlagen. Wenn ein Spieler in der 81. Spielminute bei einer 1:0-Führung so etwas tut, ist die Intention, auf Zeit zu spielen und den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen – wenn auch nur ein paar Sekunden vergeudet werden und diese auch nachgespielt werden können. Diese Spielweise provoziert und ist zudem eine Unsportlichkeit, sodass diese gelb-rote Karte absolut berechtigt ist und der Schiedsrichter keine andere Wahl hat.

 

Szene 4: Im Zweikampf gegen Tom Baumgart (Aue) kommt Tobias Knost (Verl) zu spät und tritt ihm gegen das Knie, kommt bei Schiedsrichter Nic Fuchs aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:40]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf trifft Knost seinen Gegenspieler Baumgart am Schienbein. Dabei ist der Treffer nicht mit offener Sohle, sondern mit dem Spann, sodass das Trefferbild lediglich eine gelbe Karte hergibt. Somit liegt kein brutales, vielmehr ein rücksichtsloses Spiel vor. Eine richtige Entscheidung, die gelbe Karte für dieses Vergehen zu zeigen.

 

Szene 5: Im Strafraum kommt Joseph Boyamba (1860) in einem Zweikampf mit Sascha Mockenhaupt (Wiesbaden) zu Fall. Schiedsrichter Lars Erbst lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Nach einem Torwartabpraller laufen Boyamba und Mockenhaupt zum Ball, um das Spielgerät zu erreichen. Dabei ist Boyamba schneller und trifft den Ball. Mockenhaupt hat das Nachsehen und trifft, beim Versuch den Ball zu spielen, Boyamba in die Hacken und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben.

 

 

Szene 6: Auf dem Weg Richtung Strafraum geht Julian Hettwer (Duisburg) im Laufduell mit Moritz Fritz (Köln) zu Fall, woraufhin der Kölner von Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck glatt Rot sieht. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Bei einem Laufduell zwischen Fritz und Hettwer ist der Angreifer früher am Ball und kann sich kurz vor dem Strafraum den Ball mit dem Kopf vorlegen. Nach der Ballbehauptung kommt Hettwer aus seiner Bewegungshaltung zum Ball zuvor ins Straucheln und geht, ohne dass Fritz ein Foulspiel begeht, zu Boden. Als er wieder aufstehen will, läuft Fritz weiter auf ihn zu und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, da er durch das Weiterlaufen in Kauf nimmt, den Gegner zu treffen bzw. zu foulen. Da der Mitspieler von Fritz nicht mehr hätte eingreifen können und Hettwer eine sehr gute Torchance gehabt hätte, muss zudem die rote Karte gezeigt werden, da eine Notbremse vorliegt. Eine richtige Entscheidung auf Foulspiel sowie rote Karte gegen Fritz zu entscheiden. Bei der Frage, ob der Mitspieler hätte wirklich eingreifen können oder nicht, kann man das Bild zum Zeitpunkt des Foulspiels anhalten und sieht dann sehr gut, welch aussichtsreiche Position Hettwer wirklich gehabt hätte.

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