Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Der nicht gegebene Treffer und der Elfmeter für Magdeburg, die verwehrten Elfmeter für Mannheim, Großaspach und Chemnitz, das 2:0 von Uerdingen, der Platzverweis von Verhoek, ein Foulspiel von Davy Frick und das 1:0 von Würzburg: Am 28. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Aus dem Gewühl bringt Tarek Chahed (Magdeburg) den Ball auf das Tor, Dominik Schad (Kaiserslautern) schießt ihn zurück ins Feld. Magdeburg reklamiert Tor, Schiedsrichter Manuel Gräfe gibt den Treffer aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Ob der Ball die Torlinie vollständig überquert hat, lässt sich im Spiel bei realer Geschwindigkeit nicht zweifelsfrei beurteilen. Selbst in der Zeitlupe ist das nicht möglich. Das ist eine Situation, die das menschliche Auge einfach überfordert. Erst mit einem Standbild, das man zudem vergrößern muss, kann man erkennen, dass der Ball die Torlinie mit vollem Umfang überquert hat. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, dieses Tor nicht anzuerkennen. Aber kein Vorwurf an das Schiedsrichtergespann, zumal der Schiedsrichter selbst so etwas aus frontaler Position zur Torlinie und circa 20 Meter Entfernung nicht entscheiden kann. Selbst dem Assistenten mit besserem Blick aus seitlicher Position ist das nicht zuzumuten. Nur die Torlinientechnologie, wie wir sie aus der Bundesliga kennen, hätte in dieser Szene helfen können.

Szene 2: Nach einem Zweikampf zwischen Kevin Kraus (Kaiserslautern) und Christian Beck (Magdeburg) gibt es Elfmeter für den FCM. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Nach einem Freistoß in den Strafraum von Kaiserslautern hält Kraus seinen Gegenspieler Beck zunächst am Trikot und reißt es ihm etwas vom Körper. Man kann sogar den nackten Rücken von Beck sehen. Nachdem der Ball dann woanders hinfliegt, bekommt Beck kurz darauf die Möglichkeit mit dem Rücken zum Tor zum Ball zu gehen. Erneut wird er von Kraus attackiert. Diesmal trifft er ihn an der Kniekehle, Beck nimmt den Kontakt dankend an. In der Summe dieser zwei Vergehen ist ein Strafstoß absolut in Ordnung, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt. 

 

Szene 3: Nach einer Flanke in den Strafraum wird Maurice Deville (Mannheim) gestoßen und zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Jonas Weickenmeier. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Nach einer Flanke vor das Tor von Uerdingen will Deville zum Kopfball hoch, bekommt aber von seinem Gegenspieler einen klaren Stoß mit dem Arm in den Rücken, was ausreicht, um ihn aus dem Gleichgewicht und schließlich zu Fall zu bringen. Der Verteidiger will dabei nur den Gegenspieler unfair "aus dem Spiel nehmen" und orientiert sich dabei überhaupt nicht zum Ball. Dadurch, dass der Schiedsrichter schlecht postiert ist, kann er dieses Foulspiel nicht sehen. Hier hätte es einen Strafstoß für Mannheim geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

Szene 4: Bei einer Ecke wird Timo Königsmann (Mannheim) von Jan Kirchhoff (Uerdingen) bedrängt. Das Spiel läuft weiter, aus der Situation entsteht das 2:0 für den KFC. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Der Torwart wird im Zweikampf wie ein Feldspieler behandelt, sodass dieser Zweikampf zwischen Keeper Königsmann und seinem Gegenspieler Kirchhoff absolut sauber ist und kein Foulspiel vorliegt. Die Regelung, dass der Torwart im "Fünfer" überhaupt nicht bedrängt werden darf, wurde im Regelwerk vor vielen Jahren geändert. Eine richtige Entscheidung, das Tor für Uerdingen anzuerkennen.

 

 

Szene 5: Nach einem Zweikampf mit Ali Odabas (Zwickau) sieht John Verhoek (Rostock) von Schiedsrichter Patrick Hanslbauer Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Verhoek wird in der gegnerischen Hälfte lang angespielt und nimmt den linken Arm etwas heraus, um sich den Gegner vom Leib zu halten, wie wir es mittlerweile in jedem Zweikampf sehen. Dabei kommt sein Arm an die Schulter von Gegenspieler Odabas. Ob das ein Foulspiel ist bezweifle ich – ein Schlag liegt jedenfalls nicht vor. Der Schiedsrichter pfeift trotzdem ab und wertet die Szene als Foulspiel. Wenn er der Auffassung wäre, dass diese Aktion zusätzlich eine gelbe Karte ist, wäre er zügig zum Geschehen gelaufen. Erst nachdem sich aber der Gegenspieler ins Gesicht fasst, kommt er vermutlich zu der Annahme, dass ein Gesichtstreffer vorlag. Die Moral und Fairness von Odabas möchte ich gar nicht beurteilen. Aber in dieser Szene eine gelbe Karte zu zeigen, was in der Folge Gelb-Rot für Verhoek bedeutet, ist eine Fehlentscheidung.

Szene 6: Der bereits gelb-verwarnte Davy Frick (Zwickau) bringt Lukas Scherff vor dem Strafraum zu Fall und kommt mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:55:35]

Babak Rafati: Scherff wird von seinem Mitspieler kurz vor dem Zwickauer Strafraum angespielt und legt sich den Ball geschickt an seinem Gegenspieler Frick vorbei. Dieser kann ihn nur noch durch Beinstellen daran hindern, in den Strafraum einzudringen und bringt ihn dadurch in aussichtsreicher Position zu Fall. Das ist ein taktisches Foulspiel und daher ist eine gelbe Karte zwingend vorgeschrieben. Hier hätte es die gelb-rote Karte gegen den bereits verwarnten Frick geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung. Zum anderen ist es ein ungeschriebenes Gesetz bei den Schiedsrichtern, dass wenn eine Mannschaft in Unterzahl ist und die gegnerische Mannschaft die Möglichkeit anbietet, ebenfalls einen Spieler vom Platz zu stellen, dieses sogenannte "Geschenk" anzunehmen und Gleichstand in der Anzahl der Spieler herzustellen. Damit kommt Ruhe ins Spiel.

 

Szene 7: Nach einem Pass von Patrick Sontheimer erzielt Robert Herrmann das 1:0 für Würzburg. Meppen reklamiert Abseits, Schiedsrichter Eric Müller gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Beim Anhalten des Bildes zum Zeitpunkt des Abspiels von Sontheimer steht Herrmann nicht im Abseits. Das kann man sehr gut daran erkennen, dass der Verteidiger mit seinem linken Knie in der Luft weiter von der Strafraumlinie entfernt ist als Herrmann. Somit eine richtige Entscheidung, diesen Treffer für Würzburg anzuerkennen.

 

Szene 8: Im Strafraum kommt es zu einem Zweikampf zwischen Dominik Martinovic (Großaspach) und Alexander Winkler (Unterhaching). Martinovic moniert Handspiel, Schiedsrichter Daniel Schlager pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 39:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf bekommt Winkler den Ball im eigenen Strafraum aus kurzer Entfernung an die Brust und nicht an den Arm, wie es Martinovic gesehen haben will, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, das Spiel weiterlaufen zu lassen.

 

Szene 9: Nach einer Hereingabe spielt Tim Kircher (Jena) den Ball im Strafraum mit der Hand. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Florian Lechner. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Nach einer Hereingabe in den eigenen Strafraum will Kircher den Ball mit dem rechten Fuß klären, dieser springt ihm jedoch vom Fuß. Noch im gleichen Bewegungsablauf nimmt er sofort seine rechte Hand zu Hilfe und geht aktiv zum Ball, um zu verhindern, dass dieser zum Gegenspieler gelangt. Somit kann er den Ball vor seinem Gegenspieler, der in aussichtsreicher Position lauert, klären. Der Arm ist nicht in natürlicher Haltung und wird unmittelbar nach dem "Ausrutscher" zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt. Der Schiedsrichter hat freie Sicht und lässt dennoch weiterspielen. Das ist aber ein strafbares Handspiel und hätte einen Strafstoß für Chemnitz geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

 

   

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