Strittige Szenen am 30. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die verwehrten Elfmeter für Erfurt und Chemnitz, die nicht anerkannten Tore von Beck und Kammlott, das 1:0 für Magdeburg, der Platzverweis gegen Hofrath und die Elfmeter für Regensburg, Großaspach (2) und Chemnitz. Am 30. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn strittige Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Nach einem langen Ball von Luka Odak (Rot-Weiß Erfurt) in den Strafraum geht Richard Weil (1. FC Magdeburg) mit viel Körpereinsatz in den Zweikampf gegen Liridon Vocaj (Rot-Weiß Erfurt). Der Erfurter geht im Strafraum zu Boden, Schiedsrichter Florian Badstübner entscheidet jedoch auf Freistoß für den FCM. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht gut und hat eine freie Sicht. Vocaj läuft nach einem langen Ball in den Strafraum von Magdeburg und hat nur die Absicht zum Ball hochzuspringen. Er setzt dabei kurz zum Sprung an, wird dabei aber von Weil mit übermäßigem Körpereinsatz abgeräumt. Weil macht dabei keine Anstalten, den Ball spielen zu wollen – ohnehin springt er überhaupt nicht zum Kopfball hoch. Wenn der Schiedsrichter den Vorgang genau gesehen hätte, wäre er zu einer richtigen Entscheidung gekommen. Warum er dann schließlich auf Stürmerfoul entscheidet, ist nicht auszumachen. Hier hätte es Strafstoß und Gelb geben müssen, daher liegt eine Fehlentscheidung vor. Eine rote Karte ist nicht erforderlich, da der Angreifer keine Ballkontrolle hatte und somit keine glasklare Torchance vorlag, zumal der Torwart auch noch vor dem Angreifer am Ball ist.

Szene 2: Christian Beck (1. FC Magdeburg) trifft zum 1:0, Badstübner erkennt den Treffer aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition aber nicht an. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]

Babak Rafati: Hier sieht man, wie schwierig die Aufgabe eines Assistenten ist, denn er muss beim "Verschieben" der Abwehr und den Angriffsreihen immer auf Höhe des vorletzten Verteidigers sein und "mitschieben". In diesem Fall tut er das jedoch nicht, vielleicht lässt er sich von der Anwesenheit des Magdeburger Spielers hinter ihm ein wenig irritieren. Er hätte auf Höhe des Verteidigers sein müssen, der in seiner unmittelbaren Nähe steht, um eine richtige Entscheidung treffen zu können. Vermutlich sieht er aus seiner Position nur zwei Stürmer allein in der Mitte stehen und das veranlasst ihn zu glauben, dass der Stürmer allein und somit im Abseits steht. Eine Fehlentscheidung, die nur mit einem richtigen Stellungsspiel verhindert werden kann.

Szene 3: Nach einer Flanke von Michel Nieymer trifft Manuel Farrona-Pulido zum 1:0 für Magdeburg. Die Erfurter Spieler reklamieren, dass der Ball vor der Flanke im Toraus war. Der Treffer zählt dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Der Ball muss die Torlinie vollständig überschreiten. Aus den vorliegenden Bildern ist es nicht zweifelsfrei aufzulösen, auch wenn eine Tendenz vorliegt. In dieser Situation sollten wir die Entscheidung des Schiedsrichtergespanns akzeptieren.

Szene 4: Carsten Kammlott (Rot-Weiß Erfurt) trifft nach einem Freistoß zum 1:1, Badstübner verwehrt dem Treffer jedoch die Anerkennung. [TV-Bilder – ab Minute 6:50]

Babak Rafati: Freistöße müssen zunächst nicht immer durch den Schiedsrichter freigegeben werden. Bei Freistößen, bei denen der Schiedsrichter erst einmal eine Mauer stellen oder aber auch in Position laufen muss (wie in dieser Szene) verhält es sich anders. In solchen Fällen teilt der Schiedsrichter dem Schützen unmissverständlich mit, dass der Freistoß erst freigegeben werden muss – meist durch Pfiff. Wird trotzdem ohne die Zustimmung des Schiedsrichters der Freistoß ausgeführt, gibt es eine Wiederholung des Freistoßes und eine gelbe Karte wegen Unsportlichkeit gegen den Schützen.

Man sieht in dieser Szene sehr gut, dass der Schiedsrichter sich nach hinten orientiert und den Ball noch nicht freigegeben hat. Unmittelbar nach der Ausführung pfeift er zurück. Ob er zuvor unmissverständlich dem Spieler das Freigeben der Ausführung mitgeteilt hatte, wissen wir nicht. Sollte er dieses getan haben, handelt er regelkonform, indem er das Tor nicht anerkennt. Allerdings hätte der Freistoßschütze nach der Regel eine gelbe Karte bekommen müssen.

Da der Schiedsrichter keine gelbe Karte zeigt, ist davon auszugehen, dass er es versäumt hatte, dem Spieler unmissverständlich klar zu machen, dass er den Freistoß freigeben muss. Somit liegt eine sehr unglückliche Entscheidung vor. Von einer Fehlentscheidung im Sinne der Regel kann aber nicht gesprochen werden.

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Szene 5: Marcel Hofrath (Jahn Regensburg) foult Andreas Wiegel (MSV Duisburg) und sieht dafür von Schiedsrichter Dr. Robert Kampka glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Hofrath von Regensburg kommt mit vollem Tempo und Dynamik, springt mit beiden Beinen, übermäßiger Härte und unkontrolliert in die Beine von Wiegel. Er spielt mit dem rechten Bein und mit den Stollen voraus den Ball, trifft aber auch den Gegner, was bei diesem "Anrauschen" auch meist nicht ausbleibt. Mit dem linken Bein, seinem Nachziehbein, trifft er Wiegel von hinten in die Beine und gefährdet dadurch die Gesundheit des Gegenspielers. Eine absolut richtige Entscheidung des Schiedsrichters, in dieser Szene auf Rot zu entscheiden, zumal sich ein Spieler die Frage gefallen lassen muss, ob eine derartige Aktion auf Höhe der Mittellinie überhaupt angebracht ist.

Szene 6: Tugrul Erat (MSV Duisburg) bringt den im Abseits stehenden Marco Grüttner (Jahn Regensburg) zu Fall – es gibt Elfmeter für Regensburg. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Erat rutscht im eigenen Strafraum unglücklich aus und bringt dabei seinen Gegenspieler Grüttner zu Fall. Das ist ein Foulspiel und wäre mit einer Strafstoßentscheidung richtig geahndet. Da Grüttner jedoch zuvor in Abseitsposition steht, hätte es einen indirekten Freistoß für Duisburg geben müssen. Es liegt eine Fehlentscheidung vor, die jedoch dem Assistenten anzulasten ist. Den Schiedsrichter trifft hier keinerlei Schuld.

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Szene 7: Nach einem leichten Kontakt von Christian Strohdiek (SC Paderborn) geht Lucas Röser (Sonnenhof Großaspach) zu Fall. Schiedsrichter Robert Kempter zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Röser wird im Laufduell im Strafraum von Paderborn von seinem Gegenspieler Strohdiek kurz und ansatzlos unten am Fuß getroffen und dadurch zu Fall gebracht. Das ist ein klares Foulspiel, was richtigerweise mit einem Strafstoß geahndet wird. 

Szene 8: Sebastian Heidinger (SC Paderborn) hat bei einer Flanke von Großaspach die Arme oben, bekommt den Ball aber an den Rücken. Erneut gibt es Elfmeter für Großaspach. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Hier zeigt sich wieder einmal wie wichtig es ist, dass sich der Schiedsrichter vorausschauend in eine gute Position bringt, um eine gute Sicht zum Geschehen zu haben, was als Grundlage für eine richtige Entscheidung elementar ist. Hätte sich der Schiedsrichter etwas nach links außen orientiert, wäre ihm durch einen besseren Blickwinkel nicht entgangen, dass der Ball deutlich gegen den Rücken von Heidinger geköpft wird. Aber aus seiner Position wird der Schiedsrichter spekuliert, sich dabei verschätzt und eine verzerrte Wahrnehmung gehabt haben, sodass er ein vermeintliches Handspiel erkennt. Eine Fehlentscheidung.

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Szene 9: Nach einem Schuss von Anton Fink (Chemnitzer FC) bekommt Maximilian Rossmann (FSV Mainz 05 II) den Ball an die Hand. Schiedsrichter Patrick Alt lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 4:50]

Babak Rafati: Der Ball wird aus kurzer Distanz von Fink an die Hand von Rossmann geschossen. Somit liegt keine aktive Bewegung des Mainzers zum Ball vor. Auch erfolgt keine Vergrößerung der Körperfläche, sodass kein absichtliches und somit strafbares Handspiel vorliegt. Der Schiedsrichter steht gut und signalisiert sofort auf Weiterspielen. Damit erreicht er eine gute Akzeptanz, denn er zeigt an, den Vorgang gesehen zu haben, aber weiterspielen zu lassen. Eine richtige Entscheidung mit guter Außendarstellung.

Szene 10: Daniel Frahn (Chemnitzer FC) geht in einem Laufduell mit Charmaine Häusl (FSV Mainz 05 II) zu Fall. Alt entscheidet auf Elfmeter für den CFC. [TV-Bilder – ab Minute 0:05]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat freie Sicht und steht eigentlich ganz gut, wobei er besser zentral stehen sollte, also hinter den beiden Spielern. Frahn läuft auf der rechten Seite in den Strafraum von Mainz. Häusl läuft hinterher und will sogar noch ausweichen, damit keine Berührung stattfindet, was ihm auch geschickt gelingt. Frahn läuft weiter und lässt sich plötzlich fallen. Selbst wenn eine Berührung stattgefunden haben sollte, stellt sich die Frage, warum er erst nach einem weiteren Schritt zu Fall kommt. Hier liegt eine klare Schwalbe vor und es hätte eine gelbe Karte wegen Unsportlichkeit gegen Frahn geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

 

   

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