Strittige Szenen am 32. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Bayern II, Türkgücü und Ingolstadt, der Strafstoß für Mannheim, die Platzverweise gegen Bittroff und Scherff, ein Foulspiel von Stanic sowie die Rudelbildungen in Magdeburg und Kaiserslautern. Am 32. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Für einen Bodycheck gegen Mike Könnecke (Zwickau) und ein Foulspiel an Jozo Stanic (Zwickau) sieht Alexander Bittroff (Magdeburg) von Schiedsrichter Patrick Glaser jeweils Gelb und muss vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Die erste gelbe Karte gegen Bittroff ist vollkommen richtig, da ein taktisches Foulspiel durch Bodycheck an Könnecke vorliegt und damit ein guter Angriff unterbunden wird. Auch beim zweiten Einsatz hat der Schiedsrichter keinen Spielraum. Bittroff tritt Stanic im Zweikampf mit den Stollen auf den Fuß, was eine größere Verletzung nach sich ziehen kann. Auch hier ist die gelbe Karte absolut berechtigt, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, Bittroff Gelb-Rot zu zeigen.

Szene 2: Jozo Stanic (Zwickau) hält gegen Raphael Obermaier (Magdeburg) drüber, kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:20:10]

Babak Rafati: Stanic kommt angelaufen, will den Ball spielen und streckt das Bein raus, kann aber nicht vermeiden, dass Obermaier früher am Ball ist und das Spielgerät zuerst spielt. Bei diesem Zweikampf trifft Stanic seinen Gegenspieler allerdings nicht mit dem ausgestreckten Bein, sondern mit dem anderen Fuß. Alles halb so wild, und Obermaier steht auch sofort wieder auf und läuft in Position. Somit eine richtige Entscheidung, lediglich auf Freistoß für Magdeburg zu entscheiden und Stanic nicht zu verwarnen.

Szene 3: Im Strafraum geht Baris Atik (Magdeburg) im Duell mit Steffen Nkansah (Zwickau) zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:40]

Babak Rafati: Atik legt sich den Ball im gegnerischen Strafraum an Nkansah vorbei. Dabei will Nkansah den Ball spielen, trifft jedoch ins Leere. Hierbei kommt es zum Kontakt im Oberschenkel-/Kniebereich, und Atik kommt zu Fall. Die Ausholbewegung und der leichte Kontakt von Nkansah sind allerdings nicht ursächlich für den Faller von Atik, der den Kontakt dankend annimmt und beim Zufallkommen etwas nachhilft und schwungvoll zu Boden geht. Das ist kein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Nach einem Zweikampf geraten Baris Atik (Magdeburg) und Davy Frick (Zwickau) aneinander, der Zwickauer schubst seinen Gegenspieler dabei. Kurz danach begegnen sich beide Streithähne erneut und sehen jeweils Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:37:50]

Babak Rafati: An der Torlinie Richtung Eckfahne kommt es zu einem regelgerechten Zweikampf zwischen Frick und Atik. Der Magdeburg lässt sich nach einem leichten Kontakt von hinten fallen und will nur einen Freistoß schinden. Als er daraufhin wieder aufsteht, schubst ihn Frick aus Verärgerung darüber leicht in den Rücken, sodass Atik erneut zu Fall kommt. Der leichte Schubser von Frick ist keine Tätlichkeit, sondern eine Unsportlichkeit. Somit ist die gelbe Karte in Ordnung. Auch Atik eine gelbe Karte zu zeigten, ist richtig. Er ist durch das Fallen und Schinden eines Freistoßes der Verursacher dieser Aktion. Zudem hat er schon zuvor (in Szene 3) versucht, durch einen Faller einen Strafstoß zu schinden. Insgesamt hat er sich somit um eine gelbe Karte beworben, die er dann auch bekommt. Erneut entscheidet der Schiedsrichter richtig und behält damit die Übersicht. Sehr wichtig ist, dass der Schiedsrichter die Szene von Atik zehn Minuten zuvor nicht vergessen und somit beim erneuten Versuch des Schindens im Hinterkopf hat. Kompliment! 

Szene 5: Für ein Foul an Sarpreet Singh (Bayern II) kommt Lukas Scherff (Rostock) bei Schiedsrichter Asmir Osmanagic mit Gelb davon, ehe er in der 90. Minute nach einem erneuten Foul mit Gelb-Rot doch vom Platz muss. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Singh legt sich den Ball in der eigenen Hälfte auf der rechten Außenbahn vor und läuft sehr schnell hinterher. Dabei kommt Scherff mit voller Dynamik und in hohem Tempo angerauscht, trifft Singh im Fuß-/Knöchelbereich und räumt ihn zudem rustikal um. Das ist ein brutales Foulspiel, für das es nur eine Kartenfarbe geben kann: Rot! Eine Fehlentscheidung, es nur bei einer gelben Karte zu belassen.

Bei der zweiten Aktion geht Scherff zum Ball und trifft auch ein wenig den Gegenspieler. Spielobjekt ist aber klar und eindeutig der Ball, sodass ein Freistoß vertretbar ist, jedoch keine weitere gelbe Karte. Somit liegt hier auch hier eine Fehlentscheidung vor. Auch wenn Scherff nicht mehr auf dem Platz sein dürfte, rechtfertigt das nicht, für dieses vertretbare Foulspiel in der 90. Spielminute eine weitere gelbe Karte zu zeigen, was zur Ampelkarte führt. Natürlich schwingt bei dieser Karte bei den Verantwortlichen das Gefühl einer Konzessionsentscheidung mit.

Szene 6: Eine Flanke von Lasse Günther (Bayern II) bekommt Tobias Schwede (Rostock) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Osmanagic nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:19:00]

Babak Rafati: Günther will sich in der Luft den Ball im gegnerischen Strafraum an seinem Gegenspieler Schwede vorbeilegen. Dabei nimmt Schwede den rechten Arm raus und blockt den Ball. Da der Arm aktiv zum Ball geht, liegt ein strafbares Handspiel vor, sodass es einen Strafstoß für Bayern II hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 7: Bei einer Rudelbildung geraten Fanol Perdedaj (Saarbrücken) und Jean Zimmer (Kaiserslautern) aneinander, Perdedaj greift Zimmer dabei an den Hals. Eine Karte sehen beide nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: In einer Spielruhe nach einer Freistoß-Entscheidung kommt es plötzlich zu einer Rudelbildung. Zimmer muss etwas gesagt oder getan haben, was im Bild nicht zu sehen ist. Zu sehen ist aber, dass Perdedaj an den Hals von Zimmer packt, was natürlich völlig unnötig ist. Daraufhin kommt ein Lauterer Spieler hinzu, will schlichten und hält Perdedaj fest. Perdedaj will sich befreien, und es kommt erneut zu einer Rudelbildung. Ein mögliches Vergehen von Zimmer kann nicht beurteilt werden, da nichts zu sehen ist. Aber Perdedaj gar keine Karte zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung.

Von einer Tätlichkeit würde ich nicht sprechen wollen, aber das ist unumstritten eine Unsportlichkeit. Hierfür muss es die gelbe Karte geben, da die Hand am Hals des Gegners nichts zu suchen hat. In dieser Form, wie es der Schiedsrichter tut – nämlich nur wegmoderieren – hilft keinem weiter und überschreitet absolut die Grenze. Hier kann man auch nicht mehr vom sogenannten Fingerspitzengefühl sprechen.

 

Szene 8: Furkan Kircicek (Türkgücü) kommt im Strafraumzentrum an den Ball, geht aber im Duell mit Stephan Salger (1860) zu Fall. Schiedsrichter Patrick Alt lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:46:30]

Babak Rafati: Kircicek wird von seinem Mitspieler im gegnerischen Strafraum zentral angespielt. Dabei grätscht Salger zum Ball und spielt diesen bilderbuchmäßig, sodass kein Foulspiel vorliegt. Natürlich kommt es bei diesem Abwehrversuch auch zu einem Kontakt und der Angreifer kommt zu Fall. Aber dieser Kontakt ist nicht maßgeblich, da der Ball Spielobjekt ist und die entscheidende Aktion dem Spielgerät gilt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Einen Schuss von Jonatan Kotzke (Ingolstadt) bekommt Jeron Al-Hazaimeh (Meppen) im Strafraum beim Wegdrehen an den Arm – kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Michael Bacher. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Nach einem Torschuss von Kotzke dreht sich Al-Hazaimeh, der circa fünf Meter vom Ball entfernt ist, mit dem Körper um, damit er mit dem Rücken zum Ball steht und diesen nicht ins Gesicht bekommt. Zwar bekommt er den Ball an den Arm, allerdings hat er beim Umdrehen den rechten Arm am Körper angelegt, sodass eine natürliche Haltung vorliegt. Somit ist das Handspiel nicht strafbar, und es liegt eine richtige Entscheidung vor, keinen Elfmeter für Ingolstadt zu verhängen.

 

Szene 10: Eine Flanke von Dominik Martinovic (Mannheim) nimmt Marcel Costly (Mannheim) im Strafraum an, anschließend springt der Ball hoch und prallt von seiner Brust an den Oberarm von Mirko Boland (Lübeck). Schiedsrichter Eric Müller gibt Elfmeter für Mannheim. [TV-Bilder – ab Minute 57:10]

Babak Rafati: Nachdem Costly den Ball im gegnerischen Strafraum annehmen will, verspringt dieser nach oben. Sein Gegenspieler Boland nimmt völlig ohne Not den Oberarm aktiv zur Hilfe und spielt das Spielgerät mit dem Arm. Das sieht unspektakulär aus, ist aber ein absichtliches Handspiel, sodass der Schiedsrichter dieses Vergehen sehr gut erkennt und vollkommen berechtigt auf Elfmeter für Mannheim entscheidet.

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